Süße Verführung

Wie schädlich ist Zucker?

Zucker
25 Gramm Zucker am Tag, mehr sollte es nicht sein, empfiehlt die WHO. Die Deutschen nehmen das Vierfache zu sich. © picture alliance / Uwe Anspach
Gäste: Ernährungsmediziner Matthias Riedl und Günter Tissen von der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker |
Diabetes, Herzinfarkt, Übergewicht: Wenn wir nicht weniger Zucker essen, bricht unser Gesundheitssystem zusammen, warnt Matthias Riedl und fordert eine Zuckersteuer. Günter Tissen hält dagegen: Zucker macht nicht dick.
Er versüßt uns in vielen Momenten das Leben: Zucker. Ob in Schokolade, Kuchen oder Naschzeug, er ist nahezu überall. Und zwar meist versteckt: in Fertiggerichten, Frühstücksflocken, Ketchup – selbst in Gewürzgurken oder Tütensuppen. Und so nehmen wir bewusst oder unbewusst enorme Mengen davon zu uns.

"Wir werden durch versteckten Zucker verführt"

Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) empfiehlt nicht mehr als 25 Gramm pro Tag, das entspricht etwa acht Stück Würfelzucker. Jeder Deutsche verzehrt aber statistisch gesehen das Vierfache: etwa 100 Gramm täglich – insgesamt mehr als 30 Kilogramm im Jahr.
Die Folge: Die Zahl der Übergewichtigen und der Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Aktuell leben rund sechs Millionen Diabetiker in Deutschland, zwei Drittel der Männer und etwa die Hälfte der Frauen sind zu dick – auch wegen ihres übermäßigen Zuckerkonsums.
"Das allgegenwärtige Zuckerangebot führt dazu, dass die Leute alles nur noch süß mögen", sagt Matthias Riedl. Der Ernährungsmediziner und Diabetologe leitet das medizinische Versorgungszentrum "medicum Hamburg". "Wir werden verführt, auch durch versteckte Zucker. Und wer glaubt, beim Essen sei alles intelligenzgesteuert, der irrt. Wir funktionieren mit unserem Gehirn ganz emotional, weil das unser Überlebenssystem ist. Und das wird von der Ernährungsindustrie ausgenutzt." Seine Mahnung: "Wenn wir nicht bald umdenken und weniger Zucker essen, bricht unser Gesundheitssystem zusammen." Seine Forderung: "Wir brauchen eine konzertierte Aktion gegen Übergewicht. Wir brauchen eine Zuckersteuer."

"Eine Zuckersteuer macht niemanden schlank"

"Eine Zuckersteuer macht niemanden schlank, weil Zucker nicht dick macht", findet hingegen Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. "Entscheidend ist die Energiebilanz, nicht eine einzelne Zutat. Wer mehr Kalorien aufnimmt – als er oder sie verbraucht – wird zunehmen." Weniger Zucker in Lebensmitteln heiße auch nicht automatisch weniger Kalorien.
"Gerade in festen Lebensmitteln wie beispielsweise in Convenience Food kommt Zucker nicht nur wegen der Süße zum Einsatz. Zucker hat Einfluss auf Volumen und Textur von Lebensmitteln, er verlängert ihre Haltbarkeit und bringt viele Aromen erst zur vollen Entfaltung. Wer Zucker reduziert, muss ihn durch andere Stoffe ersetzen, die in der Regel genauso viel oder mehr Kalorien liefern. Zuckerreduzierte Produkte haben deshalb oft genauso viele Kalorien wie die normalen, vergleichbaren Produkte – manchmal sogar mehr."
Es werde auch kein Zucker in Produkten versteckt, jeder Verbraucher könne sich über die Zutatenliste und Nährwerttabellen informieren.
Sein Appell: "Wir müssen über unseren Lebensstil, müssen über das Gesamtpaket aus Ernährung, Genuss und ganz besonders unsere Bewegung reden."
Hören Sie zum Thema auch das Interview mit dem Biologen René Spierling in "Studio 9", 6.11 Uhr:

Süße Verführung: Wie schädlich ist Zucker? Darüber diskutiert Klaus Pokatzky am Samstag, den 28.1.2017 von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Matthias Riedl und Günter Tissen. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

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