Sukhavati in Bad Saarow

Leben und Sterben in buddhistischer Gemeinschaft

Eine Buddha-Statue
Sukhavati ist Sanskrit und bedeutet: "Ort, der Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit bringt." © Deutschlandradio / Ellen Wilke
Von Matthias Bertsch |
In Bad Saarow hat ein Zentrum für Spiritual Care eröffnet. Grundlage ist die Lehre Buddhas, aber nicht nur seine Anhänger sollen willkommen sein. Es ist das erste buddhistische Zentrum für "Spiritual Care" in Deutschland - dort können Menschen Erholung und neue Kraft finden.
Susann Roth: "So, einfach reinkommen, Ja, ich habe jetzt zwei Zimmer, also zwei kleine. In diesem hier mach ich alles, also da schlafe ich, da koche ich, da habe ich einen bequemen Sessel und dieses Zimmer hier ist dann eher so ein Arbeitsraum, ja, und der Blick auf den See, das ist natürlich traumhaft, und hier gibt es eine Vielfalt von Vögeln, das ist so was von schön, wirklich!"
Susann Roth ist die Begeisterung über ihr neues Zuhause anzumerken. Die pensionierte Kunsttherapeutin aus der Schweiz lebt seit einigen Wochen im ersten buddhistischen Zentrum für Spiritual Care in Deutschland. Der Name "Sukhavati" ist Programm für den lichtdurchfluteten Flachbau, dessen Apartments alle zum See hin zeigen. Sukhavati ist Sanskrit und bedeutet: "Ort, der Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit bringt" - und darum ging es bei der Auswahl des Ortes, betont Almut Göppert, die ebenfalls hier wohnt und Sukhavati in den letzten sechs Jahren mit aufgebaut hat.
"Als das Projekt initiiert wurde, haben wir den Rat erfragt von zwei tibetisch-buddhistischen Meditationslehrern, wo für dieses Projekt ein guter Ort wäre. Und dann haben sie empfohlen, dass es in der Nähe von Berlin sein solle, an einem See. Und dann haben wir ganz explizit Seegrundstücke in der Nähe von Berlin gesucht, im Umkreis von etwa einer Stunde Autofahrt, und ehrlich gesagt war es sogar so, dass das erste Grundstück, das angeguckt wurde, hier in Bad Saarow war, und die zwei Personen, die sich das angeschaut haben, haben gleich festgestellt, dass Bad Saarow eine sehr besondere Atmosphäre hat."

Sogyal Rinpoche, spiritueller Lehrer hinter dem Projekt

Eine Atmosphäre, die sich auch auf Menschen übertragen soll, die sich in Lebenskrisen befinden, schwer krank sind oder wissen, dass sie bald sterben werden. Für sie bietet Sukhavati 16 Apartments und pflegerische wie spirituelle Unterstützung an. Der Kern des Projektes allerdings sind die derzeit 15 Menschen, die hier als buddhistische Gemeinschaft leben. Für sie ist "spiritual care" immer auch die Beschäftigung mit dem eigenen Leben und Sterben.
Susann Roth: "Es gibt so ein Alter, wo man sich überlegt: und was jetzt? Also, wo alles offen ist, wo wieder alles möglich ist. Es ist eine Art Sinnfrage, was mit dieser Zeit, die noch bleibt, und ich bin ja eine Schülerin von Sogyal Rinpoche und ich weiß, ich kenn zum Beispiel die Angst vor dem Tod, und ich weiß, wenn ich in Meditation bin, dann geht das einfach weg. Das ist etwas so Kostbares, wenn man einfach diesen Raum in sich spürt, wo sämtliche Ängste weg gehen."
Sogyal Rinpoche, dieser Name fällt bei Gesprächen über Sukhavati immer wieder. Er ist der spirituelle Lehrer hinter dem Projekt, über ihn ist auch Almut Göppert zum Buddhismus gekommen – als sie mit 18 ihre beste Freundin durch einen tödlichen Unfall verloren hat.
"Alle Antworten, die mir in dieser Zeit gegeben wurden, durch die bekannten Religionen in unserem Kulturkreis haben mich nicht wirklich weitergebracht, und ich bin auf die Suche gegangen und wollte irgendwie mehr über Leben und Tod verstehen, weil mich das sehr bewegt hat, die plötzliche Konfrontation mit der Endlichkeit, und bin dann eines Tages dem tibetischen Buch vom Leben und vom Sterben begegnet, und da stand alles drin, was ich mir selbst schon gedacht hatte und noch viel mehr, und es war klar, das ist die Richtung, die mir die Antworten gibt, die ich gebraucht und gesucht habe."
Auch beruflich hat sich Göppert intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt:
"Ich bin Strahlentherapeutin und Palliativmedizinerin, habe Palliativstationen mit aufgebaut, sehr viele Sterbende begleitet und fand immer, dass das, was ich im tibetischen Buddhismus gelernt habe, am meisten Sinn gemacht hat auch in der Begleitung von Sterbenden, auch in unserem Kulturkreis. Man muss nicht buddhistisch sein, um gewisse Formen der Begleitung gut umzusetzen."
Robert Hofberger: "Ja, dann herzlich willkommen zur Mittagsmeditation, die immer vor dem Mittagessen ist, ne halbe Stunde."
Im Amitabha, dem Schreinraum, sitzen acht Menschen im Halbkreis um eine Buddha-Statue. Bevor Stille eintritt und sich die Teilnehmer auf ihren Atem konzentrieren, macht Robert Hofberger, der die spirituelle Gemeinschaft in Sukhavati leitet, ein paar einführende Bemerkungen.
"Also ein Aspekt von Meditation ist ja, dass wir unseren abgelenkten Geist, unseren umherwandernden Geist nach Hause bringen, zu uns, in unseren Körper erst mal, da wo er hingehört, und dass wir ihn dann sich beruhigen lassen."

Keiner muss, aber jeder kann

Wie das gemeinsame Mittagessen in der Cafeteria ist auch die Teilnahme an den Meditationen freiwillig: Keiner muss, aber jeder kann – das gilt für die Mitglieder der Gemeinschaft wie für Patienten, Gäste und Pflegepersonal. Bei Sukhavati soll niemand zum Buddhismus bekehrt werden, und dennoch: Die spirituellen Wurzeln des Projektes sind immer wieder spürbar – auch beim Meeting der zwölf Pflege-Kräfte.
"Wir wollten ja heute auf jeden Fall auch noch mal über die Patientin reden ... "
Bevor über Patienten und Arbeitskleidung gesprochen wird, gibt es zunächst ein Feedback zur Begegnung mit Sogyal Rinpoche, der Sukhavati wenige Tage zuvor besucht hat.
"Ich fand das ganz gut, diese erste Frage, die Philipp gestellt hatte, weil wir aus verschiedenen Bereichen kommen, mit verschiedenen spirituellen Hintergründen auch, einige sind christlich, wir sind buddhistisch, manche sind auch gar nix - naja, alles was in dem Bereich liegt, atheistisch, spirituell, genau - und dass er dann gefragt hat: Wie können wir zusammenarbeiten, ne gute Form von Zusammenarbeit, und dann sagt er, es war so einfach eigentlich. Seid menschlich, mit euch, mit den Gästen, die ihr hier habt, und versucht einfach, das gute Herz zu leben!"
Fast alle in der Runde waren von der Begegnung mit dem tibetischen Meditationsmeister beeindruckt, aber die Umsetzung seiner Ratschläge wird nicht leicht sein, gibt Pflegeleiterin Claudia Spahn zu bedenken.
"Das hört sich natürlich toll an, mit dem guten Herz arbeiten, aber was heißt das im Alltag: Mit dem guten Herz arbeiten? Und als Familie? Also hier eine familiäre Atmosphäre gestalten, wenn ich meinen Feierabend haben will als Mitarbeiterin oder wenn ich meinen Urlaub eben plane, wie ich ihn brauche, und wie das Team es ermöglicht, aber nicht nach dem Patienten gehe? Sondern dann auch fahre, wenn vielleicht jemand stirbt, der hier von mir lange betreut wurde."
Wie sich das Zentrum für Spiritual Care in dieser Herausforderung bewähren wird, lässt sich noch nicht beurteilen. Bislang sind nur zwei der Pflege-Apartments bewohnt. In einem sind Silke Löhr und ihr mehrfach behinderter Sohn Lukas für ein paar Wochen untergebracht. Hier in Bad Saarow kümmern sich Pflegerinnen und Mitglieder der Gemeinschaft immer wieder um ihn, sodass die Mutter mehr Zeit hat – für sich, aber auch für ihren Sohn.
Silke Löhr: "Das habe ich hier gelernt dieses 'im Moment zu sein' und einfach genießen zu können, Lukas auf dem Arm zu haben, ihm was zu essen zu reichen, etwas zu trinken zu reichen, den Sonnenuntergang anzugucken, und das sind so kleine Momente, die im Alltag einfach untergehen, weil einfach die Routine so läuft, und das wird sehr unterstützt hier, wirklich diese Momente zu leben, und man macht das auch gemeinsam, man ist da nicht irgendwie isoliert, sondern jeder ist irgendwie dabei oder wie es gerade passt, und die Dinge entstehen immer wieder ganz neu. Ja, das klingt vielleicht kitschig, aber ich schwinge so mit in dieser Gemeinschaft, und das macht mir ganz viel Freude."

Wer bezahlt das eigentlich?

Bleibt die Frage, wer das Ganze eigentlich bezahlt. Den Großteil des rund neun Millionen Euro teuren Gebäudes haben wohlhabende Spender aufgebracht, die das Projekt unterstützen. Die laufenden Kosten sollen über die Erstattungen der Kranken- und Pflegekassen abgedeckt werden – und über die Miete der Bewohner. Aber auch wer die reguläre Miete nicht zahlen kann, soll nicht ausgeschlossen werden: es gibt auch subventionierte Zimmer. Denn eines will Sukhavati nicht sein: ein elitäres Projekt für die, die es sich leisten können.
Almut Göppert: "Also ich finde nicht, dass das elitär ist. Ich habe ja auch mein Beruf aufgegeben, weil ich fand, dass das Spirituelle mir wichtiger war. Dementsprechend verdiene ich viel weniger Geld, aber das ist mir nicht wichtig. Mir ist es wichtig, mich innerlich weiter zu entwickeln, und mir ist vor allem wichtig, zu wissen, was ich mache, wenn ich sterbe, und dafür habe ich mich auf den Weg gemacht."
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