Susann Sitzler: "Väter und Töchter. Ein Beziehungsbuch"

Geprägt fürs Leben

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Cover des Buchs "Väter und Töchter. Ein Beziehungsbuch" von Susann Sitzler.
In ihrem neuen Buch schreibt die Journalistin Susann Sitzler auch über ihren eigenen Vater. © Deutschlandradio / Klett-Cotta
Von Günther Wessel |
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Vater und Tochter: Ihre Beziehung ist bereichernd, manchmal problematisch, herausfordernd. Und oft auch einfach nur schön. Darüber hat Susann Sitzler ein sehr persönliches wie auch psychologisch kluges Sachbuch geschrieben.
Abendessen gab es erst, wenn ihr Vater zu Hause war. Ein Faktum, das deutlich zeigt, um wen sich das Leben in Susann Sitzlers Familie drehte: um den Vater! Auch wenn er die meiste Zeit an diesem Leben nicht teilnahm, war er die oberste Autorität. Die Mutter blieb blass.
Der Vater bildete die Folie für Sitzlers Verhalten: Wichtig war, was ihm gefiel. Sie lernte, sich durch seine Augen zu sehen, dass für Mädchen andere Regeln galten als für Männer und andere Verhaltensweisen gewünscht waren. Als sie neun Jahre alt war, trennten sich die Eltern.
"Vaterentbehrung" nennt die Psychologie den Zustand, wenn durch die Trennung der Eltern oder den Tod des Vaters ein Kind keine verlässliche Beziehung zu diesem aufbauen kann. Dann fehlt mehr als nur ein konkreter Ansprechpartner, sondern ein Funktionsträger im Familiengefüge.
Das hat Folgen, auch körperliche: Untersuchungen belegen, dass Mädchen aus vaterlosen Haushalten früher in die Pubertät kommen.
Ist der Vater anwesend, dann ist die Pubertät, so schreibt Sitzler, Schwerstarbeit für ihn, weshalb sich viele Väter genau dann zurückziehen. Mitunter aus Unsicherheit, denn Väter müssen den sinnlichen Kontakt zur Tochter aufgeben, die Beziehung aber intensiv weiterführen.

Der Vater wird zum Sparringspartner

Der Vater wird zum Sparringspartner der Tochter, ermutigt sie, die Welt zu erobern. Muss sich von ihr emotional und intellektuell herausfordern lassen und darf den Kämpfen nicht ausweichen. Und er muss die Tochter gehen lassen und ihr gleichzeitig Sicherheit bieten.
Denn Mädchen, die den Stolz der Väter spüren, entwickeln ein besseres Selbstwertgefühl und suchen nicht überall Bestätigung, glauben Psychologen.
Susann Sitzler erzählt sehr offen aus ihrem Leben. Von ihren Irrwegen in Beziehungen, wie sie mit ihren Vätern – dem leiblichen Vater und ihrem Stiefvater – haderte und langsam lernte, diese auch aus ihrer Familiengeschichte heraus zu verstehen.
Sie interviewte Freunde und Bekannte, zitiert Studien und Forschende. Manches ist dabei redundant, doch ihr Buch ist toll erzählt, stellenweise höchst emotional, ohne in Kitsch oder Larmoyanz abzugleiten.

Psychologie des gemeinsamen Lebens

So ist dieses Buch viel mehr als nur eines über Väter und Töchter. Es ist eines über Eltern und Kinder, über die Psychologie des gemeinsamen Lebens. Ein Buch über das Wachsen und die Emanzipation vom Vater, über Geschlechtergerechtigkeit und eine Aufforderung, darüber nachzudenken, wie man als Vater oder als Tochter ist, was einen geprägt hat, wo blinde Stellen liegen und wie man sie überwinden kann.

Susann Sitzler: "Väter und Töchter. Ein Beziehungsbuch"
Klett-Cotta, Stuttgart 2021
306 Seiten, 20 Euro

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