Ein queeres Power-Couple am Horizont
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In US-Comics gibt es erst seit einigen Jahren queere Figuren. Nun wurde bekannt: Supermans Sohn wird sich in wenigen Wochen als bisexuell outen. Vor zehn Jahren wäre das unmöglich gewesen, sagt Comic-Experte Stefan Mesch. Er äußert einen Verdacht.
In den "Sailormoon"-Comics, also der Vorlage zum Animé, gibt es zum Beispiel queere Paare, die das Geschlecht wechseln, Männer die im Kampf zu Kriegerinnen werden. "Sailormoon" war schon in den 90er-Jahren ganz vorne dabei. Die Animé-Adaption hat in der Übersetzung, in der Synchronisation aber einiges davon verschwinden lassen. Trotzdem bleibt aber dieser Manga für viele Zeichnerinnen und Zeichner ein Vorbild.
Die großen US-Comics haben erst in den vergangenen Jahren damit angefangen, queere Figuren und Geschichten für sich zu entdecken. Seit dieser Woche wissen wir: Supermans Sohn ist bisexuell, sagt Comicautor Tom Taylor. Das offizielle Outing kommt in vier Wochen in Heft 5 des DC-Comics "Superman: Son of Kal-El".
Der Journalist Stefan Mesch, Kenner von Superman und Batman, ist sich sicher: Vor zehn Jahren wäre das unmöglich gewesen. Damals habe es Queerness fast nur bei Rand- und Nebenfiguren gegeben – Leuten, die man nicht kennt. Heute heiße es: Wonder Woman ist bi. Catwoman ist bi. Batmans Robin, sein Adoptivsohn Tim Drake ist bi. Also: "Figuren, die ihr seit Jahren kennt, stehen nicht nur auf ein Geschlecht."
Und es gebe neue Figuren. Zum Beispiel einen schwulen schwarzen Aquaman oder eben jetzt: Supermans Sohn, Jonathan Kent. "Sie sind im Rampenlicht, sie haben erfolgreiche eigene Comic-Heftreihen, sie sind glücklich und queer." Und: Immer öfter sind sie auch von queeren Menschen erdacht und geschrieben.
Dennoch gelte noch immer: US-Helden- und Heldinnen-Comics seien zu konservativ. "Es gibt viel zu wenige Frauen oder nichtbinäre Leute, die da zeichnen, schreiben, erzählen. Es gibt viel zu wenige Künstlerinnen, Künstler und Figuren of Color."
"Eine große Liebesgeschichte"
Auf dem Weg ins Kino büßen die Comics aber meist an Diversität ein. "Große Kinofilme rentieren sich zunehmend nur noch, wenn sie weltweit erfolgreich sind – unbedingt auch in queerfeindlichen Ländern", so Mesch. "Darum gibt es bei der Konkurrenz, den Marvel-Filmen, ganz wenig Queerness." In den Marvel-Comics mit denselben Figuren sei jedoch Platz dafür. Bei DC – also Superman, Batman, Wonder Woman – gebe es nicht so viele Kinofilme, sondern kleinere Serien wie "Doom Patrol" oder "Harley Quinn". In solchen TV-Streaming-Serien finde Querness statt.
Zum Outing von Supermans Sohn habe er einen Verdacht, sagt Stefan Mesch: "Tim Drake, dieser bisexuelle Robin, hat sich vor drei Monaten geoutet. Tim und Jon sind im selben Alter. Tim ist Batmans Sohn und später selber Batman, Jon ist Supermans Sohn und gerade vertretungsweise Superman. Ich glaube, in zwei, drei Jahren gibt es da ein queeres Power-Couple, eine große Liebesgeschichte."
Er wünscht sich aber, dass das auch mehr queere Menschen schreiben und zeichnen. Und: mehr trans Figuren. Und: mehr Heldinnen und Helden of Color.
(abr)