Tänzerische Zeitreise
Der Kanon von Klassikern, die an den großen Bühnen der Ballettwelt aufgeführt werden, ist von vergleichsweise schmalem Umfang. Gewöhnlich datiert keines seiner Werke weiter zurück als bis 1789. 14 Tage bevor die Französische Revolution ausbrach, fand die Premiere von "La fille mal gardée" statt, einer Ballettkomödie, die zum ersten Mal Personal führte, das weder adlig war noch direkt dem Himmel der griechischen oder römischen Antike entstiegen.
Das Ballett, das an der Oper Leipzig jetzt in der deutschen Erstaufführung zu erleben war, ist noch älter – es wurde von dem Ballettreformer Jean-Georges Noverre 1763 in Stuttgart uraufgeführt. Dort war der Choreograph seit drei Jahren als Ballettmeister am Hof Herzog Karl Eugens von Württemberg beschäftigt. "Jason et Médée" zählt zu jenen Tanzwerken, die Noverres Ruhm in Europa begründeten. 1760 war sein bahnbrechendes tanzästhetisches Buch in Lyon und Stuttgart erschienen, die "Lettres sur la danse et sur les ballets" – "Briefe über die Tanzkunst und über die Ballette". Darin fordert er, die Tanzkunst habe – der aristotelischen Auffassung gemäß – Mimesis zu sein, Nachahmung der Natur. Ballette sollen getanzte Dramen sein, deren Handlungen unmittelbar nachvollziehbar sind. Tanz und Handlung sollen eine Einheit bilden.
Mit Spannung erwartete das Leipziger Publikum, inwieweit sich Noverres berühmtes Ballett an seinen eigenen Forderungen würde messen lassen können. Und tatsächlich sind die Grundlagen der klassischen Handlungsballette des 19. Jahrhunderts hier genau zu erkennen. Die Handlung ist faszinierend klar zu verstehen. Mit sprechenden Blicken und Gesten, zierlicher Fußarbeit, anmutig gerundeten Armen und einer genauen Regie der Körperhaltungen und Stellungen der Personen zueinander im Raum erzählt Noverre die Geschichte von der stolzen Medea. Sie erscheint mit Jason zu einem Fest des Königs Kreon. Unmittelbar nach der formellen Begrüßung beginnt Jason, die Herrschertochter Kreusa heftig zu umwerben. Medea erstarrt vor Entsetzen, als sie das Spiel durchschaut: Jason will sie verlassen, um Kreons Tochter und damit die Krone von ihm zu gewinnen. Jason, der Verführer, gespielt von Martin Chaix, ist bei Noverre eine mit allen Wassern der höfischen Intrige gewaschener Karrierist, der das Glück seiner Frau und seiner Kinder der Chance auf die Macht und die Hand einer jüngeren Frau zum Opfer bringt. Medea ist eine genauso doppeldeutige Figur – ist sie eine Hexe, die zu ihren teuflischen Racheplänen die Furien zu ihrer Unterstützung herbeiruft? Oder wird sie nur durch den Verrat Jasons in den Wahnsinn ihrer Bluttat getrieben? Medea tötet die Braut Jasons, dann ihre eigenen Kinder, sie schleudert Jason den Dolch vor die Füße, damit er sich selbst umbringt und entflieht auf einem rauchenden, schwanzzuckenden Drachen.
Die phantastische Aufführung wirkt faszinierend durch ihre Fremdheit, ihre virtuose Ausführung und den heiteren Charme der Musik Jean Joseph Rodolphes, deren Leichtgewichtigkeit das Spiel des Gewandhausorchesters unter Vincent de Kort (mit dem Chor der Leipziger Oper) adelt. Unbedingt sehenswert.
"Jason et Médée"
Tragischer Tanz in neun Bildern von Jean Georges Noverre
Leipziger Ballett
Gewandhausorchester und Chor der Leipziger Oper
Choreographie: Ivo Cramer
Musikalische Leitung: Vincent de Kort
Oper Leipzig
Mit Spannung erwartete das Leipziger Publikum, inwieweit sich Noverres berühmtes Ballett an seinen eigenen Forderungen würde messen lassen können. Und tatsächlich sind die Grundlagen der klassischen Handlungsballette des 19. Jahrhunderts hier genau zu erkennen. Die Handlung ist faszinierend klar zu verstehen. Mit sprechenden Blicken und Gesten, zierlicher Fußarbeit, anmutig gerundeten Armen und einer genauen Regie der Körperhaltungen und Stellungen der Personen zueinander im Raum erzählt Noverre die Geschichte von der stolzen Medea. Sie erscheint mit Jason zu einem Fest des Königs Kreon. Unmittelbar nach der formellen Begrüßung beginnt Jason, die Herrschertochter Kreusa heftig zu umwerben. Medea erstarrt vor Entsetzen, als sie das Spiel durchschaut: Jason will sie verlassen, um Kreons Tochter und damit die Krone von ihm zu gewinnen. Jason, der Verführer, gespielt von Martin Chaix, ist bei Noverre eine mit allen Wassern der höfischen Intrige gewaschener Karrierist, der das Glück seiner Frau und seiner Kinder der Chance auf die Macht und die Hand einer jüngeren Frau zum Opfer bringt. Medea ist eine genauso doppeldeutige Figur – ist sie eine Hexe, die zu ihren teuflischen Racheplänen die Furien zu ihrer Unterstützung herbeiruft? Oder wird sie nur durch den Verrat Jasons in den Wahnsinn ihrer Bluttat getrieben? Medea tötet die Braut Jasons, dann ihre eigenen Kinder, sie schleudert Jason den Dolch vor die Füße, damit er sich selbst umbringt und entflieht auf einem rauchenden, schwanzzuckenden Drachen.
Die phantastische Aufführung wirkt faszinierend durch ihre Fremdheit, ihre virtuose Ausführung und den heiteren Charme der Musik Jean Joseph Rodolphes, deren Leichtgewichtigkeit das Spiel des Gewandhausorchesters unter Vincent de Kort (mit dem Chor der Leipziger Oper) adelt. Unbedingt sehenswert.
"Jason et Médée"
Tragischer Tanz in neun Bildern von Jean Georges Noverre
Leipziger Ballett
Gewandhausorchester und Chor der Leipziger Oper
Choreographie: Ivo Cramer
Musikalische Leitung: Vincent de Kort
Oper Leipzig