Die Hölle wird immer schwärzer
Dass die Terrormiliz IS in das Flüchtlingslager Jarmuk in Syriens Hauptstadt Damaskus eingedrungen ist, spielt Machthaber Assad in die Hände, kommentiert Sabine Rossi. Dieser hatte vor Terroristen im Land gewarnt und kann sich nun als kleineres Übel präsentieren.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat das Flüchtlingslager Jarmuk als das "schwärzestes Loch der Hölle" bezeichnet. Das Stadtviertel im Süden von Damaskus gleiche einem "Todeslager". Doch das gilt nicht erst, seit die Extremisten des selbst ernannten "Islamischen Staats" vor gut einer Woche erstmals nach Jarmuk eingedrungen sind. Seitdem ist das "schwärzeste Loch der Hölle" nur noch etwas schwärzer geworden.
Der Appell von Ban Ki Moon wirkt hilflos, und er hinterlässt einen faden Beigeschmack. Er wird verhallen – ungehört, wie all die Appelle der vergangenen Jahre. Denn Assad ist nicht bereit einzulenken. Er nimmt es hin, dass die Hälfte seiner Bürger auf der Flucht ist. Er ist bereit, die Menschen in Syrien für seine Macht zu opfern. Die Mehrzahl der Toten geht auf das Konto seiner Soldaten sowie der Milizen und Söldner, die er entsendet oder seine Verbündeten Iran und die libanesische Hisbollah.
Menschenrechtler schätzen, dass 95 Prozent der Toten in Syrien durch Bomben des Regimes getötet wurden und nicht durch das Schwert der Islamisten. Bilder aus Aleppo, wo die syrische Armee regelmäßig ganze Viertel aus der Luft beschießt, schaffen es nur nicht mehr in unsere Wahrnehmung. Journalisten oder internationale Beobachter, die Aufnahmen machen könnten, kommen nur selten an solche Orte. Und während der IS seine Enthauptungsvideos im Internet verbreitet, hat Assad seine Medienabteilung angehalten, Normalität zu propagieren. Erst gestern zeigte die syrische Nachrichtenagentur SANA Bilder einer französischen Reisegruppe, die zurzeit in Syrien Urlaub macht.
Assad hat den IS groß werden lassen
Der internationale Aufschrei angesichts von Assads Morden bleibt also aus. Traurig und beschämend ist es, dass die internationale Gemeinschaft jede Möglichkeit verpasst hat, dem Leiden der Menschen in Syrien ein Ende zu bereiten. Hilflos stehe ich Syrern gegenüber, wenn sie mich fragen: Warum habt ihr uns allein gelassen?
Assad hat von Anfang an auf die Terrorismus-Karte gesetzt: Er hat das Gespenst gemalt, lange bevor es Wirklichkeit wurde. Seit seinem Amtsantritt warnt er vor der Gefahr von Terroristen in Syrien. Als die Proteste gegen ihn 2011 begannen, hat er diese Gefahr zum Vorwand genommen, um gegen Demonstranten vorzugehen. Gruppen wie den IS hat er gezielt groß werden lassen. Sein Kalkül: Sie erledigen die Arbeit für ihn und schwächen andere, moderatere Gegner. Bislang ist diese Taktik aufgegangen. Auch in Jarmuk wird sie aufgehen. Jetzt kann sich Assad der Welt als Alternative zu den Terroristen präsentieren, als kleineres Übel. Und ich schaue betreten zu Boden, wenn ich in die fragenden Augen der Syrer blicke: Warum habt ihr uns allein gelassen?