Supergeschäft mit Megayachten

Von Claudia Thoma |
Seit den 90er Jahren boomt das Geschäft mit den Superyachten. Gebaut und verhandelt wird unter größter Geheimhaltung. Spezielle Verträge sichern die Verschwiegenheit. Schleswig-holsteinische Werften haben sich auf den Bau von Luxusyachten spezialisiert. Nicht nur die weltweit größte Privatyacht wurde in Kiel gebaut - die amerikanischen, arabischen oder russischen Kunden schätzen das Know how der Norddeutschen. Für Schleswig-Holstein ist das Geschäft mit den Megayachten ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor.
Allan Paul, der amerikanische Milliardär und Mitbegründer von Microsoft – er ist nur einer der prominenten Eigner. Seine private Luxus-Yacht hat Paul in Kiel bei der Hohwalds-Deutsche Werft AG – kurz HDW - bauen lassen. Ausgerüstet mit zwei Hubschraubern und einem U-Boot hat er sich das private Projekt gut 200 Millionen Euro kosten lassen.

Normalerweise allerdings dringt kaum an die Öffentlichkeit wer Auftraggeber einer Megayacht ist. Trotz der Wochen vorher gegebenen Zusicherung war der amerikanische Eigner einer Großyacht bis heute nicht vors Mikrofon zu kriegen. Er ist abgetaucht. Bestenfalls eine schwarze Limousine steht mal auf dem Gelände. Hans-Eric Henze von der Kieler Werft HDW ist vorsichtig mit Informationen.

"Dazu kann ich leider nichts sagen", das ist ein häufiger gehörter Satz von ihm.

"Dann wird man schon mal während der Bauphase den Eigner hier sehen, da kommt er mal incognito herein geflogen, aber wer erkennt ihn schon. Die wohlhabenden Menschen der Welt, wissen wir gar nicht, wie die aussehen."

Und trotzdem findet jede Yacht ihren richtigen Eigner.

"In der Regel ist es so, dass Yachten abgeliefert werden und selbst der Eigner noch nicht an Bord ist. Sie werden irgendwo hin geliefert, und dort steigt der Eigner an Bord. Und auch hier im Hause weiß man generell nicht, wer der Besitzer ist. Es gibt natürlich einige, die vermuten dann was."

Aber sobald er Wind davon bekommt, dass die Spekulationen in die richtige Richtung gehen, dann versucht er unauffällig gegenzusteuern.
Diskretion ist die Basis des verschwiegenen Geschäfts. Wer sie nicht wahren kann, ist raus aus dem Yacht-Baugeschäft. Horst Hoheisel, Leiter der Reparatur- Umbauabteilung der Nobiskrug Werft in Rendsburg.

"Aber es steht und fällt auch mit den Unterlieferanten. Wenn man die falschen Unterlieferanten auswählt, kriegt man a) manchmal keinen Auftrag, weil sie vielleicht zu teuer sind oder b) weil der Eigner die nicht anerkennt. In der Regel versucht man auf die zurückzugreifen, bei denen man weiß, dass sie gute Qualität liefern und ihr Geld wert sind."

Inzwischen leben von der guten Auftragslage im Mega-Yachtbau auch viele Handwerkerfirmen, nicht nur im Norden, sondern bundesweit. Traditionelle Gewerke sind hier beschäftigt, wie Tischler, Maler, Schweißer - viele Spezialisten. Sie reisen auch aus Süddeutschland an, denn sie haben sich spezialisiert, auf den Innenausbau oder die Elektronik beispielsweise.

"Für die Einrichtung ist es schon so, dass die Firmen entweder aus dem oldenburgischen Bereich oder weiter südlich kommen, Würzburg, die Edelstahlbereiche, die werden von Firmen aus Norddeutschland gemacht und es gibt andere Bereich wie Antriebssysteme, Hydrauliksysteme, die wir auch aus unseren Bereichen updaten können."

Die internationalen Käufer schätzen die termingerechte, zuverlässige und handwerklich hochwertige Arbeit der norddeutschen Werften. Was hier entsteht, das ist ein Premiumprodukt, das nicht überall hergestellt werden kann, sagt Christian Schäfer Manager der Nobiskrug Werft. In der neuen Schiffshalle wird an dem kahlen, stumpfen Rumpf einer Mega-Yacht geschweißt. Der Lärm ist ohrenbetäubend.

"Ein einfaches Produkt, was überall gebaut werden kann, können wir in Deutschland nicht kostendeckend bauen, das funktioniert nicht. Was wir hier im Land behalten können, das sind anspruchsvolle Arbeiten, wo Know how dahinter steckt, und das ist nicht nur Know how im Engeneeringbereich, sondern auch im handwerklichen Bereich."

Die exklusive Marktnische ist zum wichtigen wirtschaftlichen Faktor im Land geworden. Wenn es um den Yachtbau geht, dann kommt man um Norddeutschland nicht herum. Drei neue Superyachten liegen in Nobiskrug gerade auf Stapel, eine wird umgebaut. In der nagelneuen Schiffshalle kann wind- und wetterunabhängig gearbeitet werden - zu hohen Preisen, aber die Eigner …

"die drehen auch jeden Euro dreimal um, bevor sie den ausgeben. Letzten Endes aber ist die Qualität doch immer vorrangig. Wenn es um Sicherheit geht oder um Sachen, auf die der Eigner großen Wert legt, um das Äußere, oder wenn es um die Sportboote geht, dann wird doch viel Geld ausgegeben."

Und solange das Geld fließt, sind auch die Arbeitsplätze sicher. Ähnlich wie die Yachten selbst, üben auch die eine Faszination aus.

"Wenn jemand auf einer Yacht arbeitet, dann gehört er den Auserwählten, die so was dürfen, und zu den Leuten, denen man das qualitativ zutraut, solch eine Arbeit durchzuführen. Und das ist schon eine Art Elite. Man kann das nicht an jede Firma vergeben, weil man muss wissen, worauf es ankommt, man muss immer sehen, dass man alle Arbeiten in allergrößter Qualität durchführt, das ist das A und O."

Vier schleswig-holsteinische Werften haben sich mittlerweile auf den Bau von Großyachten spezialisiert. Und groß, das heißt in dem Fall: über 100 Meter. Hans-Eric Henze.

"Wir können noch viel größer bauen, wir könnten über 300 Meter bauen, aber ich sehe im Moment die Tendenz, dass es vielleicht Richtung 200 Meter geht, für die größten Yachten. 180 Meter sind schon diskutiert im Markt, da hört man schon hier und da Anfragen. Aber im Moment ist 140/150 Meter doch schon so das Maximum."

Mehrere Sicherheitsstufen und Zäune müssen überwunden werden, um zum begehrten Objekt vorzudringen, samt Berechtigungsausweis versteht sich. Und Kameras sind ohnehin tabu.
Im Design geht der Trend hin zu großen Außenflächen und zu Innenräumen mit Panoramablick.
Teuerste Edelhölzer bestimmen das Interieur der Privatgemächer.

"Wenn da Holz verarbeitet wird, dann sind es die teuersten Edelhölzer, das teuerste Teakdeck, und im Innenbereich, viele Yachteigner, die mögen gerne diese dunklen Hölzer, Ebenholz oder Kirschholz, weil das eben das wertvollste ist."

Die Auftragslage ist gut. Das gilt auch für alle vier großen Werften in SH, sagt Hans-Eri. Henze von HDW.

"Alle haben sich darauf konzentriert, große Yachten zu bauen und damit ein Marktsegment zu bedienen, das auch von den doch starken Werften aus dem Osten im Moment nicht bedient wird. Fernostwerften in China oder Korea haben sich da noch nicht ran getraut, weil es auch ein sehr spezielles Know how ist und wir sehen da durchaus Vorteile für die Werften hier in SH und generell in Norddeutschland."

Immerhin, die großen Yachten der Welt wurden im Norden Deutschlands gebaut. Weil der frühere Konkurrent, England, nicht mehr im Spiel ist, sitzen die Werften in dem Marktsegment gut im Sattel. Außerdem hat der Norden durch die reiche Erfahrung im Marineschiffbau einiges zu bieten.
Die amerikanischen, arabischen und asiatischen Käufer legen großen Wert auf Geräuschdämmung und vibrationsarme Maschinen.

"Und das ist natürlich ein Know how, das wir aus dem Marinebereich hinüber transferieren können, und da sehen wir und erkennen wir große Vorteile."

Und auch Helikopterlandedecks werden zunehmend nachgefragt. Die Bootsbauer nutzen die Erfahrung mit den Landedecks der Fregatten und Korvetten.

"Und diese Yachten bieten ja gerade in Zeiten der Terrorbedrohung für viele doch eine Möglichkeit, vollkommen unerkannt auch Urlaub zu machen und Geschäfte zu tätigen."

Ab einer Größe von 60 Metern ist ein Helikopterlandeplatz auf einer Yacht inzwischen Standard.

"Nach nine eleven wird es noch verstärkter gemacht. Treffen berühmter, wohlhabender Personen finden immer häufiger an Bord dieser großen Yachten statt."

Jede Yacht ist eine Ansammlung von Spezialwünschen. Sonderlösungen müssen gefunden werden, aufwendige Klappeinrichtungen zum Beispiel innovative Schaltsysteme, Öffnungsmechanismen, Überwachungskameras, Garagen für die "Spielzeuge" sprich: Jetskis oder Segelboote.

Etwa 500 Großyachten existieren zurzeit weltweit. 250 davon wurden in den vergangenen zehn Jahren gebaut. Über Geld wird in diesem Sektor nicht gesprochen; Yachtkonstrukteur Bernd Klehn schätzt:

"Pro laufenden Meter Yacht, na so bis zu 1,5 Millionen Euro so in der Größenordnung liegt das dann, wenn ein Schiff 100 Meter lang ist, dann kann man sich das ausrechnen."

Zusammen mit einem Kollegen konstruiert der Schiffbauingenieur am Computer 3-dimentionale Yachtmodelle. So kann der künftige Eigner seine eventuelle Yacht schon vor dem ersten Handschlag sehen.
Seit zehn Jahren sind die beiden im Geschäft, seit der Gewinnaufschwung, vor allem in Amerika, zu immer stärkerem Interesse an Megayachten geführt hat. Partner Michael Defour.

"Das liegt sicher an der wirtschaftlichen Entwicklung in den 90er Jahren, dass es in diesem Börsenboom damals viele Leute gegeben hat, die zu sehr viel Geld gekommen sind und dass eben deshalb jetzt auch mehr Geld vorhanden ist, dass die Leute sich Yachten bauen lassen in der Größe."

Und auch Betriebe wie Tischlereien nutzen diese lukrative Marktnische. Die Schleigegend ist nicht nur beliebtes Segelrevier, sondern auch Mekka der Bootsbauer. Fiete Renkhoff, von der Werft Jansen & Renkhoff in Kappeln.

"Die Schleigegend, gerade was die Werften angeht, ist ne gewachsene Struktur, das ist hier nicht irgendwann mal hingesetzt worden, sondern das hat sich entwickelt."

Handwerkskunst und Managementfähigkeiten.

"Wir haben hier wahrscheinlich die größte Werftendichte Europas, in Kappeln und Umgebung, und gerade zurzeit die Neubautätigkeit sehr groß, was die Segelyachten angeht im Bereich zwischen 40 und 45 Fuß werden gerade drei Boote gebaut hier."

Und das ist was Besonderes, nicht jedes Jahr kommt ein neuer Yacht-Auftrag ins Haus. Seit zwei Jahren steigt die Nachfrage nach neuen Yachten sogar. Jede Werft setzt auf Qualität und auf Individualität.

"Unser Markenzeichen ist, wir bauen keine Serienboote, das sind alles Einzelstücke, wollen wir auch gar nicht anders..."

Entlang des Schleiufers, schließt sich eine Werft an die andere an. Von Kappeln über Arnis nach Maasholm und Damp. Oft liegen sie nur ein paar Schritte von einander entfernt. So viel Konkurrenz auf engsten Raum, da könnte man sich doch spinne Feind sein.
"Ja könnte man annehmen, stimmt, glücklicherweise ist das hier nicht so, weil sich doch jeder so ein kleines bisschen spezialisiert hat und ganz im Gegenteil, wir arbeiten sogar zusammen. Wenn mal ne Dose Lack fehlt oder ein Stück Sperrholz, dann wird der Kollege angerufen und natürlich hilft er. Und wenn man ausgelastet ist und ein Kunde braucht aber unbedingt Hilfe, dann wird der Kollege gefragt. Wir sind sogar soweit gegangen in der Region Kappeln, dass wir uns zusammengeschlossen haben zu einem Werbeverbund."

Zu dieser ausgewählten Zunft gehört der Tischler Mathias Mau. Vor zehn Jahren noch hat er exklusive Einzelmöbel gebaut. Jetzt hat er sich auf den Innenausbau von Yachten spezialisiert. In seiner Umgebung ist er der einzige.

"Wir mussten uns nur umgewöhnen auf runde Sachen. Früher hieß es immer bei Rundungen hört das Geldverdienen auf. Nun ist es so, dass wir uns maschinell so verstärkt und eingestellt haben, dass das überhaupt keine Rolle spielt, ob da ne Decke verrundet ist."

Weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus wird geliefert. Die Kundschaft schätzt die hochwertige Arbeit. Von Kappeln schallt der Ruf hinaus in die Wellt, schmunzelt er.

"Und es ist so, dass der Schall im Wasser schneller ist, als in der Luft. Der Ruf eilt uns tatsächlich voraus und ich glaube, dass wir hier wirklich behaupten können, dass hier sehr viel Erfahrung im Bootsbau vertreten ist und dass sich das auch rum spricht. Unsere Kundschaft kommt nicht aus SH, sondern ist bundesweit."

Einer, der sich bereits die zweite Yacht in Kappeln bauen lässt, ist Phillipp Lubinus, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Lubinus Clinikums in Kiel. Er schätzt die große Erfahrung der Bootsbauer rund um die Schlei.
Drei Jahre hat es gedauert, bis die Vorstellung von seiner Yacht ausgereift war.

"Eigentlich habe ich die beiden Schiffe, die ich davor hatte, gedanklich miteinander verknüpft und versucht, aus jedem Schiff das Beste in einen Neubau zu integrieren. Das war ein Lastenheft von 25 Seiten, inklusive diverser Vorstellungen, was Bauarten angeht, Materialien und die generelle Auslegung als schnelles Reiseschiff."

In Kappeln fand er den geeigneten Konstrukteur für sein Schiff, wurde fündig, bei Janssen & Renkhoff. Dort steht seine Wunschtraumyacht in strahlendem Sonnenschein vor der Halle, eine Weltneuheit. Superleichte Materialien wurden hier verarbeitet. Die Pinne besteht aus Kohlefaser, der Kiel ist schwengbar.

"Das ist sicherlich ne Vertrauenssache und den Werften geht durchaus ein Ruf voraus. Man guckt sich das an, was die schon gemacht haben und wie sie es gemacht haben."

Da freut sich der Yachterbauer. Und der Eigner?

"Das ist ein Aushängeschild der maritimen Industrie, gerade der Einzelbau."

Und im so genannten Refitbereich halten die norddeutschen Werften ebenfalls mit. Auch gebrauchte Yachten stehen hoch im Kurs. Die sind schneller verfügbar. Je nach Umbaumaßnahmen dauert ein Refit ein bis zwei Jahre. Horst Hoheisel.

"Es gibt wirklich Eigner, gerade in Osteuropa, sprich Russland, wo die sehr ungeduldig sind, da gibt es sogar Multimillionäre oder -milliardäre, die lassen gar nicht spachteln, weil sie die Zeit nicht abwarten können."

Für die Zukunft jedenfalls sieht man sich in Schleswig-Holstein im Neubau wie im Umbau gut gerüstet. Für nur Haareschneiden und Rasieren steuert jedenfalls kein Geschäftsmann den Norden an.