Syrien-Krieg

Westlicher Terror im Namen des Friedens

Eine unbemannte Kampfdrohne der US-Air-Force
Eine unbemannte Kampfdrohne der US-Air-Force © dpa picture alliance / Tsgt Effrain Lopez
Von Emran Feroz |
Trotz der Friedensgespräche in Genf geht der Krieg in Syrien unvermindert weiter. Auch die Anti-IS-Koalition tötet dabei regelmäßig Zivilisten. Deren Einsätze nehmen die Menschen vor Ort nicht als Befreiung wahr, sondern als Terror, meint Emran Feroz.
US-amerikanische Drohnen über den Himmel von al-Jinah, einem kleinen Dorf nahe Aleppos, es ist der 16. März dieses Jahres. Die Piloten und Operatoren der unbemannten Flugzeuge haben eine Moschee im Visier. Sie entscheiden sich für die Vernichtung und drücken ab. Sieben Hellfire-Raketen treffen das Gebäude. Augenzeugen zufolge werden mindestens 38 Menschen – allesamt Zivilisten – getötet.
Doch das Pentagon will davon nichts wissen. Laut US-Offiziellen war ein "Al-Qaida-Treffen" das Ziel des Angriffs. Demzufolge wurden hauptsächlich "Terroristen" getötet. Von maximal einem zivilen Opfer – "womöglich einem Kind" – ist im Bericht der US-Regierung die Rede. Das US-Militär hatte weder den Tatort besucht noch andere Untersuchungen vor Ort eingeleitet. Wie gewohnt ist man dort ein weiteres Mal der Meinung, im Recht gewesen zu sein und richtig gehandelt zu haben.

"Kollateralschäden" der Anti-IS-Koalition

Diese Haltung des US-Militärs ist keine Ausnahme, sondern mittlerweile die Regel. Seitdem der Kampf gegen den IS im Irak und in Syrien begonnen hat, tötet die Anti-IS-Koalition regelmäßig Zivilisten. Medial gerät das Ausmaß dieser sogenannten "Kollateralschäden" oftmals in den Hintergrund, während westliche Politiker weiterhin vom vermeintlich gerechten und notwendigen "Kampf gegen den Terror" schwadronieren. Ironischerweise wird in diesem Kontext oftmals Russland kritisiert, welches in Syrien ebenfalls militärisch interveniert und dabei genauso brutal vorgeht. "An der Seite von Assad tötet Russland Zivilisten, wir nicht", so der Tenor.
Doch dass der Westen nicht besser als Putin ist, wurde im vergangenen Monat deutlich, als die von den USA angeführte Koalition mindestens 500 Zivilisten in Syrien zu Tode bombardiert hat. Laut der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte handelt es sich dabei um die höchste Anzahl von zivilen Opfern, die von der Koalition innerhalb eines Monats verursacht wurde. Beobachtern zufolge hat der Westen in Syrien in diesem Zeitraum mehr Menschen getötet als Russland, die Armee Bashar al Assads sowie der IS zusammen.

Terror gegen Terror

Ob irgendeiner von all diesen Akteuren bald aufhört zu töten, wird sich zeigen. Denn heute beginnt die Wiederaufnahme der Friedensgespräche in Genf an, der zu Recht pessimistisch entgegen gesehen wird. Denn nicht nur die Konfliktparteien innerhalb Syriens müssen die Waffen niederlegen, auch der Westen müsste aufhören, mit seinen Bomben im Namen einer angeblichen Friedensmission Terror auszuüben.
Schwindelerregend sind die Zahlen rund um den Anti-IS-Kampf, den die USA vor knapp drei Jahren ausgerufen haben, ohnehin. In weit mehr als 20.000 Luftangriffen wurden seither über 80.000 Bomben über Syrien abgeworfen. Sie haben 4.300 Zivilisten das Leben geraubt. Mindestens.

In Syrien gibt es keine guten Bomben

So abstrakt diese Zahlen auch klingen, für die Menschen in Syrien sind die eine ganz reale Hölle. Jeden Tag erleben sie, wie im Namen des Kampfes gegen den Terror Moscheen, Schulen und Krankenhäuser bombardiert werden. Doch während im Weißen Haus, in Berlin und in vielen Medienhäusern weiterhin so getan wird, als gebe es gute und schlechte Bomben, wird vor Ort nicht unterschieden. Russische und amerikanische Bomben haben allesamt dieselben Folgen: Sie töten und zerstören – und verbreiten Angst und Terror.

Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz publiziert in deutsch- und englischsprachigen Medien.

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