Sven Pfizenmaier: "Draußen feiern die Leute"
© Verlag Kein und Aber
Mysteryroman aus der deutschen Provinz
05:40 Minuten
Sven Pfizenmaier
Draußen feiern die LeuteKein & Aber, Zürich 2022333 Seiten
24,00 Euro
Von Idylle ist in diesem niedersächsischen Dorf keine Spur: Die jungen Leute konsumieren viel Alkohol in Sven Pfizenmaiers Debütroman. Und drei von ihnen steigen sogar in den Drogenhandel ein.
Ein deutsches Dorf mit Volksbank und Kreisverkehr, einer Schule und einer Polizeistation. Den jungen Leuten wird hier nicht viel geboten, Hannover ist aber zum Glück nicht weit. Um eine Handvoll Teenager dreht sich dieser ungewöhnliche Debütroman, der von Ausgrenzung und Anpassung, von Liebessehnsucht und Familienbanden erzählt.
Drei Teenager, die nicht dazugehören
Im Zentrum stehen drei, die nicht richtig dazugehören zur Jugendclique. Timo zum Beispiel, der auch im Sommer dicke Pullover und Mütze trägt, weil sein Körper nicht ist, wie er sein sollte, der die Gliedmaßen einer Pflanze hat, „rankenartige Arme und Beine, blass grünliche Haut und orangegelbes Haar“.
Der 17-jährige Richard sieht zwar nicht auffällig aus, aber er wirkt auf seine Umwelt wie eine Beruhigungstablette, alle werden „vor Langeweile bewegungsunfähig, sobald Richard dazustößt. Manchmal verstummen sie einfach, manchmal lassen sie einfach ihre Kippen fallen und legen sich auf den Boden“.
Angepasste Russlanddeutsche
Und dann ist da noch Valerie, die Schläferin, die manchmal wochenlang nicht aus ihren Träumen aufwacht. Ihre Mutter hat sie immer wieder zu Ärzten geschleppt, nun soll ein Heiler helfen. Die Eltern sind Russlanddeutsche, wie viele in diesem Dorf.
Sie haben sich angepasst, wollten stets deutscher sein als die Deutschen, aber im selbst gebauten Häuschen gibt es nur Erinnerungsstücke und Bilder der alten Heimat. Wohin sie wirklich gehört, das weiß Valerie ebenso wenig wie drei andere Jungen, deren Eltern Russen sind. Sie sind ausgestiegen aus der ordentlichen Gesellschaft und steigen in den Drogenhandel ein.
Kriminalfall im Drogenhandel
An der Spitze dieses Geschäfts steht Rasputin, der nicht umsonst so heißt wie der berühmte russische Wanderprediger und, wie der Milliardär in dem Film „Cosmopolis“ von David Cronenberg, unablässig in seiner Limousine herum fährt. Er muss seine Spuren verwischen, darf sich nicht von der Polizei orten lassen.
Der 1991 in Celle geborene Autor entwirft ein ungewöhnliches Gesellschaftsporträt zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Fantasie und höchst realer Kriminalität. Drogen- und Menschenhandel spielen eine entscheidende Rolle in diesem Roman, der auch eine Kriminalgeschichte erzählt.
Verspielt, mutig und bildreich
Der Autor selber sagt, ihm sei es darum gegangen, Bilder für die emotionale und körperliche Entfremdung von Teenagern zu finden. Herausgekommen ist ein Debüt, das sich jedenfalls überraschend abhebt von selbstbespiegelnder Familienprosa, von Protagonisten, die sich ernster nehmen, als es ihr sprachliches Vermögen verdient.
Dieser Roman ist verspielt und mutig, seine Motive und Bilder zeugen von einem Autor, der offensichtlich ein großer Kinogänger ist – und schreiben kann.