Wellen reiten musikalisch
Der Surf Rock entstand in 50er-Jahren in den USA - in Kalifornien, um genau zu sein. Eine Schlüsselfigur war der Musiker Dick Dale, der das Lebensgefühl einer ganzen Generation in Musik übersetzte. Er steht bis heute auf der Bühne - und feiert nun seinen 80. Geburtstag.
Du drehst Dich um und siehst die Welle auf dich zukommen. Du beginnst mit den Händen zu paddeln, immer schneller und schneller. Du spürst die Welle unter deinem Brett, stehst in einer fließenden Bewegung auf und surfst.
Das Gefühl des Surfens, auf kraftvollen Wellen reiten, vollgepumpt mit Adrenalin und Glückshormonen – dieses Gefühl wollte der begeisterte Surfer und genauso begeisterte Musiker Dick Dale durch seine Musik wiedergeben. Schnell merkte er aber, dass er mit Gesang dieser Euphorie nicht gerecht wurde, dafür aber mit der E-Gitarre. 1961 veröffentlichte er das Stück "Let's go Trippin" – den vielleicht ersten Song eines völlig neuen Musikstils: Das war die Geburtsstunde des Surf Rocks.
Natürlich entstand Surf Rock an der Küste Kaliforniens. In den 50er-Jahren wurde Surfen nicht nur zum beliebtesten Wassersport der USA, es entwickelte sich eine ganze Jugendkultur um diesen Sport herum mit einem eigenen Modestil und eben einem eigenen Musikstil. Wild, exzentrisch und laut. Das wichtigste Instrument dabei die E-Gitarre und Dick Dale setzte mit seinem Gitarrenspiel den Maßstab und stiegt schnell auf zum "King of Surfguitar".
Typisch für ihn war sein Stakkato-Picking auf der Fender-Stratocaster-Gitarre und der Einsatz von Verstärkern und Hallgeräten. Sein Anschlag war so kraftvoll, dass er extra-dicke Saiten auf seine Gitarre ziehen musste. Der Instrumentenbauer Leo Fender entwickelte speziell für Dick Dale Gitarren und Verstärker, weil normale Instrumente nie lange überlebten.
Viele Musiker surften die Surf-Rock-Welle
Innerhalb kürzester Zeit wurden Dick Dale und seine Musik zu einer lokalen Sensation. Er trat sogar in der Ed Sullivan Show auf, einer der damals beliebtesten Fernseh-Shows Amerikas. Schnell sprangen weitere Musiker auf die Surf Rock Welle, die Surfaris zum Beispiel oder The Chantays. Fast alle diese Bands blieben aber nur One Hit Wonder. Dick Dale war da eine Ausnahme - jedenfalls bei der instrumentalen Surfmusik.
So wie sich Surfer gerne mal auf dem Wasser darum streiten, wer die nächste Welle nimmt, so gab es auch immer Diskussionen, was denn nun nur echte Surf Musik sei. Puristen bestehen darauf, dass Surf Rock instrumental ist und gitarrendominiert. Schließlich hat so ja alles angefangen. Aber dann rollte eine zweite Surfmusik-Welle heran und deren Markenzeichen war mehrstimmiger Harmoniegesang à la Beach Boys. Und bis heute verbinden viele Surfmusik als erstes mit den Beach Boys und Songs wie "Surfin' USA", "Surfer Safari" oder "Surfer Girl".
Ohne Frage waren die Beach Boys mit ihrem Vocal Surf kommerziell erfolgreicher als Dick Dale und die anderen Instrumental Surfer. Aber beide Surfrock-Richtungen hatten keine Chance gegen die musikalische britische Invasion Mitte der 1960er mit den Beatles an der Spitze - das war das Ende des Surf Rocks. Erstmal.
Tarantinos "Pulp Fiction" gab der Musik wieder Aufwind
1994 veröffentlichte Quentin Tarantino den Film "Pulp Fiction". Das Stück "Misirlou" von Dick Dale, das er für den Soundtrack auswählte, wurde zum musikalischen Markenzeichen des Films und begründete ein Surf Rock Revival. Dick Dale hätte wahrscheinlich nichts Besseres passieren können. Er war wieder gefragt, spielte Konzerte und nahm seitdem vier neue Album auf. Und gleichzeitig ließen sich damals wie heute junge Bands vom Klang inspirieren, auch wenn sie sich nie als Surf-Rock-Musiker bezeichnen würden, Keith Moon von The Who zum Beispiel oder Vampire Weekend.
Auch wenn die große Surf Rock Welle wohl vorbei ist, gibt es bis heute weltweit Bands, die Surf Rock spielen und die Musik immer weiter entwickeln. Es gibt Neo Surf in Deutschland, Psych Surf in den USA oder Surf Punk in Holland. Im Internet findet man Online-Radios, die 24 Stunden ausschließlich Surfmusik spielen. Egal ob Wasser und Wellen in der Nähe sind - wichtig ist bis heute, dass Surfmusik laut und schnell und energiegeladen ist.
Und Dick Dale? Der steht auch heute noch mit 80 auf der Bühne. Die weißen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, der Bauch etwas runder. Aber seine Gitarrensaiten vibrieren noch genauso wie vor 60 Jahren.