Thomas Engelhardt/ Monika Osberghaus: Im Gefängnis. Ein Kinderbuch über das Leben hinter Gittern
Mit Illustrationen von Susann Hesselbarth
Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2018
96 Seiten, 14 Euro
Kinder von Häftlingen bekommen eine Stimme
Thomas Engelhardt und Monika Osberghaus haben mit "Im Gefängnis" ein Kinderbuch geschaffen, das jetzt schon als Standardwerk gelten kann. Sie erklären hervorragend, wie das Leben von Gefangenen abläuft und wie die Haft sich auf Angehörige auswirkt.
Ein Mann hat eine Tankstelle überfallen und muss dafür drei Jahre in Haft. Was aber heißt das? Wie sieht ein Leben in Gefangenschaft aus? Wie eine Zelle? Und arbeiten da nur Wärter? Letztendlich wissen das nur Wenige. Und genau das ändern Thomas Engelhardt und Monika Osberghaus mit ihrem klugen und wichtigen Buch. "Im Gefängnis" ist den rund hunderttausend Kindern in Deutschland gewidmet, von denen ein Elternteil eine Gefängnisstrafe verbüßt. Und wie das Mädchen Sina im Buch, wissen auch sie oft nicht, was für ein Ort das ist, wo Papa oder Mama dann lebt.
Genau dahin nehmen die Autoren ihre Leserinnen und Leser mit, an diesen Ort, der mit seinen Mauern, Gitterfenstern und Stahltüren furchteinflößend ist. Und doch leben hier Menschen wie Sinas Vater. 730 Tage Haft, so lautet sein Urteil. Als die Ladung zum Haftantritt kommt, wird es ernst, erklären Engelhardt und Osberghaus eindrücklich. Denn nachdem sich die Gefängnistür hinter Robert schließt, bestimmen fortan andere über sein Leben. Er muss sich nackt ausziehen, wird fotografiert und bekommt eine Nummer. In Gefängniskleidung - Jeans, T-Shirt, Hemd - und mit Zugangsbeutel, in dem Bettwäsche, Handtücher, Waschzeug und Essbesteck liegen, betritt Robert den Haftraum: die neun Quadratmeter große Zelle ist von jetzt an sein Zuhause.
Kein Detail des Gefängnisalltags wird ausgespart
Wann er aufsteht, was er isst, wo er arbeitet - alles festgelegt. Tatsächlich bleibt kein Detail des Gefängnisalltags unerwähnt. Etwa was man ins Gefängnis mitnehmen darf (Fotos, Spiel, Radio) oder wie man das im Gefängnis verdiente Geld ausgeben kann (beim Gefängniskaufmann). Und so erfährt man in diesem Buch viel über den Tagesablauf der Gefangenen, ihre Gefühle und Nöte, wie auch über die Menschen, die in einem Gefängnis arbeiten.
Seite für Seite taucht man tiefer in dieses fremde Universum ein. Versteht, wie es sich anfühlt. Zumal das Autorenduo sehr deutlich macht, dass eine Gefängnisstrafe nicht nur für den Häftling schlimm ist, sondern auch für dessen Familie. Soziales Stigma, Ausgrenzung und Einsamkeit gehen mit der Strafe einher. Es ist die absolute Stärke dieses Buches, dass es Kindern wie Sina eine Stimme gibt.
Zugeben, dass der Vater im Knast ist, mag niemand
Beides, den Gefängnisalltag und das Leben der Angehörigen, verweben Thomas Engelhardt und Monika Osberghaus dramaturgisch gekonnt ineinander, lassen immer wieder Robert und Sina abwechselnd erzählen. Oft direkt in Briefform. Etwa wenn Sina beschreibt, was sich für sie ändert, welche Ängste sie hat, wie sie mit dem Schweigen umgeht - denn zugeben, dass der Vater im Knast ist, mag niemand.
Ergänzt wird der glänzend geschriebene Text durch die Illustrationen von Susann Hesselbarth. Die Zeichnungen, in gedämpften Farben gehalten, geben dem Buch eine eigene Note und zeigen das, was in Worten schwer erklärbar ist: den Grundriss des Gefängnisses, die enge Zelle, aber auch den wütenden Blick Sinas, wenn die Sozialarbeiterin zuhause vorbei schaut oder das Lachen Roberts, wenn er auf Hafturlaub gehen darf. "Im Gefängnis" ist ein fabelhaftes Buch. Mehr noch: Thomas Engelhardt und Monika Osberghaus schreiben damit Kinderbuchgeschichte, ihr Buch ist das erste zum Thema. Und damit schon jetzt ein Standardwerk.