Supermodel, Künstlerin, Autorin
Sie war "Germany´s first Topmodel": Vera Gräfin Lehndorff, 1,86 Meter groß. In Ostpreußen geboren, machte sie als "Veruschka" in New York Karriere - und war als melancholische Fee, Femme fatale oder unnahbare Göttin auf über 800 Coverseiten zu sehen. Seit 2005 lebt sie in Berlin.
Auch mit 72 Jahren ist das einstige Supermodel Veruschka immer noch eine schöne Erscheinung: groß, schlank, lässig. Sie trägt eine schwarze Hose, ein rotes Kapuzenshirt und robuste Turnschuhe. Die Haare sind unter einer Wollmütze versteckt. Der Mund: groß und ungeschminkt. Im Gesicht kein make up.
"Das ist mir mittlerweile wurst. Ich sage: entweder habe ich auch jetzt ein schönes Gesicht. Wenn ich es nicht mehr habe, dann habe ich nie ein schönes Gesicht gehabt. Ich möchte eine innere Schönheit, und die ist der Geist. Darauf kommt es an. Im Alter ist gerade der Geist wichtig."
Auf der Berliner Fashion Week hatte die einst "schönste Frau der Welt" - wie der Photograph Richard Avedon sie nannte - kürzlich einen Auftritt. Zwischen lauter jungen Models präsentierte sie augenzwinkernd und mit lässiger Eleganz Kleider einer in London lebenden Designerin.
Durch ihre Rolle in Michelangelo Antonionis Kultfilm "Blow up" von 1966 wurde Veruschka, wie sie sich nannte, international bekannt. Aber Filmstar, Supermodel, Künstlerin - das ist nur die eine Seite von Vera Lehndorff. Die andere Seite zeigt eine nachdenkliche Frau, die wesentlich mehr zu sagen hat als das, was Hochglanzmagazine über sie verbreitetet haben.
Dass Vera Lehndorff, wie sich die in Ostpreußen geborene Gräfin schlicht nennt, auch die Tochter eines Widerstandskämpfers ist, ist weniger bekannt. Heinrich Graf Lehndorff hatte das Attentat auf Hitler mitgeplant und wurde im September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Dass das weitgehend vergessen ist, stellte Vera Lehndorff fest, als sie 2005 von New York nach Berlin zog.
"Ich war so verzweifelt auf einmal, als ich dann hier lebte, und ich ging dann auch in den Bendlerblock zu den Gedenkfeiern des 20. Juli und habe mehr und mehr bemerkt, dass da mein Vater gar nicht existierte. Zwar im Archiv gab's ihn, aber dass zum Beispiel bei der Namensnennung der Widerstandskämpfer, die hingerichtet wurden, wurde er nie erwähnt."
Geboren wurde Vera Gottliebe Anna Gräfin Lehndorff 1939 im ostpreußischen Steinort. Nur 14 Kilometer vom Lehndorff'schen Schloss entfernt war Hitlers Hauptquartier "Wolfsschanze". Um in dessen Nähe angenehm zu wohnen, hatte Außenminister von Ribbentrop 1942 einen Schlossflügel beschlagnahmt und war dort eingezogen. Er ließ sich gern mit den kleinen Gräfinnen photographieren. In ihren kürzlich erschienenen Erinnerungen "Veruschka - mein Leben" sind einige dieser Aufnahmen abgedruckt.
"Da krieg ich immer noch Gänsehaut und mir schaudert, wenn ich das anschaue. Man sieht uns nur von hinten, und wir gehen ins Dunkel, in den dunklen Wald. Man schaut sich das an und denkt, sind das Vater und Kinder? Nein, das ist der Mann, der meinen Vater gejagt hat mit Hunden danach, der ihn gehenkt hat. Ja, so ist es gewesen. Und nur so versteht man dieses Photo in dem Buch auch, wenn man weiß, was dahinter steckt."
Vera Lehndorffs Kindheit war kurz: 1944, da war sie gerade fünf Jahre alt, musste sie mit Mutter und Schwestern das Lehndorffsche Schloss verlassen. Denn die Nazis konfiszierten auch den ganzen Besitz. Die Familie kam in Sippenhaft, war vollkommen traumatisiert und zog nach dem Krieg häufig um. Über den Vater, an dem die junge Vera so hing, wurde nie gesprochen. Und wenn, dann negativ, wie sie als Schülerin Anfang der 1950er Jahre erfahren musste:
"Eines Tages sagte die Lehrerin: Heute muss ich euch sagen, dass wir in der Klasse ein Mädchen haben, die ist die Tochter eines Mörders. Da haben wir uns alle umgedreht und geguckt, ich auch: Wie sieht denn die aus, die Tochter eines Mörders, oh wie furchtbar. Während wir wieder zurückblickten zu ihr, zeigte sie mit dem Finger auf mich und sagte, Du da, du bist es!"
Der Verlust des Vaters - ein Trauma, das Vera Lehndorffs ganzes Leben begleitet. Ihre Zusammenbrüche, Psychiatrieeinweisungen und Selbstmordversuche mögen damit zusammenhängen. Mit ihrer Rückkehr nach Berlin ist sie ihrer eigenen Familiengeschichte wieder näher gekommen. Und auch dem Lehndorffschen Schloss Steinort im heutigen Polen. Zusammen mit ihren Schwester hat sie dort einen Gedenkstein für den Vater aufstellen lassen und einen deutsch-polnischen Verein gegründet, mit dem Ziel, das Schloss zu erhalten.
"Eines Tages sind wir alle dorthin gefahren, und von da an hat es Feuer gefangen in mir, die ganze Geschichte und auch das Steinort, das mich so berührt hat als ich vor dem Schloss 2007 stand das erste Mal, seitdem ich es mit fünf Jahren verlassen hatte. Der Ort darf jetzt nicht einfach vergessen werden und etwas Lapidares dort entstehen, etwas Wunderbares soll dort entstehen. Ein Ort für den Widerstand, der ist ja so wichtig, dass Widerstand immer wieder geleistet wird. Das ist, finde ich, jetzt eine schöne Aufgabe, zu versuchen, das zu erreichen."
Weitere Informationen:
Jörn Jacob Röwer, Vera Lehndorff: "Veruschka, Mein Leben"
Du Mont Verlag 2011
400 Seiten mit zahlreichen Photographien, 24,00 Euro
Vera Lehndorff
"Das ist mir mittlerweile wurst. Ich sage: entweder habe ich auch jetzt ein schönes Gesicht. Wenn ich es nicht mehr habe, dann habe ich nie ein schönes Gesicht gehabt. Ich möchte eine innere Schönheit, und die ist der Geist. Darauf kommt es an. Im Alter ist gerade der Geist wichtig."
Auf der Berliner Fashion Week hatte die einst "schönste Frau der Welt" - wie der Photograph Richard Avedon sie nannte - kürzlich einen Auftritt. Zwischen lauter jungen Models präsentierte sie augenzwinkernd und mit lässiger Eleganz Kleider einer in London lebenden Designerin.
Durch ihre Rolle in Michelangelo Antonionis Kultfilm "Blow up" von 1966 wurde Veruschka, wie sie sich nannte, international bekannt. Aber Filmstar, Supermodel, Künstlerin - das ist nur die eine Seite von Vera Lehndorff. Die andere Seite zeigt eine nachdenkliche Frau, die wesentlich mehr zu sagen hat als das, was Hochglanzmagazine über sie verbreitetet haben.
Dass Vera Lehndorff, wie sich die in Ostpreußen geborene Gräfin schlicht nennt, auch die Tochter eines Widerstandskämpfers ist, ist weniger bekannt. Heinrich Graf Lehndorff hatte das Attentat auf Hitler mitgeplant und wurde im September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Dass das weitgehend vergessen ist, stellte Vera Lehndorff fest, als sie 2005 von New York nach Berlin zog.
"Ich war so verzweifelt auf einmal, als ich dann hier lebte, und ich ging dann auch in den Bendlerblock zu den Gedenkfeiern des 20. Juli und habe mehr und mehr bemerkt, dass da mein Vater gar nicht existierte. Zwar im Archiv gab's ihn, aber dass zum Beispiel bei der Namensnennung der Widerstandskämpfer, die hingerichtet wurden, wurde er nie erwähnt."
Geboren wurde Vera Gottliebe Anna Gräfin Lehndorff 1939 im ostpreußischen Steinort. Nur 14 Kilometer vom Lehndorff'schen Schloss entfernt war Hitlers Hauptquartier "Wolfsschanze". Um in dessen Nähe angenehm zu wohnen, hatte Außenminister von Ribbentrop 1942 einen Schlossflügel beschlagnahmt und war dort eingezogen. Er ließ sich gern mit den kleinen Gräfinnen photographieren. In ihren kürzlich erschienenen Erinnerungen "Veruschka - mein Leben" sind einige dieser Aufnahmen abgedruckt.
"Da krieg ich immer noch Gänsehaut und mir schaudert, wenn ich das anschaue. Man sieht uns nur von hinten, und wir gehen ins Dunkel, in den dunklen Wald. Man schaut sich das an und denkt, sind das Vater und Kinder? Nein, das ist der Mann, der meinen Vater gejagt hat mit Hunden danach, der ihn gehenkt hat. Ja, so ist es gewesen. Und nur so versteht man dieses Photo in dem Buch auch, wenn man weiß, was dahinter steckt."
Vera Lehndorffs Kindheit war kurz: 1944, da war sie gerade fünf Jahre alt, musste sie mit Mutter und Schwestern das Lehndorffsche Schloss verlassen. Denn die Nazis konfiszierten auch den ganzen Besitz. Die Familie kam in Sippenhaft, war vollkommen traumatisiert und zog nach dem Krieg häufig um. Über den Vater, an dem die junge Vera so hing, wurde nie gesprochen. Und wenn, dann negativ, wie sie als Schülerin Anfang der 1950er Jahre erfahren musste:
"Eines Tages sagte die Lehrerin: Heute muss ich euch sagen, dass wir in der Klasse ein Mädchen haben, die ist die Tochter eines Mörders. Da haben wir uns alle umgedreht und geguckt, ich auch: Wie sieht denn die aus, die Tochter eines Mörders, oh wie furchtbar. Während wir wieder zurückblickten zu ihr, zeigte sie mit dem Finger auf mich und sagte, Du da, du bist es!"
Der Verlust des Vaters - ein Trauma, das Vera Lehndorffs ganzes Leben begleitet. Ihre Zusammenbrüche, Psychiatrieeinweisungen und Selbstmordversuche mögen damit zusammenhängen. Mit ihrer Rückkehr nach Berlin ist sie ihrer eigenen Familiengeschichte wieder näher gekommen. Und auch dem Lehndorffschen Schloss Steinort im heutigen Polen. Zusammen mit ihren Schwester hat sie dort einen Gedenkstein für den Vater aufstellen lassen und einen deutsch-polnischen Verein gegründet, mit dem Ziel, das Schloss zu erhalten.
"Eines Tages sind wir alle dorthin gefahren, und von da an hat es Feuer gefangen in mir, die ganze Geschichte und auch das Steinort, das mich so berührt hat als ich vor dem Schloss 2007 stand das erste Mal, seitdem ich es mit fünf Jahren verlassen hatte. Der Ort darf jetzt nicht einfach vergessen werden und etwas Lapidares dort entstehen, etwas Wunderbares soll dort entstehen. Ein Ort für den Widerstand, der ist ja so wichtig, dass Widerstand immer wieder geleistet wird. Das ist, finde ich, jetzt eine schöne Aufgabe, zu versuchen, das zu erreichen."
Weitere Informationen:
Jörn Jacob Röwer, Vera Lehndorff: "Veruschka, Mein Leben"
Du Mont Verlag 2011
400 Seiten mit zahlreichen Photographien, 24,00 Euro
Vera Lehndorff