Jüdischer Feiertag "Sukkot"

Feststräuße schütteln beim Laubhüttenfest

08:43 Minuten
Einkäufe für das jüdische Laubhüttenfest. Ein junger Mann prüft grüne Zweige.
In Vorbereitung auf das jüdische Laubhüttenfest muss vieles bedacht werden. © picture alliance / Xinhua News Agency / Gil Cohen Magen
Von Elin Hinrichsen |
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Zum Feiertag "Sukkot" sollen Jüdinnen und Juden für eine Woche in eine provisorische Laubhütte ohne festes Dach umziehen, mit Blick auf Himmel und Sterne. Außerdem sollen sie Feststräuße schütteln, ein Gebot mit weltumfassendem Hintergrund.
Einen "Lulav" zu schneiden, ist hierzulande fast unmöglich. Der Feststrauß zu "Sukkot" besteht aus vier Pflanzen, die im Nahen Osten heimisch sind und die bereits zu biblischen Zeiten in Israel wuchsen.
"Die erste der vier Arten ist aus einem Palmenzweig, der Spitze, also einem Palmblatt, was noch nicht aufgegangen ist, das noch ganz geschlossen ist", sagt Rabbinerin Ulrike Offenberg aus Hameln. "Es sieht fast aus wie ein Schwert.“ Art Nummer eins ist also ein langer Dattel-Palmenzweig. Dann Myrtenzweige und Weidenzweige von Bachweiden.“

Die vier Arten des Laubhüttenfestes

Dazu ganz wichtig die „Frucht des Prachtbaumes“, so steht es in der Tora, eine spezielle, dickschalige Zitrusart. Warum es gerade diese vier Arten sein sollen, wisse man nicht, erzählt Offenberg. Die jüdischen Gelehrten hätten sich im Laufe der Jahrtausende entsprechend viele Gedanken zu ihrer Bedeutung gemacht.
Beispiel eins: Sie werden gedeutet als Symbol für Wasser, denn zu Sukkot wird das Land gerichtet in Bezug auf Wasser." Dabei ist „gerichtet“ ein biblischer Ausdruck und soll heißen, es entscheidet sich in dieser Zeit, wie viel Regen in der kommenden Regenzeit fallen wird.

Jüdischer Regentanz

Anders als bei uns spielen im Nahen Osten Frühling und Herbst kaum eine Rolle, klimatisch bedeutender sind die Trockenzeit im Sommer und die Regenzeit im Winter. "Das heißt, jetzt im Oktober werden die Regenfälle dort beginnen und wenn es in den folgenden Monaten nicht ausreichend regnet – oder falls es soviel regnet, dass es die Erde und den Boden zerstört, dann kann man sich ausrechnen, dass es im nächsten Jahr Hunger sein wird.“
Da hilft die Bitte um Regen im richtigen Maß – im Judentum ist es das Schütteln des Straußes der vier Arten. Das tun Juden und Jüdinnen zu "Sukkot" in alle vier Himmelsrichtungen. Durch das Schütteln versuchen wir, alle zu verbinden“, sagt Rabbiner Benzion Kaplan von der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Düsseldorf.
Vier Arten also, die viel Wasser brauchen. Vielleicht ist das Schütteln des Straußes eine Art jüdischer Regentanz.

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Ein jüdisches Puppentheater aus Berlin hat jedenfalls einen eigenen Song darüber geschrieben und ein animiertes Schüttelvideo gedreht. In der Tora steht: Fröhlich sollen sie sein, die Juden, die Jüdinnen. Zusammen essen, zusammen trinken, zusammen tanzen ... und überhaupt, die Gemeinschaft zu "Sukkot": Durch die Blume gesagt, steckt auch sie im Lulav, im Strauß der vier Arten. Welche waren das nochmal?

Ein Palmzweig, lang, grün, ungeöffnet; drei Zweige der Myrte, zwei Zweige der Bachweide und die Frucht des Prachtbaumes. Interpretiert und repräsentiert durch: Citrus medica cedra.

Herz in der Hand

Auf Hebräisch: "Etrog". Auf Deutsch: "Zitronatzitrone". Der optimale "Etrog" für den Lulav ist gelb-grün und hat eine dicke, glatte und möglichst faltenfreie Schale. Oval bis elliptisch geformt soll er sein, mit einem Blütenansatz daran und so groß, dass er möglichst die ganze Hand ausfüllt. In einer zweiten Deutung der vier Arten schauen die Rabbiner auf die Form der Pflanzen. Die Zitronatzitrone steht dann für das Herz eines Menschen.
Der Mensch möge gut sein und ein offenes Herz haben. Der Palmzweig der Dattelpalme steht für das aufrechte Gehen, ein gutes Rückgrat. Es sei biegsam, aber nicht zu brechen.
Die Blätter der Bachweide stehen für die Worte der Menschen, denn ihre Form erinnert an einen Mund. Soll heißen, Juden und Jüdinnen sollen koscher essen und sie sollen koscher sprechen. Sie sollen abwägen, welche Worte sie aus ihrem Mund kommen lassen.

Gutes sehen

Fehlen noch die Blätter der Myrte, eine Pflanze, die ihrer Heilkraft wegen in vielen Kulturen mystisch aufgeladen ist und im Judentum einst als Grabbeigabe beliebt war. Sie steht insgesamt im Judentum für Frieden und ihre Blätter erinnern der Form nach an ein Auge.
Das soll heißen: Der Mensch möge in den Dingen stets das Gute sehen und in seinem Gegenüber. So lautet die zweite Deutung des Straußes der vier Arten. Sie werden auf Hebräisch "Arba Minim" genannt und sollen zu Sukkot koscherer Herkunft sein. In der dritten, sehr geläufigen Deutung geht es um den Duft und Geschmack der unterschiedlichen Arten und wieder hat der "Etrog" eine besondere Stellung. Also: Citrus medica cedra.

Sinnliches Empfinden

Die "Zitronatzitrone": Auch sie wird hierzulande nicht angebaut, auch sie braucht ein heißes, trockenes Klima – aber sie wird hierzulande gegessen. Als Zitronat: Klein gewürfelt, gezuckert und getrocknet. Zitronat ist eine beliebte Zutat in der herkömmlichen Weihnachtsbäckerei. Das Gewürz hat einen himmlischen Duft und einen süßen Geschmack, im Unterschied zu den anderen drei Arten.
Dazu Rabbinerin Offenberg: Eine Myrthe hat nur guten Duft, aber keinen Geschmack, sie steht für jemanden, der gut ist im Tora-Studium, aber keine guten Werke hat. Umgekehrt ist es mit der Dattelpalme, die hat Geschmack, aber keinen guten Duft. Sie steht für jemanden, der gute Taten tut, aber nicht sehr gelehrt ist. Und die Bachweide hat weder Geschmack noch Duft - also das sind Menschen, die weder gelehrt sind noch gute Taten tun.“

Richtig ist nur der "Etrog"

Der "Etrog" hat eben beides. Er duftet und er schmeckt. Er symbolisiert damit den perfekten Menschen, der Zeit in sein Tora-Studium investiert und nach Gottes Geboten lebt. Besser geht es in keiner der drei Deutungen und deshalb hat der "Etrog" auch beim Schütteln zu Sukkot eine Sonderstellung.
Zitron oder Etrog symbolisiert einen Zaddik, einen Gerechten", sagt Rabbiner Kaplan. "Wir nehmen das in die rechte Hand und versuchen das mit denen, die noch nicht alles das richtig machen, zu verbinden, damit sie lernen von Etrog, wie das richtig zu machen ist.“

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"Etrog" in die rechte, die anderen Arten in die linke Hand, beide Hände zusammenführen und ab die Post! So wie ein Barkeeper einen guten Drink mixt. Nicht zu doll, nicht zu wenig, und immer stetig auf und ab. Dazu Kaplan: „Von einer Seite wir nehmen Bitachon, also die Sicherheit von Gott, wir versuchen mit vollem Herzen auf Gott zu vertrauen, auf der anderen Seite wir versuchen, das weiter an die Menschen zu geben und die Menschen zu unterstützen und zusammen zu verbinden.“

In die Welt schütteln

Der Mensch steht zwischen Himmel und Erde; also: Schütteln nach unten und nach oben. Weil diese vier Arten in einem Bündel so zusammengehalten werden, symbolisiert es auch die Einheit des jüdischen Volkes", sagt Kaplan. "Wir sollen nicht denken, dass wir nur aus klugen Menschen oder auch nur aus Wohltätern bestehen, sondern die gesamte Mischung gibt ein Bild vom jüdischen Volk.“
Der Mensch bewohnt die ganze Welt. Also, schütteln nach Osten, nach Süden, nach Westen, nach Norden.

Nur gemeinsam vollständig

Natürlich kann man es auch interpretieren auf die gesamte Menschheit", sagt Kaplan. "Es ist ein Symbol für Diversität, für eine diverse Gesellschaft, und dass eine Gesellschaft all diese Unterschiede auch zusammenhalten soll und muss.“
Drei Sorten Zweige und eine Frucht als reales Abbild der menschlichen Gesellschaft. Als Abbild eines Menschen mit gutem Herzen, aufrechten Gang, koscheren Worten und freundlichem Blick. Und der Lulav als Bitte um die richtige Niederschlagsmenge.

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