"Es gibt eine ganz neue Wahrnehmung der DDR-Architektur"
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Nach dem Mauerfall wurden Kunstwerke der DDR an Fassaden und in öffentlichen Räumen häufig abgerissen. Doch mit dem zeitlichen Abstand zum Ende der DDR wächst das Interesse von Bürgern und Architekten, diese Arbeiten zu erhalten.
Ab 1952 begann die DDR, die Kunst am Bau zu fördern: Bis zu zwei Prozent der Bausumme von Verwaltungs-, Kultur- und Sozialbauten sollte für die künstlerische Ausgestaltung verwendet werden. Gefordert wurde, dass die Kunstwerke eine entsprechende Stilistik aufweisen sollten, die als "sozialistischer Realismus" in die Geschichte eingegangen ist. Ein vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) veranstaltetes Symposium hat sich nun mit der "Kunst am Bau in der DDR" beschäftigt.
Der Andrang zur Veranstaltung in der Berliner Akademie der Künste sei überwältigend gewesen, sagt Arnold Bartetzky, Kunsthistoriker und Architekturkritiker, der das Symposium moderierte. Das sei erstaunlich, meint Bartetzky. "Noch vor zehn Jahren ein absolutes Nischenthema, ein echter Exot. Und jetzt gibt es eine ganz neue Wahrnehmung der DDR-Architektur."
Bürgerinitiativen zur Rettung von Wandmosaiken
Dieses neue Interesse habe auch mit dem zeitlichen Abstand zur DDR zu tun. Vor allem Künstler und Architekten aus der jüngeren Generation könne sich für diese Hinterlassenschaften begeistern. Aber es gebe auch Bürgerinitiativen von Bewohnern von Plattenbau-Vierteln, die sich für die Rettung von Wandmosaiken einsetzten.
Zur Kunst am Bau in der DDR hätten Verkleidungen von Gebäuden mit Aluminiumelementen und Betonformsteine ebenso gehört, wie figürliche und freistehende Skulpturen oder Wandmalereien und Wandmosaike. Anfangs wären diese Kunstwerke im öffentlichen Raum Propagandabilder gewesen, die das Glück der Werktätigen und Bauern in der DDR vorführen sollten oder die Helden des Marxismus feierten.
Im Laufe der Zeit wären die Werke dann immer weniger politischer geworden. So sei ein größerer Teil dieser Kunstwerke nicht in einem engeren Sinne ideologisch belastet.
Nische für die abstrakte Kunst
Es gebe oft Gefälliges, sagt Bartetzky, mit Tieren und Menschen, und viele abstrakte Werke. "Die Kunst am Bau in der DDR war vielleicht auch so etwas wie eine Nische für die abstrakte Kunst." Ideologisch belastete Kunstwerke seien eher die Ausnahme.
"Es gibt aber zum Beispiel auch eine hochideologische Bildausstattung im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR." Dieses sei in den 90er- oder 2000er-Jahren mustergültig saniert worden. "Da ist interessanterweise die Ausstattung erhalten worden." Es ist heute der Sitz einer elitären Management-Hochschule, "die sich mit diesen Bildwerken umgibt, die sich dort erhalten haben".
"Es gab in den 90er-Jahren eine starke Tendenz, die ideologisch heute nicht vertretbaren Kunstwerke abzuräumen", so Bartetzky. Heutzutage seien diese Kunstwerke vor allem durch Vandalismus und Verfall bedroht. "Bei vielen Arbeiten handelt es sich um Werke im Stadtraum, die sich in Parks und auf Plätzen befinden. Es ist ein starkes konservatorisches, denkmalpflegerisches Problem."
Planung ohne Behinderung durch privates Eigentum
Im Gegensatz zur Kunst am Bau der westdeutschen Bundesrepublik habe diese in der DDR einen größeren künstlerischen Anspruch gehabt. "Sie hatten eine größere Bedeutung, weil sie eingebunden waren in eine ganzheitliche Planung. Die DDR hatte die Möglichkeit, Stadträume ganzheitlich zu planen, weil sie sich nicht herumschlagen musste mit Privateigentümern. In der DDR hatte man die Möglichkeit zu konzipieren, was die Kunst für eine Rolle spielt, etwa in einem neu entstandenen Plattenbaugebiet." Dieser Ansatz der ganzheitlichen Planung habe immer noch eine gewisse Gültigkeit und werde auch heute von Stadtplanern und Architekten diskutiert.
(mle)