"Mein Ziel ist die Perfektion"
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Einer der erfolgreichsten Musiker der Swing–Ära war der Klarinettist Artie Shaw. Aber auch auf dem Höhepunkt seines Erfolges blieb er immer ein Fragender und Suchender. Er wandte sich der Klassik zu und versuchte sich auch als Schriftsteller.
Artie Shaw singt auf der Klarinette eine Melodie, die das Herz berührt: "Begin the Beguine". Dieser Song machte ihn kurz vor dem Zweiten Weltkrieg auf einen Schlag berühmt.
König der Swing-Klarinette
Artie Shaw, am 23. Mai 1910 als Arthur Jacob Arshawsky, Sohn ostjüdischer Einwanderer, im US-Bundesstaat Connecticut geboren, wird im Alter von 28 Jahren zum "King of the clarinet" erkoren. Er hatte das gewisse Etwas: Neben technischer Perfektion und einer überwältigenden Musikalität, gewann Artie Shaw mit seinem Charme und seinem attraktiven Aussehen das Publikum für sich.
Nur zehn Jahre früher wäre es unvorstellbar gewesen, dass die Klarinette derart im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen würde. Doch in den 1930er-Jahren wurde der Swing zur Popmusik des Tages.
Arnold Schönberg, der 1933 mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten emigrierte, erkannte zwar sehr früh das Potenzial der Klarinette, erklärte aber noch 1924, dass es dem Instrument im Gegensatz zur Geige an Vielseitigkeit mangeln würde: "Von den Bläsern sind es einzig und allein die Klarinette und das Horn, denen man nach ihrem gegenwärtigen Zustand ein günstiges Prognostikon stellen kann. Die Klarinette ist fast so vollkommen wie die Geige (wenn auch nicht so vielseitig). Ihr fehlen nur wenige Griffe und ein schönes Staccato."
Breite Palette verschiedenster Farben
Artie Shaw entdeckte die Klarinette, nachdem er zunächst als Studiomusiker Altsaxophon gespielt hatte. Er perfektionierte seine Spielweise und verlangte sich und dem Instrument das Höchste ab. Shaw begeisterte mit Effekten auf der Klarinette, die keiner zuvor zustande gebracht hatte. Sein Glissando über mehrere Oktaven, sein voller Ton, der eine breite Palette verschiedenster Farben kannte, und die Treffsicherheit seiner hohen Töne waren weltberühmt.
Doch Artie Shaw revolutionierte nicht nur die Klarinettentechnik, sein Hang zum Außergewöhnlichen zeigte sich auch in seinen Band-Arrangements für Streichquartett und Rhythmusgruppe ohne Klavier. Seine Vorliebe für Kammermusik und seine Wissbegier führten ihn schließlich zum privaten Studium der klassischen Klarinettenliteratur. Er verehrte Debussy und Ravel und lernte die Musik von Igor Strawinsky und Arnold Schönberg kennen.
Auf seinen Tourneen entlang der Westküste traf Artie Shaw in Los Angeles nicht nur auf Hollywood-Filmstars, wie seine zukünftige Frau Ava Gardner, sondern auch auf jene europäischen Künstler, Schriftsteller und Komponisten, die dorthin emigriert waren. Darunter Kurt Weill, Hanns Eisler und Arnold Schönberg.
Nuria Schoenberg Nono erinnert sich an das erste Treffen zwischen Artie Shaw und ihrem Vater Arnold Schönberg, das für beide zu einer wichtigen Begegnung werden sollte.
"Als mein Vater Artie Shaw kennenlernte, in diesem Strandhaus von Hanns Eisler, sagte Artie: 'Na, sie müssen hübsch reich sein, es haben ja alle ihre Platten'. Und dann sagte mein Vater: 'Nein, im Gegenteil, ich bekomme nicht einmal das Geld für das, was in Amerika gut verkauft wird.' Und zufällig war das eben auch die Plattengesellschaft, wo Artie Shaw seine Jazz-Platten herausgegeben hatte. Und da er zu der Zeit einer der berühmtesten Jazz-Musiker war, man sagte, er verdiente 60.000 Dollar in der Woche, hat er gesagt, 'kein Problem, ich spreche mit den Leuten'. Und hat tatsächlich garantiert für dieses Geld. Das Gute daran ist, dass mein Vater dann doch etwas bekommen hat. Und das war sehr wichtig, weil wir wirklich nicht sehr viel Geld gehabt haben."
Doch trotz seiner großen Erfolge und des hohen Ansehens war Artie Shaw unzufrieden. Die ewige Rastlosigkeit, die vielen Auftritte, der Zeitmangel bei Plattenaufnahmen und das Unverständnis der Zuhörer, die immer wieder dieselben Hits hören wollten, Shaw empfand all dies als große Belastung. Er zog aus seiner Unzufriedenheit persönliche Konsequenzen. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere kehrte er dem Showbusiness den Rücken und widmete sich seiner stillen Leidenschaft, der Literatur, mit keinem geringeren Ziel, als Schriftsteller zu werden.
Und dabei sollte es nicht bleiben. Schon kurze Zeit später kribbelte es ihm wieder in den Fingern und er packte erneut seine Klarinette aus. Artie Shaw wollte mehr als der "König der Swing-Klarinette" sein und widmete sich von nun an der klassischen Musik.
Nuria Schoenberg Nono über den entscheidenden Impuls, der Artie Shaw zurück auf die Bühne holte: "Er wollte, dass das eine Musik wird, der man zuhört, nicht zu der man tanzt. Das hat ihn so geärgert, wenn die Leute da herumtanzten und nicht seiner Musik wirklich zuhörten, und es praktisch nur der Rhythmus war, der sie interessierte."
"Einfach Konzertmusik"
Artie Shaw stellte sich neuen Herausforderungen: Er nahm sich vor, seinen Klarinettenton zu ändern, um den Ansprüchen des klassischen Repertoires gerecht zu werden. Kategorien wie Klassische Musik oder Jazz lehnte Shaw ab.
Das "Concerto for Clarinet" und andere Kompositionen von Artie Shaw kamen beim amerikanischen Publikum weiterhin gut an. Doch seine klassischen Aufnahmen wollte niemand hören. Die wenigen erhaltenen Einspielungen sind heute Sammler-Raritäten. 1954 – nach zwanzig Jahren erfolgreicher Karriere – setzte Artie Shaw endgültig einen Schlussstrich und gab das Klarinettenspiel ganz auf.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Shaw mehr als 400 Aufnahmen eingespielt, über 65 Millionen Platten verkauft und sein erstes Buch veröffentlicht: "The trouble with Cinderella – Der Ärger mit Aschenputtel". Teils Autobiographie, teils Roman, ist das Buch eine Abrechnung mit dem amerikanischen Erfolgsmythos, der ihn zum Millionär gemacht und unter dem er dennoch gelitten hatte.