Syrien

Niemand kann diesen Krieg gewinnen

Anwohner in Aleppos Viertel Maadi im Juni 2015
Anwohner in Aleppos Viertel Maadi im Juni 2015 © AFP / Karam al-Masri
Von Ulrich Leidholdt |
Die Großmächte sind nun auch aktiv militärisch in den Krieg in Syrien verstrickt – nicht mehr nur durch Berater, Geheimdienste und Waffen. Die neue Eskalation tötet die winzige Hoffnung auf eine politische Lösung, meint Ulrich Leidholdt.
Die Nachrichtenagentur dpa titelt eine Meldung zu Syrien so: "Wer kämpft dort gegen wen?"
Die Frage ist berechtigt. Die Lage kaum zu überschauen. Falls sie es denn je war. Klar wird eins: Das aktive Eingreifen Russlands und seiner Luftwaffe verschärft den Konflikt. Die Stellvertreterkriege regionaler und internationaler Parteien werden brutaler. Eine diplomatische Lösung des scheinbar ausweglosen Konflikts bleibt Illusion.
Assad sitzt nach wie vor fest im Sattel. Seine Paten lassen ihn nicht fallen. Sein Krieg gegen alle, die er Terroristen nennt, geht weiter. Und das ist jeder, der nicht bedingungslos für ihn ist − vom IS bis zur pulverisierten oder vertriebenen Opposition.
Viereinhalb Jahre nach Beginn des Aufstands gegen Assad gibt keine Seite in einem nicht zu gewinnenden Krieg auf – stattdessen weitet der sich aus. Die Großmächte sind nun auch aktiv militärisch verstrickt – nicht mehr nur durch Berater, Geheimdienste und Waffen. Sie fliegen Angriffe in Syrien, die USA etwas zaghafter, Russland offensiver, bald vielleicht nicht mehr nur aus der Luft. Das kann schnell zur Konfrontation zwischen Moskau und Washington führen. Russland und die Türkei stecken bereits mitten drin.
Stellvertreterkrieg gegen den Iran
Saudis und Kataris heizen den Konflikt in Syrien aus Eigeninteresse ständig an. Sie werden sich bemüßigt fühlen, jetzt noch eins draufzusetzen. Der Stellvertreterkrieg gegen Assads Paten Iran ist ihr ausschließliches Motiv – nicht die Menschen in Syrien, die irgendwie versuchen zu überleben. Ginge es den Golf-Arabern tatsächlich um ihre geschundenen arabischen Brüder, dann wäre es zu allererst muslimische Pflicht, Flüchtlinge in nennenswerten Zahlen aufzunehmen. Aber für Humanität sind die so genannten Hüter der heiligsten Stätten des Islam ja nun wirklich nicht bekannt.
Die Türkei ist durch nachsichtiges Verhalten gegenüber IS-Terroristen diskreditiert − und durch ihre Rücksichtslosigkeit gegen die Kurden, die sich wie keine andere Partei erfolgreich dem IS entgegenstellen.
250.000 Tote in Syrien – oder sind es längst viel mehr? – beeindrucken keine Kriegspartei. Wer also kämpft gegen wen? Den Islamischen Staat wollen vorgeblich alle schlagen. Russland besorgt da Assads Geschäft, indem es gleich seine übrigen Gegner mit erledigt. Die USA fliegen Alibi-Attacken auf den IS. Tiefstes Misstrauen gegenüber der Präzision amerikanischer Luftangriffe ist nicht erst seit dem Kollateral-Desaster in Afghanistan Pflicht.
Militärisch kann in Syrien niemand siegen. Die neue Eskalation tötet die zugegeben winzige Hoffnung auf eine politische Lösung und zwar die einzig denkbare, nämlich mit allen Konfliktparteien am Tisch – also auch Assad, auch Iran. Weil das absehbar aussichtslos bleibt, gehen das Sterben in und die Flucht aus Syrien weiter.
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