Suppenküche andersrum

Obdachlose kochen für jedermann

Suppenküche
Suppe als Dankeschön... © dpa / Carmen Jaspersen
Von Suzanne Krause |
Wer Obdachlosen helfen möchte, indem er ihnen die Möglichkeit gibt, die Toilette seines Cafés zu benutzen oder das Handy dort aufzuladen, der kann bei der Pariser Initiative "Le Carillon" mitmachen. Dafür kochen die Obdachlosen von Zeit zu Zeit ein Süppchen für jedermann.
Kurz vor Toresschluss in der Markthalle von Melun steuert Cyril Bergé einen Gemüsestand an. Charmant bittet der schlaksige Endzwanziger um eine Spende, um unverkaufte Ware für eine, nun, Wohltätigkeitsaktion. Eine "Soupe impopulaire". Ein Wortspiel. "Soupe populaire" bedeutet: Armenspeisung. Bei der Aktion "Soupe impopulaire" hingegen kochen Obdachlose für jedermann. "Sellerie und Tomaten?", fragt der Händler und weist auf die Kartoffelkiste. Cyril dürfe sich bedienen, sagt er verständnisvoll.

"Ich bin stolz darauf, hier mitzukochen"

Am Ausgang warten Mitstreiter. Eine Gruppe Freunde, die vor zwei Jahren spontan beschloss, sich um Obdachlose zu kümmern. Ehrenamtlich, einfach so. Maeva Giovannangeni ist 26, hat eine Ausbildung im Bereich Gesundheit am Arbeitsplatz und sucht einen Job. Nun weist sie stolz auf zwei Kisten randvoll mit Brokkoli, Feldsalat, Karotten:"Wir kochen ein Süppchen und dazu gibt es noch Gemüse und Salat extra. Heute kommt ganz schön was zusammen."
Eine Stunde später hantiert ein halbes Dutzend Aktivisten in der Küche eines Sozialprojekts mitten im Plattenbauviertel von Melun. Richtig kochen kann keiner. Im Internet sucht Maeva nach Rezepten. Hicham schabt Karotten. Hingebungsvoll. Hicham kam der Liebe wegen aus Paris nach Melun. Die Liebe zerbrach. Seit zwei Jahren lebt Hicham im Zelt im Wald. Und kümmert sich um Obdachlose, um seinesgleichen. "Keine Ahnung, warum", sagt er. "Es liegt mir einfach am Herzen. Im Leben soll man seinem Nächsten helfen. Ich bin stolz darauf, hier mitzukochen."

"Immer mehr ziehen mit"

Hicham ist Botschafter der Initiative Le Carillon in Melun. Auf Werbetour für das Projekt hat er Läden im Zentrum abgeklappert. Händler, die Obdachlosen etwas anbieten wollen, können dies mit dem Carillon-Aufkleber an der Tür kundtun. Sei es ein kostenloser Haarschnitt beim Friseur, Gratiskopien wichtiger Schriftstücke beim Schreibwarenladen, die Benutzung der Toilette. Oder einfach einen Plausch. Mancher Händler weigere sich allerdings, sagt Hicham:"Er fürchtet, dass einer betrunken im Laden auftaucht. Aber immer mehr ziehen mit."
Abends um halb sieben an der Place Saint Jean im Stadtzentrum lockt der Suppenduft gut zwei Dutzend Passanten an, Obdachlose und ganz normale Bürger. "Ich habe Skikleidung mitgebracht", sagt eine Rentnerin und drückt Cyril eine große Plastiktüte in die Hand:"Von meinem Mann, der kürzlich verstorben ist. Warme Sachen. Denn es heißt, der Winter wird sehr kalt."

"Sie wurde mit Liebe zubereitet"

Die Frau neben der Rentnerin nickt zustimmend. "Der Kontakt mit den Obdachlosen berührt mich sehr", sagt sie. Auch sie spendet, was sie abgeben kann, denn:"Heute kann es jedem passieren, auf der Straße zu landen. Für die Herzenswärme und Sachen, die ich mitbringe, bekomme ich einiges zurück: Die Obdachlosen erzählen, wie es ihnen gelingt zu überleben. Das gibt Hoffnung."
In Grüppchen plaudernd stehen alle um den großen Topf herum. Herzhaft und vor allem heiß ist die Gemüsesuppe. Nachdem Hicham schon Becher über Becher serviert hat, kostet er selbst. Keine Haute Cuisine, aber sie schmecke super. "Sie wurde mit Liebe zubereitet - unser aller Liebe!"
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