"Supernerds" am Schauspiel Köln

Das Schicksal der Whistleblower

Eine Unterstützerin von Julian Assange hält Plakate hoch vor der ecuadorianischen Botschaft in London.
Eine Unterstützerin von Julian Assange vor der ecuadorianischen Botschaft in London. © picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga
Von Susanne Luerweg |
"Supernerds" ist mehr als ein Theaterabend: Parallel dazu gibt es das Supernerds TV, einen Radioauftritt, interaktive Mitmach-Möglichkeiten und ein Buch. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die für die einen Verräter und für die anderen Helden sind.
Abhörhotline 7: Melden Sie sich an zu Supernerds TV. Hier werden Sie selbst zum Spion, erfahren aber auch wie es sich anfühlt selbst überwacht zu werden.
"Der Supernerd ist aber einer, bei dem noch Charisma dazu kommt und ich habe brutalerweise mal gesagt, der auch Zugriff auf Frauen hat. Das klingt jetzt ganz hart. Jemand, der hochintelligent und normalerweise dieser seltsame Eckensteher ist, aber ein Supernerd ist eigentlich so ne Art Superheld als Nerd."
Erklärt Angela Richter, Regisseurin des Theaterstücks "Supernerds" am Kölner Schauspiel. Seit Jahren beschäftigt sich die zierliche Mittvierzigerin mit den Themen Überwachung, Datenschutz, und den Folgen für jene, die sich gegen die Praktiken der Geheimdienste auflehnen.
Mit einer Art Dreiklang will sie nun die Missstände zur Sprache bringen. Am Premierenabend wird es parallel zum Theaterstück eine Live-Übertragung im WDR-Fernsehen sowie eine Radiosendung geben. Auf allen Ebenen passiert Unterschiedliches. Als Regisseure im Hintergrund sollen die Zuschauer fungieren. Projektleiter Georg Tschurschenthaler.
"Das heißt, der Zuschauer zu Hause kann über seine Computer, sein Handy oder sein Tablet Einfluss auf den Verlauf des Abends nehmen. Das sind zum Teil ganz einfache Votings, Entscheidungen , aber er kann tatsächlich in die Dramaturgie des Abends eingreifen und mitbestimmen, wie das Ganze weiter verläuft."
Zeit der Whistleblower hat gerade erst begonnen
Die Rahmenhandlung ist gesetzt. Sie basiert auf Interviews, die Angela Richter mit Julian Assange, Edward Snowden und anderen sogenannten Whistleblowern geführt hat. Sie glaubt, die große Zeit der Supernerds hat gerade erst angefangen.
"Für mich war das geradezu ein Wunder, als alle gesagt haben, ach Wikileaks, das ist vorbei und dann kommt jemand wie Snowden und der wird nicht der Letzte sein und das ist auch noch nicht vorbei. Also ich glaube, jetzt schon zu sagen: So, das ist jetzt gelaufen, das ist die Angela-Merkel-Haltung, das hätten die jetzt gerne so. Aber wie man sieht, der Geist, der aus der Flasche gekommen ist, der lässt sich jetzt nicht zurückstopfen."
Angela Richter hat nicht nur Snowden und Assange getroffen, sondern auch andere wie Daniel Ellsberg, jenen Mann, der in den 70er-Jahren geheime Pentagon-Papiere veröffentlicht hat, um die Lügen aus dem Vietnamkrieg publik zu machen. Auf der Bühne werden jedoch keine Lookalikes der original Supernerds stehen, kein Assange-Doppelgänger auftreten. Angela Richter will vor allem die Motive der Supernerds zeigen.
"Sie sind erst mal, wenn man sie trifft, supernormale Menschen, in dem Moment, wo sie einem erklären, was da durch ihren Kopf ging, sind es einfach sehr, sehr bewusste Entscheidungen, sehr durchdachte Entscheidungen, auch emotionale Entscheidungen. Es ist für mich selber schwer zu erfassen, ich kann nur sagen, es sind definitiv Menschen, die höhere moralische Ansprüche haben an sich selbst."
Live-Schaltung zu Snowden und Assange
Snowden und Assange sollen live zugeschaltet werden. Ob es klappt, wird sich erst bei der Premiere zeigen. Die Auftritte der beiden bekanntesten Supernerds sind aber nicht die einzige Hürde. Auch die Live-Fernsehsendung aus dem Schauspielhaus birgt noch einige Fallstricke. Während die Spielhandlung läuft, diskutiert Moderatorin Bettina Böttinger im eigens im Schauspielhaus eingerichteten Fernsehstudio mit Experten. An manchen Stellen kommen dann Theater, Fernsehen und Netz zusammen.
Die Vermischung der Disziplinen ist Teil des Konzepts, an dem Georg Tschurtschenthaler und seine Kollegen bei der Gebrüder Beetz Filmproduktion seit einem Jahr arbeiten:
"Um in den Urschleim des Projektes zurückzuspringen. Es gab ein Treffen mit Stefan Bachmann, dem Intendanten des Schauspielhauses, und Matthias Kremin vom WDR, hier einen besonderen Theater-Fernsehabend zu Supernerds zu machen. Und wir sind dann dazu gebeten worden mit dem Auftrag, das Ganze so interaktiv zu gestalten wie möglich und das Ganze auch als Erlebnis zu bauen. Das man jetzt also weggeht, noch ein Projekt, das darüber berichtet, sondern wirklich mit technischen Möglichkeiten ein Erlebnis von dem Ganzen zu schaffen."
Noch ist nicht klar, ob das Medienexperiment auf allen Ebenen funktioniert, die Technik mitspielt und es keine Pannen gibt. Die Anmeldezahlen für Supernerds TV im Vorfeld der Premiere zeigen indes das immens hohe Interesse am Thema und die Chance, Menschen für Theater zu interessieren, die sonst eher einen Bogen um die Institution machen. Das Fernsehen gewinnt vielleicht auch ein paar Zuschauer zurück, die sich lange abgewandt haben. Eine klassische Win-win-Situation, hoffentlich auch für die eigentlichen Helden des Großevents.
"Okay, wir müssen jetzt mal denen helfen, die wissen, wie es geht und das sind halt Supernerds. Also das sind Leute, die die Gesellschaft verändern können."
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