Syrien

Mogl: Waffen dürfen nicht mehr zum Einsatz kommen

Stefan Mogl im Gespräch mit Marietta Schwarz · 15.11.2013
Die UN-Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) berät heute über ihr weiteres Vorgehen bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Experte Stefan Mogl sieht in dem engen Zeitplan für die Vernichtung der gefährlichen Stoffe in Syrien vor allem eine Chance.
Die UN-Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) berät heute über ihr weiteres Vorgehen bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Der Chemiewaffen-Experte Stefan Mogl sieht in dem engen Zeitplan für die Vernichtung der gefährlichen Stoffe in Syrien vor allem eine Chance, diese möglichst schnell aus dem Bürgerkriegsland herauszubekommen.
Marietta Schwarz: Bis Ende Juni nächsten Jahres sollen Syriens Chemiewaffen vollständig vernichtet werden, so verlangt es die im September verabschiedete UN-Resolution. Wie und wo das geschehen soll, ist aber bislang noch offen. Die USA haben bereits mehrere potenzielle Zielländer angefragt, doch die können, wollen oder dürfen die über 1000 Tonnen mit zum Teil hoch giftigen Substanzen gar nicht entsorgen. Momentan soll es Albanien richten. Das Land hat immerhin vor einigen Jahren sein eigenes Waffenarsenal vollständig zerstört, dort mehren sich aber auch Proteste gegen das Vorhaben. Die gerade mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation für das Verbot von Chemiewaffen OPCW berät heute über das weitere Vorgehen. Und am Telefon ist Stefan Mogl, früherer Chemiewaffeninspekteur und wissenschaftlicher Berater der OPCW. Guten Morgen, Herr Mogl!
Stefan Mogl: Guten Morgen!
Schwarz: Bleiben wir doch zunächst mal bei Albanien. Herr Mogl, ist das Land in der Lage, die syrischen Chemiewaffen zu entsorgen?
Mogl: Ja, das ist eine schwierige Frage, die ich nicht so einfach beurteilen kann. Ich gehe davon aus, dass man jetzt vor allem einen Standort sucht, wo man die Waffen hintransportieren kann, und dass nachher mithilfe von verschiedenen Experten dann dort die Vernichtung auch vollzogen werden soll.
Schwarz: Was muss denn ein solcher Standort leisten? Es sind ja auch andere Länder im Gespräch gewesen.
Mogl: Ich glaube, man muss dabei berücksichtigen, von was man genau ausgeht. Bei Syrien wird ja immer noch, gehen wir davon aus, dass ein Großteil der Chemiewaffen eigentlich Vorläuferchemikalien sind. Das heißt, der Kampfstoff wurde noch nicht bis zum Letzten synthetisch hergestellt und dass es sich halt bei diesen Chemikalien dann schon um toxische handelt, aber dass die nicht ganz so gefährlich sind, wie wenn man es mit dem reinen Kampfstoff zu tun hätte.
Schwarz: Aber es sind auch sehr gefährliche Stoffe dabei wie Senfgas oder Sarin.
Mogl: Ja, man spricht davon, dass sicher auch Senfgas dabei ist. Das sind gefährliche Stoffe, die man auch mit der entsprechenden Vorsicht behandeln muss. Ich denke, die Schwierigkeit ist wahrscheinlich eher der Zeitplan, in welcher kurzen Frist das gemacht werden soll.
Schwarz: Aber warum hat man denn den Zeitplan überhaupt so knapp gesteckt? Das gab es ja noch nie, dass in einem Land innerhalb von einem halben Jahr oder einem Jahr oder zwei Jahren Chemiewaffen vernichtet worden sind, Beispiel Irak oder Libyen!
Mogl: Das ist sicher richtig. Ich denke, der Grund des engen Zeitplans, den man gefasst hat, ist, man wollte sicherstellen, dass die chemischen Waffen in Syrien nicht mehr zum Einsatz kommen. Und es scheint mir auch wichtig, dass man hier den Fokus nicht verliert. Zentral ist sicher, dass man all das macht, was nötig ist, dass diese Waffen nicht mehr zum Einsatz kommen können, sprich, sie stehen in Syrien nicht mehr zur Verfügung. Ob die, wenn die dann mal weggebracht sind, genau bis zu einem bestimmten Zeitpunkt alle vernichtet sind oder nicht, wird ja dann eigentlich weniger eine Rolle spielen, zumindest aus meiner Sicht.
Schwarz: Das bedeutet, Sie würden denken, dass die Chemiewaffen im Land bleiben und dort unschädlich gemacht werden erst mal?
Mogl: Nein, nein, ich denke, wenn man die Waffen jetzt, wie vorgeschlagen, außer Landes bringt und die dann an einem anderen Standort hat, dann sollte man sich nicht unbedingt zu fest an diesen Timelines festhalten, auch wenn die wichtig sind, damit das Projekt schnell vorwärts geht. Entscheidend ist, dass die Waffen in Syrien nicht mehr zum Einsatz kommen können.
Schwarz: Was halten Sie denn für einen realistischeren Zeitplan?
Mogl: Da bin ich zu wenig nah dran. Das sind Informationen, die jetzt diskutiert werden. Ich glaube ja auch, heute beginnt der Exekutivrat, der OPCW, die Diskussionen zu einem möglichen Vernichtungsplan. Und ich würde jetzt mal davon ausgehen, dass man bis nächste Woche sicher Konkreteres dazu erfahren wird.
Schwarz: Aber man kann doch sicher davon ausgehen, dass es viele, viele Jahre dauern wird, wenn man noch mal in den Irak schaut, wo ja seit den 90er-Jahren diese Aktivitäten stattfinden und bis heute die Waffen nicht vollständig vernichtet sind!
Mogl: Irak ist jetzt wieder ein Spezialfall. Ich denke, es wäre zu kompliziert, jetzt in diesem Gespräch darauf einzugehen. Wenn man davon ausgeht, dass das toxische Chemikalien sind, wenn man die mal an einen Standort gebracht hat und dort die nötigen Vorrichtungen vorhanden sind, dann glaube ich schon, dass man das in nützlicher Frist, zumindest den Großteil davon vernichten kann. Ob das genau bis Juni nächsten Jahres gemacht sein wird, das ist schwierig, zum heutigen Zeitpunkt vorauszusagen.
Schwarz: Die Waffen müssen ja auch erst mal aus Syrien rausgeschafft werden, aus dem Bürgerkriegsland. Geht das ohne Weiteres?
Mogl: Ich denke, das ist sicher eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Waffen müssen ja einerseits, die Chemikalien müssen ja abgepackt werden, damit man sie transportieren kann, und dann müssen sie halt alle an den entsprechenden Verladeort gebracht werden. Das ist sicher eine nicht triviale Aufgabe, wenn man davon ausgeht, dass das Land sich in einem Bürgerkrieg befindet.
Schwarz: Kann man denn davon ausgehen, dass Präsident Assad alle seine Karten auf den Tisch gelegt hat?
Mogl: Ich kann das jetzt nicht beurteilen. Es wird sicher wichtig sein, dass man die Deklaration von Syrien, die Syrien bei der OPCW eingereicht hat, genau studiert, und das werden sicher alle die anderen Vertragsstaaten auch tun. Das wird sicher jetzt in den nächsten Monaten noch folgen.
Schwarz: Wie schauen Sie denn auf das, was bislang passiert ist, seit September, seit der Verabschiedung der UN-Resolution?
Mogl: Ich bin wirklich überrascht, wie viel man erreicht hat. Das erste Ziel, das habe ich für sehr schwierig angeschaut, dass man alle Anlagen innerhalb eines Monats inspiziert und dann die Produktionsanlagen inoperabel macht. Aus meiner Warte eine Riesenleistung der OPCW und UNO, die diese Mission hier so durchgeführt haben, und auch eine Riesenleistung der Inspektoren, die das machen. Mir ist bekannt, dass alle diese Inspektoren, die jetzt dort vor Ort sind, das freiwillig tun, weil die Sicherheitslage natürlich nicht den üblichen Arbeitsbedingungen entspricht.
Schwarz: Herr Mogl, die Vernichtung von Chemiewaffen ist teuer. Wer wird die Kosten am Ende übernehmen müssen?
Mogl: Gemäß Chemiewaffenübereinkommen ist Syrien verantwortlich, für die Vernichtung seiner Waffen aufzukommen. Man hat aber in der OPCW schon einen Fonds gegründet, da haben verschiedene Staaten auch schon darin eingezahlt. Das ist aber ein Fonds vor allem dafür, der OPCW im Moment auszuhelfen, die Inspektionstätigkeiten, wie sie jetzt durchgeführt werden, sind natürlich teurer als in einem Normalfall. Wer das alles bezahlt, das wird wahrscheinlich auch Teil der Diskussionen sein, die jetzt stattfinden. Erst, wenn man einen konkreten Plan zur Vernichtung hat, kann man ja auch abschätzen, was das kostet und wer wie viel dafür bezahlen wird. Gemäß Vertrag muss das Syrien bezahlen.
Schwarz: Stefan Mogl, früherer Chemiewaffeninspekteur und wissenschaftlicher Berater der OPCW, jetzt im Schweizer Labor Spiez tätig, was auch Chemiewaffenproben untersucht. Herr Mogl, danke Ihnen für das Gespräch!
Mogl: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.