Szczepan Twardoch, "Drach"
Roman, Rowohlt Berlin, 2016, 416 Seiten, 22,95 Euro
"Man kann seine Nationalität wählen"
Er gilt als Dandy, Konservativer und polnischer Hemingway. Alles Quatsch, sagt der Autor Szczepan Twardoch. Der gebürtige Schlesier hat mit "Drach" ein Panorama des 20. Jahrhunderts vorgelegt und damit auch seine eigene Familiengeschichte aufgearbeitet.
Mit Hemingway verglichen die Kritiker den polnischen Schriftsteller Szczepan Twardoch nach der Lektüre seines Schlesien-Romans "Drach". Es ist ein Panorama des 20. Jahrhunderts - erzählt am Beispiel zweier schlesischer Familien und mit einer ungewöhnlichen "Erzählerin", der Erde, auf der die Figuren des Romans wandeln.
Er mag keine Etikettierungen
Twardoch, der jetzt gemeinsam mit dem Übersetzer des Romans, Olaf Kühn, mit dem Brücke Berlin Literaturpreis ausgezeichnet wurde, hält im Übrigen wenig von derlei Etikettierungen:
"Ich antworte nicht darauf, was Journalisten über mich schreiben.(...) Seit langem bin ich nicht mehr konservativ. Sicherlich bin ich auch kein Hemingway. Ich mag es nicht, mit anderen Schriftstellern verglichen zu werden."
Über seinen Roman sagt Twardoch: Seine schlesische Herkunft sei identitätsstiftend. Er habe das Buch geschrieben, um seine Vergangenheit zu verarbeiten, mit all ihren für Außenstehende kuriosen Details. Es sei durchaus üblich gewesen, innerhalb einer schlesischen Familie verschiedene Nationalitäten und Identitäten zu leben:
"Mein Urgroßenvater, der das Polentum wählte, hatte drei Brüder, die deutsch waren. Einer von ihnen wanderte noch in den 20er-Jahren nach Berlin aus. (...) Das ist charakteristisch für Schlesien: Man wird nicht mit einer Nationalität geboren, man kann sie wählen."
Schlesien ist überall
Twardoch widerspricht jedoch der Annahme, Schlesien sei damit etwas Besonderes und deshalb als europäischer Mikrokosmos besonders dafür geeignet, um die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Es gebe überall in Europa Regionen, die ähnlich seien wie das Elsass etwa.
Zum besonderen Charme des Buches hat sicherlich auch der Übersetzer Olaf Kühn beigetragen. Der hat das Kunststück vollbracht, die oberschlesischen Passagen des Originals, mit denen der Autor polnische Leser gezielt verwirren und ihnen das Gefühl der Fremdheit vermitteln wollte, ins Niederschlesische zu übersetzen. "Viel Beratung oder Hilfe hat Olaf nicht von mir gebraucht - wir haben nur ein paar Mails hin- und hergeschickt", sagt Twardoch.