Susannah Walker: "Was bleibt. Über die Dinge, die wir zurücklassen"
Übersetzt von Yamin von Rauch
Kein & Aber, Zürich 2018
432 Seiten, 24 Euro
Das Geheimnis der Gegenstände
Ihre Mutter ist verstorben. Zurück bleibt eine Wohnung voller Fotoalben, Kissen und Teekannen. Anhand der Gegenstände taucht Susannah Walker in die Welt ihrer Mutter ein. "Was bleibt" ist ein persönliches Buch über die Magie der Besitztümer.
"Der rote Glasvogel sitzt auf dem Regal hinter mir, wo er jetzt als Erinnerung an meine Mutter lebt", beginnt Susannah Walker ihr grandioses Buch über Dinge, die man zurücklässt, wenn man stirbt, und was sie für die Hinterbliebenen bedeuten. Der rote Vogel ist nur eins der unzähligen Dinge, die Patricia Gilmour besaß: Fotoalben, Kissen, Teekannen, Serviettenringe, Kochbücher. Immer tiefer taucht die Britin in das Leben ihrer Mutter anhand dieser zurückgelassenen Gegenstände ein, erzählt, wer die Mutter war, wie sie gelebt hat, was für eine Beziehung sie zu ihr, ihrer Tochter, hatte.
Schnell zeigt sich, dass Patricia Gilmour ein zutiefst unglücklicher Mensch war. Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war und folglich an den in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen scheitern musste. Kinder und Haushalt sind ihr lästig. Als ihr erstes Kind stirbt, bricht sie zusammen. Zu ihren Kindern, neben Susannah gibt es noch einen Sohn, baut sie keine echte Beziehung auf, leidet an einer postnatalen Depression.
Schnell zeigt sich, dass Patricia Gilmour ein zutiefst unglücklicher Mensch war. Eine Frau, die ihrer Zeit voraus war und folglich an den in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen scheitern musste. Kinder und Haushalt sind ihr lästig. Als ihr erstes Kind stirbt, bricht sie zusammen. Zu ihren Kindern, neben Susannah gibt es noch einen Sohn, baut sie keine echte Beziehung auf, leidet an einer postnatalen Depression.
Meine Mutter, die Fremde
Als ihre Ehe scheitert, Mitte der 1970er-Jahre, kommen die Kinder zum Vater und seiner neuen Frau. Susannah hat danach kaum noch Kontakt zu ihrer Mutter, die sich in folgenden Jahren immer tiefer eingräbt in ihrem Kummer und zur "Horterin" wird, zum Messie. Das Gerümpel diene solchen Menschen "häufig dem Zweck, Eindringlinge abzuwehren", schreibt Susannah Walker. Erfolgreich.
Susannah schreibt Briefe oder telefoniert nur gelegentlich mit dieser ihr fremden Mutter, der sie nie ähnlich sein wollte. Ihr ganzes Leben habe sie damit verbracht "zu beweisen, dass ich in jeder Hinsicht das ganze Gegenteil meiner Mutter bin, dass ich nichts von ihr geerbt habe, weder ihr Aussehen noch ihr Verhalten oder ihre Gedanken".
Eine wunderbare Reise in die Vergangenheit
Beim Ausräumen der Hinterlassenschaften aber merkt sie, dass "das einfach nicht wahr ist". Denn obwohl das Ausmaß der Verwahrlosung der Mutter erschreckend ist – Dielen brechen durch, die Bettwäsche ist seit Jahren nicht gewechselt worden, die Zimmer sind unbegehbar, schimmelig und dreckig – merkt Susannah, dass sie die Liebe zur Kunst, zu Museen und Flohmärkten von ihr geerbt haben muss.
Es ist eine wunderbare Reise in die Vergangenheit, auf die Susannah Walker einen mitnimmt. Zumal sie als Kuratorin einen tiefgreifenden Blick auf Gegenstände hat. Das gibt dem Buch eine besondere Tiefe und geht über die reine Beziehungsaufarbeitung hinaus. Sie erklärt, dass Menschen sich immer schon mit Objekten umgeben haben. Besitztümer, so Walker, haben ihre "eigene Magie", sie können "uns Kräfte verleihen, unser Leben verändern" und dabei "helfen, sich sicher zu fühlen".
Es ist eine wunderbare Reise in die Vergangenheit, auf die Susannah Walker einen mitnimmt. Zumal sie als Kuratorin einen tiefgreifenden Blick auf Gegenstände hat. Das gibt dem Buch eine besondere Tiefe und geht über die reine Beziehungsaufarbeitung hinaus. Sie erklärt, dass Menschen sich immer schon mit Objekten umgeben haben. Besitztümer, so Walker, haben ihre "eigene Magie", sie können "uns Kräfte verleihen, unser Leben verändern" und dabei "helfen, sich sicher zu fühlen".
Die Verehrung von Gegenständen
"Unsere Leben sind so mit unseren Besitztümern verwoben, dass diese schließlich zum Teil von uns werden", schreibt die Britin. Und nimmt ihre Leserinnen und Leser mit in die Welt der Museen. Wertvolle Waffen aus Jade, Grundsteinäxte aus Silber, Zepter, Ketten, Ringe – sie alle belegen, dass "lange vor der Erfindung der Schrift und des Geldes Gegenstände verehrt wurden". Und dass dem heute noch so ist, zeigt neben der Konsumgesellschaft auch der Blick auf zeitgenössische Kunst, wo alltägliche Gegenstände plötzlich in ein Kunstwerk verwandelt werden. Horter, wie Susannah Walkers Mutter, zwingen uns letztendlich dazu, über unsere eigene Irrationalität in Bezug auf Gegenstände nachzudenken.
Genau das macht dieses Buch so wertvoll. Nicht nur für Hinterbliebene, die den Nachlass von Verwandten sortieren müssen, sondern für all jene, die sich gerne mit Gegenständen umgeben. Denn Susannah Walker deckt nicht nur auch manche Geheimnisse ihrer Mutter auf, wie etwa deren verstorbenen Bruder, klärt ihre Beziehung zu dieser Frau und versöhnt sich mit ihr, sondern fordert jeden zur kritischen Bestandsaufnahme des eigenen Besitzes auf. Eine wunderbare, tiefgreifende Lektüre.
Genau das macht dieses Buch so wertvoll. Nicht nur für Hinterbliebene, die den Nachlass von Verwandten sortieren müssen, sondern für all jene, die sich gerne mit Gegenständen umgeben. Denn Susannah Walker deckt nicht nur auch manche Geheimnisse ihrer Mutter auf, wie etwa deren verstorbenen Bruder, klärt ihre Beziehung zu dieser Frau und versöhnt sich mit ihr, sondern fordert jeden zur kritischen Bestandsaufnahme des eigenen Besitzes auf. Eine wunderbare, tiefgreifende Lektüre.