Surrealismus des Trivialen
Haifischflosssen-Sessel, der Maschinensound von "Kraftwerk, Plattenspieler aus Beton: All das ist irgendwie postmodern, finden die Macher der Ausstellung "Postmodernism. Style and Subversion" in Zürich. Die daherkommt wie ein großer Partykeller.
Wann begann eigentlich die Postmoderne? Ein postmoderner Schlaumeier, der amerikanische Architekt Charles Jencks, kann das auf den Tag genau angeben: Es ist der 16.März1972. Damals begann in St. Louis der Abriss der gigantischen Pruitt-Igoe-Siedlung, einer Wohnmaschine mit fast 3000 Wohnungen, ersonnen von Minoru Yamasaki, der später in New York die Twin Towers baute. Für Jencks war der Abriss der Siedlung gleichbedeutend mit dem Scheitern der Bauhaus-Moderne, und obgleich die sozialen Probleme in Pruitt-Igoe weniger mit der Architektur als mit dem Zusammenpferchen gesellschaftlicher Randgruppen zu tun hatte, prangt das Bild der zusammenstürzenden Wohntürme nun am Eingang der Züricher Ausstellung.
"Postmodernism. Style and Subversion" versucht eine Annäherung an die Postmoderne auf den Gebieten der Architektur, der Kleidung, des Schmuckdesigns, der Werbung, der Kunst und natürlich der Musik. Literatur und Philosophie fehlen ganz. Postmoderne Elemente sind in diesen Bereichen ganz unterschiedlich ausgeprägt, und so ist es kein Wunder, dass die bunten Haifischflosssen-Sessel der Mailänder Memphis-Gruppe die neuen Freiheiten viel besser illustrieren als etwa die Pop-Musik, wo man sich etwas schwerer tut, klare Kriterien für Postmodernes zu finden.
Der Maschinensound von "Kraftwerk" war immerhin eine klare Absage an den herkömmliche Rock. Aber ist das postmodern? Nur weil zeitgleich in der E-Musik Philip Glass reüssierte? Sind Laurie Anderson, David Bowie oder die Sex Pistols postmodern? Gewöhnlicherweise würde man die ganz anders einordnen, hier sind sie Belege für den postmodernen Aufbruch. Warum aber fehlt dann, nur so als Frage, Jimi Hendrix' Dekonstruktion der amerikanischen Nationalhymne? Keiner weiß es ...
Die Ausstellung kommt aus dem Londoner Victoria-and-Albert-Museum; für Zürich wurde sie etwas abgespeckt und um viele Objekte erweitert, die den Beitrag der Schweiz zum neuen Zeitalter gebührend feiern, zum Beispiel die schrägen Möbel von Trix und Robert Haussmann oder die computergestützte Sprechmusik von "Yello".
Gefeiert wird hier aber auch die Postmoderne selber; kein großes Problematisieren der epochentypischen Beliebigkeit und des Anything-goes, sondern reines Rühmen eines angeblich großen Aufbruchs. Mit Lyotards Sprachspielen hält man sich nicht auf; der gelernte Bühnenbildner Alex Harb, der die Züricher Ausstellung mit viel Neon inszeniert hat, gibt sich auch definitorisch ganz locker.
"Was ich am meisten nachvollziehen kann, ist, dass die Postmoderne eine unglaubliche Ausweitung von Möglichkeiten darstellte – und das ist, wie ich finde, das Spannende an der Postmoderne. Und an dieser Ausstellung. Dass man sieht, dass sehr viel mehr und sehr viel Lustbetontes und sehr Vitales und sehr Lebensbejahendes möglich war. Und ich hoffe, dass das hier zu sehen ist."
Zu sehen ist vor allem den Einfluss des Banalen und Trivialen auf die neue Architektur; der Skulpturwille von Frank Gehry, die Zeichenhaftigkeit von Robert Venturi und die antik-stereometrischen Bauten von Mario Botta, die ein bisschen aussehen wie ihr Schöpfer: dick und rund. Dann aber kommt gleich die Berliner und New Yorker Subkultur um die Ecke, die neuen schrägen Kleider, die Punk-Fêten, der Kitsch. "Avanti Dilettanti" heißt die neue Parole.
Alex Harb: "Wir haben natürlich den Punk dabei, aber auch den Punk im Design. Oder im Kostümdesign. Aber dass der Moment der Präpotenz eine große Rolle spielt, das stimmt. Und das finde ich auch sehr schön. Also es ist ein großer, sehr vitaler Motor, präpotent sagen zu können: ich mach einfach mal. Plattenspieler, die aus Beton gegossen sind. Oder Kunstobjekte, zusammengeflext aus alten Waschmaschinen. Oder Schmuckstücke aus kaputten Glasflaschen. Sicherlich brauchte das keine Goldschmiedeausbildung, sondern es brauchte die Idee und den Impuls."
"Concrete Stereo", der Beton-Plattenspieler von Ron Arad aus dem Jahr 1983, ist mittlerweile ein Klassiker des Umgangs mit neuen Materialien. Aber das Musikvideo, das in den 80er-Jahren aufkam und hier mit Prince, Neneh Cherry und Michael Jackson für die Postmoderne vereinnahmt wird, ist mittlerweile zum Kommerzartikel von MTV herabgesunken. Das macht aber nichts: irgendwie folgt auch diese Ausstellung dem von Claude Lévi-Strauss sogenannten Prinzip der "Bricolage", des Zusammenbastelns der gerade zur Verfügung stehenden Zeichen und Materialien. Das ist konsequent, und so ist die Ausstellung auch ein großer Partykeller, sagt der Designer Alex Harb.
"Ich bin aufgewachsen in Westberlin, so im SO36 ein- und ausgegangen und im Georg-von-Rauch-Haus in Kreuzberg, andererseits aber auch in Clubs wie dem 'Dschungel' in Berlin – und davon habe ich noch vitale Erinnerungen und habe versucht, den Club meiner Jugend nachzubauen."
Und wenn man da raustaumelt, dann weiß man: die Postmoderne ist eine Art Surrealismus des Trivialen. Hinterm Horizont geht's weiter, sagt hoffnungsvoll der überhaupt nicht postmoderne Udo Lindenberg. "Fahrn fahrn fahrn auf der Autobahn" antworten die Musiker von "Kraftwerk". Desillusioniert und angeblich postmodern.
"Postmodernism. Style and Subversion" versucht eine Annäherung an die Postmoderne auf den Gebieten der Architektur, der Kleidung, des Schmuckdesigns, der Werbung, der Kunst und natürlich der Musik. Literatur und Philosophie fehlen ganz. Postmoderne Elemente sind in diesen Bereichen ganz unterschiedlich ausgeprägt, und so ist es kein Wunder, dass die bunten Haifischflosssen-Sessel der Mailänder Memphis-Gruppe die neuen Freiheiten viel besser illustrieren als etwa die Pop-Musik, wo man sich etwas schwerer tut, klare Kriterien für Postmodernes zu finden.
Der Maschinensound von "Kraftwerk" war immerhin eine klare Absage an den herkömmliche Rock. Aber ist das postmodern? Nur weil zeitgleich in der E-Musik Philip Glass reüssierte? Sind Laurie Anderson, David Bowie oder die Sex Pistols postmodern? Gewöhnlicherweise würde man die ganz anders einordnen, hier sind sie Belege für den postmodernen Aufbruch. Warum aber fehlt dann, nur so als Frage, Jimi Hendrix' Dekonstruktion der amerikanischen Nationalhymne? Keiner weiß es ...
Die Ausstellung kommt aus dem Londoner Victoria-and-Albert-Museum; für Zürich wurde sie etwas abgespeckt und um viele Objekte erweitert, die den Beitrag der Schweiz zum neuen Zeitalter gebührend feiern, zum Beispiel die schrägen Möbel von Trix und Robert Haussmann oder die computergestützte Sprechmusik von "Yello".
Gefeiert wird hier aber auch die Postmoderne selber; kein großes Problematisieren der epochentypischen Beliebigkeit und des Anything-goes, sondern reines Rühmen eines angeblich großen Aufbruchs. Mit Lyotards Sprachspielen hält man sich nicht auf; der gelernte Bühnenbildner Alex Harb, der die Züricher Ausstellung mit viel Neon inszeniert hat, gibt sich auch definitorisch ganz locker.
"Was ich am meisten nachvollziehen kann, ist, dass die Postmoderne eine unglaubliche Ausweitung von Möglichkeiten darstellte – und das ist, wie ich finde, das Spannende an der Postmoderne. Und an dieser Ausstellung. Dass man sieht, dass sehr viel mehr und sehr viel Lustbetontes und sehr Vitales und sehr Lebensbejahendes möglich war. Und ich hoffe, dass das hier zu sehen ist."
Zu sehen ist vor allem den Einfluss des Banalen und Trivialen auf die neue Architektur; der Skulpturwille von Frank Gehry, die Zeichenhaftigkeit von Robert Venturi und die antik-stereometrischen Bauten von Mario Botta, die ein bisschen aussehen wie ihr Schöpfer: dick und rund. Dann aber kommt gleich die Berliner und New Yorker Subkultur um die Ecke, die neuen schrägen Kleider, die Punk-Fêten, der Kitsch. "Avanti Dilettanti" heißt die neue Parole.
Alex Harb: "Wir haben natürlich den Punk dabei, aber auch den Punk im Design. Oder im Kostümdesign. Aber dass der Moment der Präpotenz eine große Rolle spielt, das stimmt. Und das finde ich auch sehr schön. Also es ist ein großer, sehr vitaler Motor, präpotent sagen zu können: ich mach einfach mal. Plattenspieler, die aus Beton gegossen sind. Oder Kunstobjekte, zusammengeflext aus alten Waschmaschinen. Oder Schmuckstücke aus kaputten Glasflaschen. Sicherlich brauchte das keine Goldschmiedeausbildung, sondern es brauchte die Idee und den Impuls."
"Concrete Stereo", der Beton-Plattenspieler von Ron Arad aus dem Jahr 1983, ist mittlerweile ein Klassiker des Umgangs mit neuen Materialien. Aber das Musikvideo, das in den 80er-Jahren aufkam und hier mit Prince, Neneh Cherry und Michael Jackson für die Postmoderne vereinnahmt wird, ist mittlerweile zum Kommerzartikel von MTV herabgesunken. Das macht aber nichts: irgendwie folgt auch diese Ausstellung dem von Claude Lévi-Strauss sogenannten Prinzip der "Bricolage", des Zusammenbastelns der gerade zur Verfügung stehenden Zeichen und Materialien. Das ist konsequent, und so ist die Ausstellung auch ein großer Partykeller, sagt der Designer Alex Harb.
"Ich bin aufgewachsen in Westberlin, so im SO36 ein- und ausgegangen und im Georg-von-Rauch-Haus in Kreuzberg, andererseits aber auch in Clubs wie dem 'Dschungel' in Berlin – und davon habe ich noch vitale Erinnerungen und habe versucht, den Club meiner Jugend nachzubauen."
Und wenn man da raustaumelt, dann weiß man: die Postmoderne ist eine Art Surrealismus des Trivialen. Hinterm Horizont geht's weiter, sagt hoffnungsvoll der überhaupt nicht postmoderne Udo Lindenberg. "Fahrn fahrn fahrn auf der Autobahn" antworten die Musiker von "Kraftwerk". Desillusioniert und angeblich postmodern.