Symposium zum NSU-Terror in Hamburg

Von Rassismus Betroffene in Gedenken einbeziehen

06:16 Minuten
Demonstranten halten bei einer Kundgebung in München Schilder mit Porträts der NSU-Opfer.
"Kein Schlussstrich", forderten diese Demonstranten in München 2018, nachdem der NSU-Prozess mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen war. © picture alliance / dpa | Lino Mirgeler
Von Axel Schröder |
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Vor zehn Jahren wurde bekannt, was Angehörige der NSU-Opfer schon lange ahnten: Die Täter waren rechtsextreme Rassisten. Auf die Betroffenen wurde damals nicht gehört. Das muss sich ändern, fordern sie auf einem Symposium auf Kampnagel in Hamburg.
Als Elke Heidenreich neulich bei Markus Lanz erklärte, sie frage einen Taxifahrer natürlich danach, wo er herkomme, mit Rassismus habe das gar nichts zu tun, da brodelte es auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken. Die einen beklagten eine rassistische Denke bei Heidenreich, die anderen nahmen sie in Schutz.
Aber auch wenn Elke Heidenreich vielleicht nur aus nett gemeinter Neugierde bei Taxifahrern, bei ihrem Klischee für Ausländer, nach der Herkunft fragt, gibt es jede Menge Menschen, die diese Fragen einfach nicht mehr hören können.

"Ist doch scheißegal, wo jemand herkommt"

"Täglich fragt mich jemand: 'Woher kommst du?' Ich habe keinen Bock drauf, darauf zu antworten, wo ich herkomme, wo mein Ursprung ist. Ich bin hier, ich lebe hier. Heimat ist für mich ein Gefühl und kein Land. Ich fühle mich hier wohl, also ist Deutschland meine Heimat. Und vor allem: Ist doch scheißegal, wo jemand herkommt."
Ibrahim Arslan war sieben Jahre alt, als das Möllner Wohnhaus seiner Familie von Rechtsextremisten angesteckt wurde. Seine Schwester, die Oma und eine Cousine starben in den Flammen. Neun Menschen wurden bei den Anschlägen schwer verletzt.
Schon bald nach dem Mordanschlag hat er sich dafür eingesetzt, dass das Gedenken an die Tat vor allem Sache der Opfer, der Angehörigen und nicht die der Stadt ist. Die legt zwar zu den Jahrestagen immer einen Gedenkkranz in der Möllner Mühlenstraße 9 nieder, verweigere sich aber dem eigentlichen Anliegen der Überlebenden, sagt Ibrahim Arslan.

"Wir wollen über Rassismus sprechen"

"Wir wollen über Rassismus sprechen, wir wollen Rassismus benennen bei unserer Gedenkveranstaltung", sagt er. "Denn darum geht es. Und wir wollen die Betroffenen einbeziehen. Und das möchte eine staatliche Institution nicht. Sie haben Angst gehabt, dass ihr idyllisches Gedenken dadurch gestört wird."
In der Kulturfabrik Kampnagel wurde in gleich zwei Diskussionsrunden, eine davon mit Ibrahim Arslan, über "Rassismus" gesprochen. Nicht abstrakt, nicht akademisch, sondern mit klaren Worten von Menschen, die rassistische Gewalt erlebt und erlitten haben.
Kuratiert hat das Kampnagel-Programm die Soziologin und Künstlerin Jacqueline Saki Aslan. Sie hat es geschafft, Menschen nach Hamburg einzuladen, die Angehörige durch rassistische Anschläge verloren haben, die bereit sind, darüber zu reden.
"Ich bin total ehrfürchtig", sagt sie, "dass uns dieses Vertrauen entgegengebracht worden ist, dass Menschen, die seit Jahrzehnten teilweise immer wieder durch so einen Schmerz gehen, um über das zu sprechen, was ihnen widerfahren ist oder was sie in ihrem Umfeld erlebt haben, was sie verloren haben, sich dazu bereit erklärt haben zu kommen."

Mittagessen mit Merkel reicht nicht

Wie tief rassistische Verbrechen sich einprägen und belasten können, hat die Kuratorin selbst erlebt: "Genau zu wissen, dass ich als Kind Angst davor hatte, dass unser Haus brennen könnte. Das fällt dir dann 20 Jahre später wieder ein. Und du denkst: Ach so, stimmt, weil die Anschläge nicht an mir vorbeigezogen sind, als ich klein war."
Neben Ibrahim Arslan erzählte auf Kampnagel auch Candan Özer von ihrer Arbeit als Bildungsaktivistin. Ihr Mann Attila starb an den Spätfolgen einer NSU-Bombe in der Kölner Keupstraße. Sie hält staatlich organisierte Gedenkveranstaltungen für reine Show. Das Mittagessen, zu dem Angela Merkel sie ins Reichstagsgebäude eingeladen hatte, ändere nichts daran, dass Deutschland beim Kampf gegen Rassismus versage, so Candan Özer.
Und die Soziologin Ceren Türkmen von der Initiative "Duisburg 1984" machte klar, dass rassistische Morde nicht erst im Deutschland der 90er-Jahre verübt wurden, sondern viel früher: Schon in den 80er- und sogar 70er-Jahren fing das Morden an.

Guter Journalismus ist divers

Wie Medien das Thema behandeln sollten, darüber diskutierten Ali Yildirim von der Bildungsinitiative Ferhat Unvar aus Hanau und die Journalistin Nabila Abdel Aziz. Sie sagt:
"Wenn wir homogene Redaktionen haben, führt das auch dazu, dass über bestimmte Realitäten in Deutschland einfach nicht berichtet wird, weil nur bestimmte Menschen darin Einblick haben. Wer nicht selbst von Rassismus oder Antisemitismus betroffen ist, weiß nicht, wie groß das Problem ist oder welche Ausmaße es hat. Bei Sexismus ist es das Gleiche. Deswegen brauchen wir für einen guten Journalismus diverse Redaktionen."
Einigkeit herrschte in der Kulturfabrik Kampnagel darüber: Es tut sich was im deutschen Diskurs über rassistische Gewalt, über strukturellen Rassismus. Auch in Zeiten, in denen immer neue rechtsextreme Netzwerke entdeckt werden bei der Polizei oder in der Bundeswehr.
Große Hoffnung, dass das eigene Engagement gegen Rassismus diesen auch noch zu Lebzeiten überwinden könnte, diese Hoffnung macht sich Kuratorin Jacqueline Saki Aslan nicht: "Man denkt schon über seine Kinder, seine Kinderkinder nach und denkt schon darüber nach, dass das erstmal nicht mehr aufhören wird."
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