Syrien-Krieg

Militärisch einmischen - zum Schutz von Zivilisten

Ein Syrer rettet einen scheinbar leblosen Körper aus einem Haus nach einem Fassbomben-Angriff durch die syrische Armee in Aleppo.
Ein Syrer rettet einen anscheinend leblosen Körper aus einem Haus nach einem Fassbomben-Angriff durch die syrische Armee in Aleppo. © AFP / Tamer Al-Halabi
Von Kristin Helberg |
Wer den IS in Syrien bekämpft, aber Assads Verbrechen ignoriert, produziert nur immer wieder neuen Terror, meint Kristin Helberg. Es sei höchste Zeit für einen Strategiewechsel des Westens zum Schutz der Zivilisten – notfalls auch mit Militäreinsätzen gegen Assads Truppen.
Der Himmel über Syrien ist voller Kampfjets. Sie alle fliegen, um zu töten. Kein einziges Flugzeug kommt, um die Menschen zu beschützen. Amerikaner, Briten und Franzosen bekämpfen in Syrien mit deutscher Unterstützung den IS und treffen dabei auch gelegentlich Zivilisten. Russland und die syrische Regierung bombardieren alle, die gegen Assad aufbegehren und treffen dabei vor allem Zivilisten. Sollten wir also alle abziehen? Nach Hause fliegen und die Syrer sich selbst und damit Assad überlassen? Nein. Wir sollten mit unserem Engagement Zivilisten retten.

Strategie des Westens ist verlogen

Unsere militärische Einmischung in Syrien hat bislang fatale Folgen. Denn die Strategie des Westens, den IS zu bekämpfen und die Verbrechen Assads zu ignorieren, produziert täglich mehr Terroristen. Nebenbei verraten wir unsere Prinzipien. Denn während wir den Terror des IS ohne UN-Mandat bekämpfen, bestehen wir auf ein solches für den Schutz von Zivilisten. Finden wir es wirklich in Ordnung, ohne Zustimmung des Weltsicherheitsrates in einem anderen Land zu bombardieren, aber nicht, die Menschen in diesem Land vor Bomben zu schützen? Wie verlogen. Was wir bei Kriegsverbrechen wie in Syrien brauchen, ist eine neue Handlungsmaxime. Einmischen ja, zur Not auch militärisch – aber nicht für eigene Machtinteressen, nicht für Öl und nicht zum Sturz von Regimen, sondern ausschließlich zum Schutz von Zivilisten vor Ort.

Bombenverbot für Helikopter

Den Syrern würde aktuell Folgendes helfen: Erstens ein Bombenverbot für Helikopter, um den Abwurf von Fassbomben zu verhindern. Sie sind als willkürliche Waffen international durch UN-Resolutionen geächtet. Da nur Assads Hubschrauber Fassbomben auf Wohngebiete werfen, träfe ein solches Mini-Verbot auch nur das Regime, nicht Russland. Sollte sich Moskau nicht beteiligen, müssten Europäer und Amerikaner es einseitig umsetzen. Der über Rebellengebiet fliegende Hubschrauberpilot würde mehrfach gewarnt, wirft er die Fässer trotzdem ab, würde er abgeschossen – etwa von einem Flugzeugträger im Mittelmeer aus. Eine Konfrontation mit Russland erscheint in diesem Fall unwahrscheinlich. Wegen eines abgeschossenen syrischen Helikopters wird Putin keinen französischen Kampfjet ins Visier nehmen. Aber Assad wird zögern, weitere Hubschrauber mit Fassbomben loszuschicken.
Was nach militärischer Eskalation klingt, wäre in Wirklichkeit der erste Schritt heraus aus der Spirale der Gewalt. Denn sobald der Beschuss von Zivilisten spürbare Folgen hätte, müsste Assad seine Ergebt-Euch-oder-sterbt-Strategie überdenken.

UN sollten ihre Mittel nach humanitären Kriterien verteilen

Zweitens sollten die Vereinten Nationen nicht nur dort helfen, wo Assad sie lässt, sondern auch dort, wo Hilfsgüter am dringendsten gebraucht werden: in den vom Regime abgeriegelten und ausgehungerten Gebieten. Statt monatelang vergeblich auf Genehmigungen für Konvois zu warten, sollten die UN ihre Mittel nach humanitären Kriterien verteilen: ein bestimmter Prozentsatz für die belagerten Orte, ein Teil für die von Assad kontrollierten und ein weiterer Teil für die Rebellen-Gebiete. Ausbezahlt und ausgeliefert würde nur gleichzeitig. Das bedeutet, erst wenn jede Woche Konvois in die oppositionellen Vororte von Damaskus rollten, bekäme das Regime die nächsten Millionen für die eigenen Hilfsprogramme. Das ist nicht zynisch, sondern die einzige Chance, die humanitäre Hilfe in Syrien der politischen Einflussnahme zu entziehen und alle Not leidenden Menschen zu erreichen.

Gezielte Sanktionen gegen Russlands Führung

Drittens braucht es Russland gegenüber Sanktionen. Keine allgemeinen Wirtschaftssanktionen, die stets die Falschen treffen, sondern gezielte Sanktionen gegen russische Staatsbürger, die Verantwortung für die Kriegsführung in Syrien tragen. Daneben sollten russische Rüstungskonzerne, deren Waffen in Syrien zum Einsatz kommen, mit einem Boykott belegt werden. Dann müsste Putin kalkulieren, welchen Preis er für die Unterstützung Assads bereit ist zu bezahlen, schließlich kostet seine Syrien-Intervention Milliarden, die Russland gar nicht hat.
Ohne ausländische Hilfe wäre Assad jedoch weder in der Lage, Gebiete zurückzuerobern noch, diese unter seiner Kontrolle zu halten. Eine solche Syrien-Politik der Nadelstiche – Bombenverbot für Helikopter, Versorgung belagerter Zivilisten, Sanktionen gegen die russische Führung – würde den dringend benötigten Druck herstellen, der alle Kriegsparteien am Ende an den Verhandlungstisch treibt. Indem wir Zivilisten schützen und versorgen, könnten wir die Voraussetzungen für einen geordneten Machtwechsel schaffen, ohne den Syrien keinen Frieden finden wird.

Kristin Helberg berichtete von 2001 bis 2008 für die ARD, den ORF, das Schweizer Radio DRS und das Schweizer Fernsehen aus Damaskus. Heute lebt die Journalistin, Buchautorin und Nahostexpertin in Berlin.

© Jan Kulke
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