Sünden der gelähmten Seeelen
Die Schauplätze Himmel und Erde sind genauso geschickt verwoben wie die beiden Stücke: Das Theater an der Ruhr in Mülheim verbindet Oskar Panizzas "Liebeskonzil" mit Heinrich Lautensacks "Pfarrhauskomödie".
Verboten, geächtet, skandalisiert – dieses Schicksal teilten die Autoren Oskar Panizza und Heinrich Lautensack. Noch in den sechziger Jahren wurde der Verleger Jes Petersen inhaftiert, weil er ein Faksimile der Erstausgabe von Panizzas Theatergroteske "Das Liebeskonzil" herausgab. Gott braucht die Hilfe des Teufels, um die sündige Menschheit in den Griff zu kriegen. Eine neue Sintflut kann er nicht schicken, denn die Schöpfungskraft des alten Mannes ist erlahmt. Bestrafen ohne zu vernichten, lautet sein Auftrag.
Satan erfüllt ihn mit der Erfindung der Syphilis, die sich über den Papst und die lüsternen Kirchenoberen auf den Rest der Menschheit ausbreitet. So etwas war natürlich im wilhelminischen Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts harter Stoff. Heute muss man sich eher die Bemerkung verkneifen, dass die Geschichte um triebbesessene Geistliche ein Hauch des Dokumentarischen umweht.´
Thomaspeter Goergen, langjähriger Regiemitarbeiter von Roberto Ciulli am Mülheimer Theater an der Ruhr, hat allerdings Panizzas Szenen um den beischlaffixierten Borgiapapst Alexander VI. gestrichen. An ihre Stelle tritt die "Pfarrhauskomödie" von Heinrich Lautensack, eines Zeitgenossen von Frank Wedekind. Hier geht es um einen Pfarrer, der nicht nur mit seiner eigenen Haushälterin schläft, sondern auch mit der seines "Kooperators". Es geht um Vertuschung und Selbstbetrug, um Machtmissbrauch und Heuchelei.
Goergen nimmt der in den zwanziger Jahren oft gespielten Komödie alle Heiterkeit. Er inszeniert ein Psychodrama der gelähmten Seelen, auf denen die katholische Religion wie ein Albdruck lastet, dem niemand entrinnen kann. Zu Beginn sitzt der lange Schauspieler Rupert J. Seidl als Pfarrer lange am Tisch und singt leise ein bayrisches Volkslied. Darin liegt eine skurrile Sehnsucht nach einer einfachen Idylle, doch sein treuer Hundeblick kann schnell scharf werden, und die sanfte Stimme schneidend.
Die Szenen der "Pfarrhauskomödie" hat Dramaturg Helmut Schäfer so geschickt mit Panizzas "Liebeskonzil" ineinander montiert, dass der neue Text wie aus einem Guss wirkt. Wer nicht weiß, dass es sich um zwei Stücke handelt, merkt es wahrscheinlich gar nicht. Dass sie sprachlich sehr unterschiedliche Sphären spiegeln, erklärt sich ja schon am Unterschied der Schauplätze, von Himmel und Erde.
Volker Ross spielt Gott mit der lauernden Gefährlichkeit eines angeschossenen Diktators, der weiß, dass seine Macht schwindet und sich deshalb gewissenlos an ihr fest krallt. Mit dem etwas zurückgebliebenen Christus, der zickigen Maria und naiven Engelchen wirkt der Himmel wie eine chaotische Familie. Ein komplett nackter Cherubim springt fröhlich zwischen ihnen umher, was anfangs niedlich wirkt, sich als Effekt aber abnutzt.
Thomaspeter Goergen bedient auch hier nicht die laute Groteske, sondern arbeitet mit feinen Zwischentönen. Doch an vielen Stellen hätte er die Inszenierung etwas straffen können, manche stillen Momente sind schlicht Löcher. So schön die überraschende Melancholie dieser Aufführung ist, sie gibt dem Abend auch eine schwerfällige Note. Die ausgezeichneten Schauspieler können sich aber immer wieder daraus befreien. Sie erzählen von Menschen im Würgegriff einer zynischen Gottfamilie, eines Glaubens, der lediglich Herrschaftsinstrument ist. Damit führen sie die Aufführung über die antikatholische Provokation hinaus.
Satan erfüllt ihn mit der Erfindung der Syphilis, die sich über den Papst und die lüsternen Kirchenoberen auf den Rest der Menschheit ausbreitet. So etwas war natürlich im wilhelminischen Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts harter Stoff. Heute muss man sich eher die Bemerkung verkneifen, dass die Geschichte um triebbesessene Geistliche ein Hauch des Dokumentarischen umweht.´
Thomaspeter Goergen, langjähriger Regiemitarbeiter von Roberto Ciulli am Mülheimer Theater an der Ruhr, hat allerdings Panizzas Szenen um den beischlaffixierten Borgiapapst Alexander VI. gestrichen. An ihre Stelle tritt die "Pfarrhauskomödie" von Heinrich Lautensack, eines Zeitgenossen von Frank Wedekind. Hier geht es um einen Pfarrer, der nicht nur mit seiner eigenen Haushälterin schläft, sondern auch mit der seines "Kooperators". Es geht um Vertuschung und Selbstbetrug, um Machtmissbrauch und Heuchelei.
Goergen nimmt der in den zwanziger Jahren oft gespielten Komödie alle Heiterkeit. Er inszeniert ein Psychodrama der gelähmten Seelen, auf denen die katholische Religion wie ein Albdruck lastet, dem niemand entrinnen kann. Zu Beginn sitzt der lange Schauspieler Rupert J. Seidl als Pfarrer lange am Tisch und singt leise ein bayrisches Volkslied. Darin liegt eine skurrile Sehnsucht nach einer einfachen Idylle, doch sein treuer Hundeblick kann schnell scharf werden, und die sanfte Stimme schneidend.
Die Szenen der "Pfarrhauskomödie" hat Dramaturg Helmut Schäfer so geschickt mit Panizzas "Liebeskonzil" ineinander montiert, dass der neue Text wie aus einem Guss wirkt. Wer nicht weiß, dass es sich um zwei Stücke handelt, merkt es wahrscheinlich gar nicht. Dass sie sprachlich sehr unterschiedliche Sphären spiegeln, erklärt sich ja schon am Unterschied der Schauplätze, von Himmel und Erde.
Volker Ross spielt Gott mit der lauernden Gefährlichkeit eines angeschossenen Diktators, der weiß, dass seine Macht schwindet und sich deshalb gewissenlos an ihr fest krallt. Mit dem etwas zurückgebliebenen Christus, der zickigen Maria und naiven Engelchen wirkt der Himmel wie eine chaotische Familie. Ein komplett nackter Cherubim springt fröhlich zwischen ihnen umher, was anfangs niedlich wirkt, sich als Effekt aber abnutzt.
Thomaspeter Goergen bedient auch hier nicht die laute Groteske, sondern arbeitet mit feinen Zwischentönen. Doch an vielen Stellen hätte er die Inszenierung etwas straffen können, manche stillen Momente sind schlicht Löcher. So schön die überraschende Melancholie dieser Aufführung ist, sie gibt dem Abend auch eine schwerfällige Note. Die ausgezeichneten Schauspieler können sich aber immer wieder daraus befreien. Sie erzählen von Menschen im Würgegriff einer zynischen Gottfamilie, eines Glaubens, der lediglich Herrschaftsinstrument ist. Damit führen sie die Aufführung über die antikatholische Provokation hinaus.