T.S. Eliot: "Vier Quartette. Four Quartetts"
Aus dem Englischen von Norbert Hummelt
Suhrkamp, Berlin 2015
,
93 Seiten, 19,95 Euro
Überraschend viel Gefühl
Zu mystisch, zu katholisch, zu antimodern: Als T.S. Eliots "Quartette" erschienen, geriet der Lyriker in die Kritik. In einer neuen Übersetzung von Norbert Hummelt werden Eliots schwer zu entschlüsselnde Verse etwas zugänglicher.
Thomas Stearns Eliot, der gebürtige Amerikaner und geistige Brite, drohte seinen Ruf als einer der ganz großen Neuerer der Moderne zu verlieren, als die "Quartette" zwischen 1936 und 1942 sukzessive erschienen: zu mystisch und vor allem zu katholisch erschien den Lesern dieser Zyklus aus vier Langgedichten, geradezu antimodern in seiner Grundhaltung.
Im Aufbau ähneln die "Quartette" zwar Eliots avantgardistischem Meisterwerk "The Waste Land". Doch anders als im kühnen Schlüsseltext der lyrischen Moderne, der vielstimmig zwischen Umgangssprache und hohem Ton, zwischen atemlosem Gerede und buddhistischer Rätselhaftigkeit schwingt, verzichtete der Dichter in seiner letzten großen lyrischen Arbeit auf Vielklang und hielt sich eine einzige Stimme. Es ist - suchend, sehnend, spottend, meditierend, resignierend - erkennbar die seine.
In der neuen Übertragung des Lyrikers Norbert Hummelt werden Eliots schwer zu entschlüsselnde Verse nun ein wenig zugänglicher. Hummelt sucht das Sprechbare und Klingende dieser Lyrik nahe am Original - und gibt damit der deutschen Fassung etwas zurück, das in älteren Übertragungen (wie der von Eva Hesse) zugunsten begrifflicher Setzungen eher zu kurz kam.
Übersetzung transportiert viel Gefühl
Übertragungen von Lyrik sind ja, viel mehr als Prosaübersetzungen, Interpretationen; und diese hier transportiert viel Gefühl, mehr als man Eliot vielleicht zugetraut hätte.
Im zweiten "Satz" des zweiten Quartetts meditiert das Ich unterwegs zwischen Täuschung und Einsicht in diese Täuschung, in der Mitte des Lebens also, über seinen Weg: durch dunklen Wald und Sumpf, gefährdet durch Monster, Irrlichter und Verzauberung. Wissen und Weisheit hilft da nicht.
"Ich will nichts mehr hören / Von der Weisheit alter Männer, lieber von ihrer Tollheit/ Ihrer Angst vor der Angst und dem Irrsinn / ihrer Angst vor Besessenheit."
Diese Verse münden in eine Apotheose der Demut.
"Demut ist endlos". Alles andere stirbt, geht unter.
Ganz so offen legte Eliot sein Denken nur selten dar.
Lesend unterwegs wie in einer Ruinenlandschaft
Er war ein Meister des gleichzeitigen Offenbarens und Verbergens. Genau das ist es auch, was die Lektüre dieser Gedichte so abwechslungsreich macht: die Wechsel von eckigen Abstraktionen zu bald erdigen, bald luftleichten Bildfolgen; und die Temperaturstürze von warmem Leuchten zu schockgefrorener Erkenntnis.
Man ist in den "Quartetten" lesend unterwegs wie in einer Ruinenlandschaft aus zu Worten erstarrten Gefühlen und lianenhaft fallenden und steigenden Gedanken - und verirrt sich bereitwillig darin.
Hummelts ausführliches Nachwort gibt einige hilfreiche Wegweiser mit: Es erklärt die Orte, die den einzelnen Quartetten ihren Titel gegeben haben und ihre Bedeutung im Leben des Dichters. Auch wenn es Interpretationen gibt, die Eliot nicht autobiografisch lesen wollen: Dass in den Quartetten Leben, Überzeugungen und Kunst dieses zweifelnden Spätkatholiken auf faszinierende Weise zusammenklingen, ist eigentlich keine Frage.