"Unsurfed Afghanistan" ist eine 30-minütige Doku von Nico Walz. Sie wird nun auf Festivals eingereicht. Website des Filmprojekts.
Die Suche nach der perfekten Welle
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Was sind das für Männer in komischen Anzügen, denken sich viele Afghanen, wenn sie Afridun Amu und seine Freunde beim Surfen beobachten. Schnell sind sie begeistert. Aus der Reise des Deutsch-Afghanen ist ein Film geworden: "Unsurfed Afghanistan".
Diese Bilder sind beeindruckend: 4000 Meter hohe Berge. Ein reißender Fluss. Und drei Männer, die sich mit ihren Surfbrettern in die Fluten stürzen. Angefeuert von Kindern und Erwachsenen.
Die Idee, zum Surfen nach Afghanistan zu reisen, hatte Afridun Amu. Im Alter von fünf Jahren ist er mit seiner Familie aus Afghanistan geflohen und in Göttingen aufgewachsen. Der 32-jährige Jurist und Kulturwissenschaftler hat 2015 die afghanischen Surfmeisterschaften gewonnen, die in Portugal ausgetragen wurden. Afridun Amus großes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen im kommenden Jahr in Tokio.
"Man hat sich natürlich immer die Frage gestellt, die habe ich mir gestellt, aber die haben mir auch andere gestellt: Kann man denn überhaupt in Afghanistan surfen?", erzählt Afridun Amus. "Ich war mir sicher, dass es geht, ich war mir zwar nicht sicher, ob wir es hinbekommen aufgrund der schwierigen politischen Lage. Aber ich habe von den Flüssen von Afghanistan gehört, unter anderem im Pandschir Tal, habe den Pandschir Fluss gesehen und war mir recht sicher: Hier kann man bestimmt surfen. Wenn es im Eisbach in München geht, geht es hier mindestens genauso gut. Ja, und so ist aus der Idee dann mehr und mehr der Trip entstanden."
Es geht in den Medien immer nur um Krieg
Der 1,87 Meter große Afridun Amu erzählt in einem Berliner Café von seinem Abenteuer. Über drei Jahre hat er die Reise mit zwei Flusssurfern und einem Kameramann akribisch geplant. Entstanden ist daraus eine halbstündige Dokumentation: "Unsurfed Afghanistan". Der Film ist ein beeindruckendes Dokument einer ungewöhnlichen Reise, ein Road Movie, in dem drei junge Männer auf der Suche sind nach der perfekten Welle in einem vom Krieg gezeichneten Land.
"Ich als gebürtiger Afghane habe ein ganz anderes Bild von Afghanistan als die meisten Leute, die Afghanistan wahrscheinlich nur aus den Nachrichten kennen. Es geht fast immer nur um Terror, Krieg, negative Geschichten, und das ist definitiv ein Teil der Realität in Afghanistan. Aber das ist eben nicht alles, was Afghanistan auszeichnet. Und das Afghanistan, was ich kenne, das ich auch als Kind kennengelernt habe, das ist ein sehr schönes Afghanistan. Das sind wunderschöne Landschaften, interessante Persönlichkeiten, eine unglaubliche Spiritualität, und das ist ein Afghanistan, was ich gerne anderen zeigen wollte."
Immer dabei: Kinder und Erwachsene, die erst skeptisch, dann aber fasziniert und begeistert das Treiben im Wasser beobachten.
Was sind das für Männer in komischen Anzügen?
Afridun Amu erzählt: "Und als dann die Einheimischen uns vor Ort gesehen haben, wie wir das betreiben, da waren die baff. Also bevor wir ins Wasser gingen, wussten die meisten gar nicht, was wir da eigentlich machen mit unseren komischen Anzügen und Brettern, und waren zwar alle interessiert, aber konnten das gar nicht einordnen. Aber spätestens als wir dann in Wasser waren, haben die sich mindestens genauso sehr gefreut wie wir."
2013 hat Afridun Amu den afghanischen Surfdachverband mitgegründet und setzt sich – nicht nur mit dem Film – dafür ein, dass dieser Sport in Afghanistan populärer wird.
"Vielleicht kann Surfen einen Tropfen Lebensfreude nach Afghanistan bringen", hofft Amu.
Vor dem Surfen kommt das Schwimmen
In einem nächsten Schritt wollen er und seine Mitstreiter afghanischen Kindern das Schwimmen beibringen. Denn seine Landsleute sind sportbegeistert – womöglich eine Reaktion auf das langjährige Sportverbot unter den Taliban.
"Die Menschen sind sportverrückt. Wenn man durch die Straßen Kabuls geht, an den Stellen, wo es möglich ist, versuchen die Leute, allen möglichen Sport zu betreiben. Cricket ist zum Beispiel ein Sport, den gab es in Afghanistan gar nicht. Aber durch die ganzen Geflüchteten, die in Pakistan waren und in Indien und zurückgekehrt sind, wurde der Sport nach Afghanistan gebracht und mittlerweile gehört Afghanistan zu den besten Mannschaften der Welt.
Aber das ist nicht nur beim Cricket so. Das ist bei allen anderen Sportarten auch so. Und es ist nicht nur das. Es ist nicht nur die Aktivität selber. Sondern die Teilnahme von einzelnen Sportler und Sportlerinnen an internationalen Events ermöglicht es dem Land, wieder Teil der internationalen Gemeinschaft zu sein, was auch jahrzehntelang nicht möglich war."