Süßliche Schwaden hinter der Hecke

Von Anja Nehls |
Haschisch und Marihuana in der Schule, das ist nicht die Ausnahme, sondern in Großstädten oft die Regel. Problemlos finden sie den Weg auf den Schulhof, und viele Lehrer sehen hilflos weg. Nirgendwo sonst kiffen so viele Schüler wie in Berlin. Besonders groß ist das Problem in den sogenannten "besseren Bezirken".
Dennis, Finn, Lena und Max stehen dicht beisammen gegenüber der Schule in einem kleinen Weg verborgen hinter einer Hecke - wie fast in jeder Pause. Finn rollt Haschisch zusammen mit Tabak in ein kleines Papier und zündet das Ganze an.

Kurz darauf lassen die vier den Joint kreisen. Süßliche Schwaden wabern hinter der Hecke.

"Ich brauche das jetzt nicht, um mich total zuzuknallen. Das ist ab und zu mal ganz lustig, aber jetzt nicht um einen kompletten Rausch zu erleben. Ist ganz lustig. Beim ersten Mal war es viel intensiver, dass ich gelacht habe, jetzt lache ich nicht mehr so viel. Da ist man einfach ruhiger."

Ein paar Meter weiter in einem kleinen Park stehen die nächsten. Ebenfalls Schüler, einer davon erst 15. Dass ein Lehrer sie erwischen könnte, befürchten sie nicht:

"Hier gibt es ganz gute Plätze. Nee, die bemerken es auch einfach nicht, weil die es auch nicht so vermuten, weil unserer Schule doch ein bisschen ordentlicher ist, würde ich sagen, als viele andere Schulen. Vielleicht ist es auch einfach nur geheimer, sage ich mal, dann ist es schockierender, wenn es rauskommt, weil auf den anderen Schulen ist es vielleicht schon klarer, dass so was ist."

Das Werner von Siemens Gymnasium liegt in einer der besseren Gegenden von Berlin. Gekifft wird dennoch - oder gerade hier. Man gibt sich locker. Die Klamotten dürfen teuer sein, aber keinesfalls so aussehen. Über Geld für das Gras wird nicht geredet, aber die meisten hier können sich Großzügigkeit leisten.

"Aber man teilt gerne, ja man teilt, alleine wäre das ja Blödsinn. Es gibt ja auch welche, die haben öfter was dabei und die machen das dann auch. Die geben auch öfter aus, sage ich mal."

Die Aufsicht auf dem Pausenhof guckt von weitem. Eine jüngere Lehrerin geht auf dem Weg zum Auto an der Gruppe vorbei und scheint nichts zu bemerken. Passanten gucken einfach weg. Kiffen in der Nähe von Schulen ist illegal, aber weder die Lehrer noch die Vorbeigehenden schreiten ein:

"Ich habe schon mal gehört, dass es vorgekommen ist, ich selber habe damit nie Erfahrungen gemacht, in der Schule mit den Schülern. Ich habe das nie wahrgenommen. Ich rieche das nur, wenn ich im Raum bin, aber wenn ich jetzt an jemandem vorbeigehen würde an der frischen Luft bin ich nicht firm. Nein, naja, da kann man nichts machen."

Drogentest im Internat
Viele Schulen bekommen das Kiffen bei den Schülern nicht in den Griff - besonders in den vermeintlich besseren Gegenden wird eher weg- als hingeschaut, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Einige Schulen gehen aber auch in die Offensive, wie z.B. die Seeschule Rangsdorf. Die meisten Schüler hier kommen aus Berlin. Das denkmalgeschützte Gebäude steht direkt am See. Trotz der romantischen Umgebung ist hier nicht nur heile Welt.

Jetzt ist Essenszeit. Die Tageschüler gehen danach nach Hause, für die Internatsschüler wird es dann ernst, wie jede Woche. Jeder muss in die große Lostrommel greifen. Ein Los mit Kreuz bedeutet: Drogentest. Für Begeisterung bei den Schülern sorgt das Verfahren nicht:

"Unangenehm, ja, kennt man halt nicht so. Eigentlich hofft jeder, dass er nicht gezogen wird, weil er keine Lust drauf hat. Naja, man steht schon ein bisschen unter Druck, wenn man gezogen wird, auch wenn man weiß, dass man nicht gekifft hat. Insgesamt musste ich schon dreimal einen machen."

Heute sind Victor und Günter dran. Mit einem kleinen Becherchen verziehen sie sich in die Toilette. Anschließend gibt ein Teststreifen Aufschluss, ob in den vergangenen Tagen gekifft wurde oder nicht. Dass dabei auch versucht wird zu schummeln, ist für die Christiane Goltz und Christoph Schmidt von der Schulleitung nicht neu:

"Wenn sie das Gefühl haben, heut wird getestet, dann hat der vielleicht schon einen Becher Urin oder ein Fläschchen von einem anderen Schüler auf dem Klo deponiert. Sie merken auch, das sind Dinge, die dann wieder ans Licht gekommen sind. Ist ja klar. Auch mit Fieberthermometer und gucken mal, welche Temperatur hat er denn. Liegt er jetzt bei 13 Grad wie ein guter Rotwein oder liegt er bei 36 Grad, wie es sein sollte. Ja, ist gleich Biologieunterricht."

Mit ihrer ihrer Verantwortung gegenüber den Eltern ist es der Schulleitung ernst. Internats- genauso wie Tagesschüler werden intensiv beobachtet:

"Dass ein Schüler unaufmerksam ist, dass er irgendwie lethargisch wirkt, am Montag irgendwie völlig durchhängt und so. Kann der noch sitzen und einen fokussieren und wer ein bisschen aufmerksam durch die Gegend geht und nicht weggucken will und mit Jugendlichen zu tun hat, der spürt das auch und man merkt auch, wenn sich einer verändert."

Vielleicht merkt man es manchmal auch nicht. An einem großen Holztisch draußen in der Sonne, sitzen Lukas, Sophie und Vincenz, Schüler der 9. und blödeln. Erst kürzlich musste einer von ihnen gehen. Der hatte sich kurz hintereinander mit Alkohol, Zigaretten und beim Kiffen erwischen lassen, sagen die anderen - viel Mitleid haben sie nicht:

"Dann hat er vor dem Lehrer auch noch gesagt, dass es ihm scheißegal ist, dass Kiffen ihm wichtiger ist als Schule und dann ist er letzten Endes auch geflogen."

Die Tagesschüler werden nur in Verdachtsfällen kontrolliert. Also gilt es, keinen Verdacht zu erregen und sich im Griff zu behalten. Für Sophie kein Problem.

"Es gibt ja auch Leute, die wirklich abrutschen, total. Ich denke, bei Leuten, die keine Scheiße bauen und sich ansonsten normal verhalten und das einfach nur zum Spaß oder zur Beruhigung rauchen, solange sie noch gut beim Unterricht teilnehmen und solange sie nicht jede Stunde einschlafen ist es doch vollkommen in Ordnung."

Sophie, Lukas und Vincenz haben jetzt gleich wieder Unterricht. Vermutlich werden sie Abitur machen, einen Beruf ergreifen, Familie haben und dann mit dem Kiffen aufhören - später.

"Die Jugend erst mal genießen und dann kann man aufhören, wenn man dann arbeiten geht und alles. Wenn ich Kinder habe, dann möchte ich aufhören zu rauchen und Kiffen eigentlich auch. Ja. Also definitiv wenn ich das erste Mal schwanger bin. Was danach passiert, wenn die erwachsen sind, weiß ich nicht, aber definitiv, wenn ich das erste Mal schwanger bin. Und dann ist gut."
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