Surreale Abenteuer im Altersheim
Erst als die altersschwache Heldin Marian Leatherby von der besten Freundin ein Hörrohr geschenkt bekommt, begreift sie, dass ihre Familie ihr nicht wohlgesonnen ist. Sie wird ins Altersheim abgeschoben, aber da beginnt wider Erwarten ein aufregendes neues Leben.
Marian Leatherby ist uralt und stocktaub. Sie lebt zufrieden mit ihren Katzen im Kreis der Familie, bis die beste Freundin ihr das Hörrohr schenkt, dem dieser phantastische Roman den Titel verdankt. Jetzt erfährt sie, was ihr unverschämter Enkel und die bösartige Schwiegertochter von ihr wirklich denken, und dass man sie loswerden, in ein Altersheim stecken will. Daran kann das Hörrohr zwar nichts mehr ändern, aber in dem autoritär geführten Haus für alte Damen ist sie mit seiner Hilfe nicht mehr ausgeschlossen von der Gemeinschaft.
Was ihr als Schreckensort schien, entwickelt sich außerdem zu einem wahren Jungbrunnen, denn die anderen exzentrischen Heimbewohnerinnen sind nicht nur interessant, verrückt und anregend, vor allem hüten einige von ihnen ein Geheimnis, das sich als ganz besonderer Schatz erweist. Nach einem Mordkomplott wird die liebenswerte Heldin erst zur Anführerin eines Hungerstreiks, dann eingeweiht in die folgenreiche Lebensgeschichte einer frivolen Äbtissin, die früh den Geschlechtertausch übte und die ganz am Ende, als das surreale Abenteuer in einem durchaus hoffnungsvollen Weltuntergangsszenarium endet, eine entscheidende Rolle spielt.
Die Malerin und Autorin Leonora Carrington ist wahrscheinlich die letzte lebende Surrealistin. Aber es ist nicht dieses Glück der Überlebenden, das ihrer Literatur einen so besonderen Reiz verleiht. Es sind literarische Phantasien, Bilder, irritierende Abweichungen vom Realen und Normalen, die in den Bann ziehen.
"Das Hörrohr" (die erste Fassung wurde Anfang der 1960er Jahre geschrieben) war lange vergriffen, jetzt hat der Suhrkamp Verlag diesen ebenso komischen wie klugen Roman endlich wieder aufgelegt. Keinen geringen Anteil mag daran auch der letzte Roman von Monika Maron ("Ach Glück") haben, denn da macht sich die Heldin auf nach Mexiko, um der bewunderten Autorin des Romans "Das Hörrohr" nahe zu kommen.
Leonora Carrington, geboren 1917 in England, floh früh ihre wohlhabende Familie, wurde Ende der 30er Jahre die Geliebte von Max Ernst - und Künstlerin. Seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt Leonora Carrington in Mexiko. In einem ihrer raren Interviews heißt es: "Ich akzeptiere meinen gegenwärtigen Zustand ehrenwerten Verfalls... Wenn die jungen Leute mir heute sagen, dass ich einen jungen Geist habe, fühle ich mich beleidigt - Ich habe einen alten Geist."
Rezensiert von Manuela Reichart
Leonora Carrington: Das Hörrohr
aus dem Englischen von Tilman Spengler
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., 2008
218 Seiten, 13,80 Euro
Was ihr als Schreckensort schien, entwickelt sich außerdem zu einem wahren Jungbrunnen, denn die anderen exzentrischen Heimbewohnerinnen sind nicht nur interessant, verrückt und anregend, vor allem hüten einige von ihnen ein Geheimnis, das sich als ganz besonderer Schatz erweist. Nach einem Mordkomplott wird die liebenswerte Heldin erst zur Anführerin eines Hungerstreiks, dann eingeweiht in die folgenreiche Lebensgeschichte einer frivolen Äbtissin, die früh den Geschlechtertausch übte und die ganz am Ende, als das surreale Abenteuer in einem durchaus hoffnungsvollen Weltuntergangsszenarium endet, eine entscheidende Rolle spielt.
Die Malerin und Autorin Leonora Carrington ist wahrscheinlich die letzte lebende Surrealistin. Aber es ist nicht dieses Glück der Überlebenden, das ihrer Literatur einen so besonderen Reiz verleiht. Es sind literarische Phantasien, Bilder, irritierende Abweichungen vom Realen und Normalen, die in den Bann ziehen.
"Das Hörrohr" (die erste Fassung wurde Anfang der 1960er Jahre geschrieben) war lange vergriffen, jetzt hat der Suhrkamp Verlag diesen ebenso komischen wie klugen Roman endlich wieder aufgelegt. Keinen geringen Anteil mag daran auch der letzte Roman von Monika Maron ("Ach Glück") haben, denn da macht sich die Heldin auf nach Mexiko, um der bewunderten Autorin des Romans "Das Hörrohr" nahe zu kommen.
Leonora Carrington, geboren 1917 in England, floh früh ihre wohlhabende Familie, wurde Ende der 30er Jahre die Geliebte von Max Ernst - und Künstlerin. Seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt Leonora Carrington in Mexiko. In einem ihrer raren Interviews heißt es: "Ich akzeptiere meinen gegenwärtigen Zustand ehrenwerten Verfalls... Wenn die jungen Leute mir heute sagen, dass ich einen jungen Geist habe, fühle ich mich beleidigt - Ich habe einen alten Geist."
Rezensiert von Manuela Reichart
Leonora Carrington: Das Hörrohr
aus dem Englischen von Tilman Spengler
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., 2008
218 Seiten, 13,80 Euro