Politsongs aus dem Eis
In Kopenhagen gründeten Anfang der 70er-Jahre vier grönländische Studenten die Band Sumé, die erste Band, die auf Grönländisch sang. Ihre Songs handelten von Identität und Aufbruch und wurden zum Soundtrack einer ganzen Generation, wie der Film "Sumé – der Klang einer Revolution" zeigt.
"Es sollte ein Konzert geben, ein paar Grönländer nahmen mich dorthin mit. Ich wusste nicht, wer auftreten sollte. Als sie zu spielen begannen, war ich geschockt. Sie sangen auf Grönländisch."
Ein Fan über ihr erstes Konzerterlebnis mit der grönländischen Band Sumé, deren Debutalbum 1973 erscheint. Das gezeichnete Cover ist denkbar brutal: Ein Inuit steht über einem erlegten Wikinger.
Genauso brutal ist die Wirkung der politischen Songs auf die grönländische Bevölkerung. In der Hauptstadt Nuuk und anderswo gab es zwar eine veritable Musikszene, die sich aber weitgehend auf harmlose Coversongs beschränkte. Keine Band hatte es je gewagt, auf Grönländisch zu singen – und schon gar nicht solche Texte:
"Sie sind hier, um reich zu werden und uns zu unterdrücken. Grönland, das Land der Menschen, du kannst deine Kinder nicht mehr vor Unheil schützen."
Revolutionäre Botschaften für Grönlands Hütten
Regisseur Inuk Silis Hoegh: "Sie müssen verstehen, dass die Grönländer damals ein sehr unterwürfiges Verhältnis nicht nur zum dänischen Staat pflegten, sondern auch zu den Dänen im Land. Die hatten die guten Jobs und die Macht. Und die Texte von Sumé haben das alles hinterfragt. In jedem Haus wurde ihre Musik gehört. Teile der jungen politischen Elite waren vielleicht schon revolutionär eingestellt. Aber es war Sumés Musik, die die Botschaft in die Hütten brachte."
Regisseur Inuk Silis Hoegh wurde 1972, ein Jahr vor Sumés Debut, geboren. Die Band veröffentlichte nur drei Alben in drei Jahren, alle sind ironischerweise in ihrer Studienzeit in Dänemark entstanden.
Der Star der Band war eindeutig Sänger und Texter Malik Hoegh. Nicht nur, dass er umwerfend aussah mit seinen langen Haaren, den sanften Zügen und dem traurigen ernsten Blick. Sein Charisma war fast schon unheimlich. Er besaß die Fähigkeit, die drängenden politischen Fragen über Abhängigkeit und Identitätssuche in betörend poetische Texte zu kleiden.
"Es gab in ihren Songs Wörter, die ich nicht verstand. Aber obwohl ich nicht jede Botschaft ihrer Songs verstand, war ich trotzdem tief berührt von ihnen. Als würde sich die Botschaft direkt an mich richten. Als würde sie mir sagen, wie ich meine Zukunft gestalten sollte."
Soundtrack einer Generation
Regisseur Inuk Silis Hoegh: "Für eine ganze Generation war das die Musik unserer Jugend. Es gibt ein Riff von ihnen, das jeder Anfänger an der Gitarre unbedingt spielen will, weil es so einfach und eingängig ist. Sumé wird nun seit 35 Jahren im Radio gespielt, es ist die Band der Nation. Und als Produzent Emile mich gefragt hat, ob ich nicht diesen Film mit ihm machen wolle, habe ich sofort zugesagt, denn das ist eine sehr starke Geschichte. Und warum singen junge Menschen immer noch Sumés Texte? Sind wir denn gar nicht weitergekommen?"
Es war sehr schwierig für das Team, Archivmaterial zu finden. Kaum jemand in Grönland konnte sich Anfang der 70er-Jahre eine Filmkamera leisten. Aber dann half ihnen ein Glücksfall. Der Großvater von Produzent und Co-Regisseur Emile Péronard war der erste grönländische Minister in einem dänischen Kabinett. Auf seinen Reisen durch Grönland führte er immer eine Super 8-Kamera mit sich.
Hoegh: "Wir schauten uns das an und konnten es nicht fassen. Die Menschen lächelten in die Kamera, alles wirkt sehr intim. Es gab keinen Ton, aber es war eine echte Entdeckung. Denn alles, was wir in den dänischen Archiven finden konnten, war von ausländischen Teams gedreht worden, die nur für kurze Zeit vor Ort waren. Aber auf diesem Super 8-Material, das wir nun von Privatpersonen sammelten, haben die Menschen ganz ohne Filter agiert. Sie haben der Kamera vertraut. Und so bekommt man diesen ganz intimen Blick auf die 70er in Grönland."
Sumé standen sogar kurz vor einer internationalen Karriere. Die britische Band Procol Harum wollte sie mit auf Tour nehmen. Doch Gitarrist Per Berthelsen, der mit Sänger Malik Hoegh für die Songs verantwortlich war, wollte unbedingt sein Studium abschließen.
Immerhin tourte die Band einmal um Grönland herum, ein logistischer Albtraum. Dann löste sie sich auf. Ihr Einfluss auf die heimische Musikszene bleibt jedoch riesig, wie Regisseur Inuk Silis Hoegh betont.
"Heute gibt es eine große stilistische Bandbreite und alle singen in Grönländisch. Das ist jetzt die Norm, in der Heimatsprache zu singen, auch wenn ein paar Bands Englisch bevorzugen. Jeder kann sich ausdrücken, wie er will. Es gibt politische Themen, aber alles ist offen."