US-Football als Spielball der Politik
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Die Kandidaten im US-Präsidentschaftswahlkampf setzen auf den Effekt von Wahlkampfspots. Nun kommen sie erstmals während des Super Bowls in Miami für Millionensummen zum Einsatz. Kerstin Zilm über die Politisierung des US-Footballs.
Sport war schon immer politisch. Je größer das Ereignis, desto größer auch die Bühne, um Botschaften unters Volk zu bringen. Olympia, Weltmeisterschaften, Super Bowl. Sonntagnacht ist das Finale der US-Footballmeisterschaft. Diesmal stehen sich in Miami die San Francisco 49ers und die Kansas City Chiefs gegenüber. Der Milliardär Michael Bloomberg, der sich gute Chancen ausrechnet, im Herbst bei den Präsidentenwahlen gegen Donald Trump anzutreten, hat eine Minute Sendezeit der Footballübertragung gekauft – genauso wie der amtierende Präsident. Weltweit könnten beide ein Milliardenpublikum mit ihren Wahlspot erreichen. Kerstin Zilm beobachtet die US-Sportszene von Los Angeles aus. Weiß man schon genau, was für einen Spot Bloomberg einsetzen wird?
Kerstin Zilm: Also ganz genau weiß man das nicht, aber man kann davon ausgehen, Michael Bloomberg, der hat jetzt in letzter Zeit sehr viele Anzeigen hier im Fernsehen geschaltet. Im Gegensatz zu anderen Demokraten, die sich jetzt gerade noch hier um die Kandidatur bewerben, ist Michael Bloomberg der, der eigentlich am direktesten diese Angriffe startet, der vom Chaos redet, das Trump veranstaltet in Washington, von Versprechen, die er nicht gehalten hat, von einer Linie, die nicht vorhanden sei in Sachen Gesundheitspolitik, und das ganz frontal angeht im Gegensatz zu den anderen Kandidaten, die doch mehr versuchen, einfach das herauszustellen, was sie an Positivem rausbringen wollen. Was Trump in der Anzeige sagen wird, davon hat niemand eine Ahnung.
100 Millionen Zuschauer
Thomas Jaedicke: Da wird eine ganze Menge Geld reingesteckt. Die Werbeminuten im Fernsehen sind teuer: Elf Millionen für eine Minute Sendezeit mit Werbung, das ist das, was Michael Bloomberg zahlt. Das ist alles aus seiner eigenen Tasche. Ist es das wert am Ende, so viel Geld einzusetzen?
Zilm: Das ist schon eine Menge Geld. Auch Donald Trump muss das zahlen. Er zahlt es wohl aus seiner Wahlkampfkasse. Es ist schwer zu sagen, ob solche Werbespots dann tatsächlich einen Einfluss haben, aber 100 Millionen Zuschauer werden wahrscheinlich das Spiel angucken und danach auch die Werbung. Michael Bloomberg, das Vermögen von ihm wird auf 60,2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Also da sind dann elf Millionen, auch nicht so viel, also da kann er schon mit umgehen. Er hat sowieso gesagt, er will insgesamt 300 bis 400 Millionen US-Dollar in diesem Wahlkampf ausgeben. Bisher hat er 170 Millionen schon ausgegeben. Bei den Umfragen liegt er bei fünf bis sechs Prozent Wählerstimmen, also weit weg von der Führungsposition. Aber, das sagt auch Politikwissenschaftler Ken Goldstein von der Universität San Francisco, ein Effekt beim Super Bowl, der kann über die Vorwahlen hinaus auch wichtig sein.
Jaedicke: Ist es eigentlich neu, dass Wahlkampfspots während des Super Bowls gezeigt werden?
Zilm: Ja, das ist neu. Hilary Clinton und Donald Trump, die hatten 2016 kurz vor der Wahl im siebten Spiel bei den World Series, also beim Baseball, Spots geschaltet. Aber es gab keine Wahlkampfspots im Super Bowl. Was es seit 2004 gibt, das sind Interviews mit Präsidenten vor dem Spiel – das erste war mit George W. Bush –, und meistens waren die eher Geplänkel über Sport allgemein, über Teams aus dem Bundesstaat, aus dem die Präsidenten kommen. Das änderte sich 2014, als Fox-Moderator Bill O’Reilly Präsident Obama kaum hat ausreden lassen und richtig so zur Sache ging und ihn angegriffen hat in Sachen Krankenversicherung, tödliche Attacken auf Einrichtungen in Libyen. Also da ging es zur Sache seither, und seither ist es auch politisch geworden.
Die Clinton Äffäre
Jaedicke: Haben denn möglicherweise diese Interviews am Super-Bowl-Tag sogar noch einen größeren Einfluss auf den Wahlkampf als die Spots?
Zilm: Auch das ist schwer zu messen, aber man weiß, dass zumindest ein Interview, was nach einem Super Bowl geführt wurde, einen sehr großen Einfluss hatte auf einen Wahlkampf, und das war 1992. Da trat Bill Clinton an gegen den Bush-Vater, und er war gerade sehr in der Bredouille, weil eine ehemalige Fernsehreporterin gerade gesagt hatte, dass sie zwölf Jahre lang eine Affäre mit Bill Clinton gehabt hatte.
Dieses Interview in der Nachrichtensendung nach dem Super Bowl, das haben 50 Millionen angeguckt, und da saßen die beiden Clintons händchenhaltend aneinandergerückt, ganz dicht auf dem Sofa, und Hillary Clinton hat ganz vehement ihren Mann verteidigt.
Zilm: Diese Verteidigung von Bill Clinton durch Hillary, das sagen viele, das habe Bill Clinton in diesem Wahlkampf gerettet und überhaupt möglich gemacht, dass er ins Weiße Haus gekommen ist. Für Hillary selber wurde das allerdings eher zum Verhängnis. Bill Clinton wurde dann nachgewiesen, er hatte eine Affäre mit der Frau, wenn auch nicht so lange, und Hillary bekam dieses Image, dass sie alles tut, um an der Macht zu bleiben oder um an die Macht zu kommen. Das soll ihr bis zu ihrem eigenen Wahlkampf dann geschadet haben.
Sport und Politik lassen sich nicht trennen
Jaedicke: Kann man also rund um die Aktivitäten am Super-Bowl-Tag die merkwürdige These, dass der Sport grundsätzlich unpolitisch sei, überzeugend widerlegen?
Zilm: Super Bowl ist nicht mehr unpolitisch. Ich weiß nicht, ob er das jemals gewesen ist. Er wurde immer von Politikern dann doch auch ausgenutzt, und seit Colin Kaepernick gekniet hat während der Nationalhymne, um gegen Polizeibrutalität zu protestieren, ist es noch mal politischer geworden. Präsident Donald Trump hat es sehr politisch gemacht, indem er manche Spieler hervorhebt als vorbildhaft, wenn die genau das tun, was er sich vorstellt, was man tun sollte, und die anderen niedermacht, die das nicht tun.
Vizepräsident Mike Pence hat gerade jetzt vor dem Spiel – das sind die San-Francisco-49ers-Spiele, das ehemalige Team von Colin Kaepernick, Nancy Pelosi vertritt San Francisco im Kongress –, hat er gesagt, das sind die Nancy-Pelosi-49ers und hat das so abwertend gesagt. Also es ist einfach nicht mehr möglich inzwischen, den Sport, auch den Super Bowl von Politik zu trennen, auch wenn das die meisten Fans wahrscheinlich immer noch wollen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.