Buckingham Palace schaltet Presserat ein
Es ist das erste Mal in der britischen Geschichte, dass der Buckingham Palace den britischen Presserat eingeschaltet hat. Die Queen ist empört über eine Schlagzeile der "Sun". Das Blatt hatte behauptet, sie würde den Brexit wollen.
"Queen Backs Brexit" – in riesigen Lettern titelte die "Sun" gestern: Die Queen unterstützt den Brexit. Daneben ein großes Foto von Königin Elizabeth mit Krone und blauer Schärpe. Im Blatt berichtet die "Sun" von einem Dinner auf Schloss Windsor von Anfang April 2011. Dort habe die Queen vor einem kleinen Kreis mit ranghohen Ministern der Regierung leidenschaftlich und ausführlich gerügt, dass die EU sich in die falsche Richtung entwickle. Zeuge des Zornausbruchs der Queen sei der damalige Vize-Premier Nick Clegg.
"Es ist haarsträubend", dementiert der Liberaldemokrat und EU-Befürworter Nick Clegg sofort, "wie die Leute, die uns aus der EU treiben wollen, die Queen jetzt in den Streit um das Referendum hineinziehen wollen. Diese Story in der 'Sun' ist Unsinn. Sie ist nicht wahr, klarer kann ich es nicht sagen."
Verärgert ist nicht nur Nick Clegg, sondern auch die Queen höchst selbst. Der Buckingham Palast ruft den britischen Presserat auf, die Berichterstattung der "Sun" zu überprüfen. Das Boulevard-Blatt verstoße gegen den Pressekodex des Landes. Eine Premiere: Noch nie hat die Queen das Gremium angerufen, das nach dem Skandal um das einstige Massenblatt "News of the World" ins Leben gerufen wurde. Beide Blätter gehören zum Medienimperium des Australiers Rupert Murdoch, die "News of the World" wurde nach dem Abhörskandal eingestellt.
"Sun": "Die EU ist übergeschnappt!"
"Absolut nein, wir haben nicht gegen den Kodex verstoßen", verteidigt dagegen der zuständige Redakteur der "Sun", Tony Gallagher, die Berichterstattung seiner Zeitung. "Zwei Quellen kamen zu uns mit Informationen über die Ansichten der Queen. Wir dienen unseren Lesern und nicht einer Elite, die sich jetzt über uns aufregt."
Paragraph 1 des Pressekodex verlangt von den Medien, akkurat und nicht irreführend und verzerrend zu berichten. Schlagzeilen müssen vom Text des Berichts auch gedeckt sein. Die "Sun" zitiert aber nur, dass die Queen der EU vorwerfe, sich in die falsche Richtung zu entwickeln. Von einem Austritt aus der EU ist nicht die Rede. Außerdem war 2011 ein Referendum noch gar nicht in Sicht, das Wort Brexit noch nicht erfunden.
"Wir sind völlig überzeugt, dass unsere Schlagzeile genau die Ansicht der Queen wiedergibt. Wir wissen viel mehr, als wir berichtet haben. Wir haben keinen Zweifel, dass unsere Story stimmt."
Die "Sun" agitiert seit Monaten vehement für einen Austritt aus der EU. Eine Schlagzeile lautete, 90 Prozent der Briten seien für den Brexit – gemeint waren aber nur 90 Prozent der Leser der "Sun", die an einer Online-Umfrage des Blattes teilgenommen hatten. Ein anderes Mal titelte die Zeitung: Ofenhandschuhe werden teurer, die EU ist übergeschnappt! Hintergrund der Story: Die EU-Kommission fordert Sicherheitstests für Ofenhandschuhe. Und die, schlussfolgert die "Sun", machen Ofenhandschuhe für britische Verbraucher natürlich teurer.