Tag der Handschrift

Schüler sollten so oft wie möglich mit der Hand schreiben

04:32 Minuten
Eine Hand schreibt mit gelbem Bleistift auf einem Block, daneben liegen die Reste des angespitzen Bleistifts.
Gut fürs Gehirn: Hausaufgaben mit einem Stift schreiben. © unsplash/Tought Catalog
Von Thomas Wagner |
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Schnell auf dem Smartphone herumtippen - das ist für Schüler Alltag. Aber mit der Handschrift tun sie sich immer schwerer. Das ist nicht nur kulturell ein Verlust, sondern auch neurowissenschaftlich bedenklich, zeigt eine Ausstellung in Friedrichshafen.
Sechstklässler zu Besuch im Schulmuseum Friedrichshafen: Dort, wo uralte, durch allerlei Furchen gezeichnete hölzerne Schulbänke und Schiefertafeln zu bestaunen sind, sitzen sie konzentriert in einem Seminarraum – und schreiben so, wie das einst ihre Ur- und Ur-Großeltern getan haben.
"Also wir haben erst mit dem Federkiel und jetzt mit der Stahlfeder geschrieben. Es ist schon anders als mit dem Füller, man muss ja öfters ins Tintenfass tunken. Es ist schon schwieriger", sagt Benaia.
Zu dumm - ein Klecks auf dem Blatt! Den Zwölfjährigen ficht das nicht an. Klar, vieles schreibt er im Alltag am Computer. Aber:
"Wenn wir mit Maschine schreiben, dann müssen wir ja gar nicht mehr so viel machen. Und ich finde die Handschrift schöner, als am Computer zu schreiben. Am Computer ging's schneller. Aber es ist mir trotzdem wichtig, mit der Hand zu schreiben."
Katharina, ebenfalls zwölf Jahre alt, sieht das ähnlich: Sie schreibt, "…wenn es sehr persönlich ist, mit der Hand, und wenn nicht, dann mit dem Computer. Ich kann es mir mit der Hand auch besser merken. Weil, wenn ich das mit dem Computer schreibe, dann klicke ich einfach irgendwo drauf. Und ich kann es mir einfach nicht merken."

Wenn im Kinderzimmer bereits ein Computer steht

In diesem Moment, in den Räumen des Schulmuseums, haben die Sechstklässler ihren Spaß daran, Buchstaben und Sätze mit historischem Schreibgerät per Hand aufs Papier zu bringen. Das dürfe aber nicht über eines hinwegtäuschen: Schreiben per Hand – damit tun sich Schülerinnen und Schüler in Zeiten, in denen im Kinderzimmer häufig bereits ein Rechner steht, immer schwerer.
"Im Unterrichtsalltag merkt man das schon: Die Kinder schreiben nicht so gerne", sagt die Lehrerin Karin Donath-Frankenstein. "Sie können auch nicht mehr so lange schreiben. Sie haben unterschiedliche Schriften, die man teilweise auch nicht mehr entziffern kann. Wenn ich das mit früher vergleiche, hat das schon seine Wirksamkeit gezeigt, dass sie sehr viel abtippen. Die Rechtschreibung ist auch ein bisschen schlechter geworden. Das sind so die Dinge, die man als Lehrer feststellen kann."
Karin Donath-Frankenstein unterrichtet am Karl-Maybach-Gymnasium Friedrichshafen Deutsch und Geschichte. Immer wieder kommt sie mit ihren Klassen ins Schulmuseum. Denn dort geht es schwerpunktmäßig um die Kunst des Schreibens, die vielen Schülerinnen und Schülern zunehmend abhanden zu kommen scheint.

Es geht nicht um Entweder - Oder

Museumschefin Friederike Lutz führt dieser Tage fast im Akkord durch die Sonderausstellung #Schreiben - Tinte oder Tablet? – eine Ausstellung, die die Geschichte der Schreibschrift aufzeigt – von der verschnörkelten Kurrentschrift, in der einst Goethe seine Werke verfasste, über die altdeutsche Sütterlin-Schrift bis hin zur aktuellen lateinischen Schreibschrift. Die Botschaft lautet:
"Schreiben macht Schule. Ohne das Lernen der Schrift gäbe es im Grunde keine Schule. Wir wollten wirklich die Geschichte des Schreibens mit der Hand, die Aspekte des Schreibens mit der Hand, vor allem aber die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse über das Schreiben mit der Hand aufarbeiten."
Und genau darin sieht Friederike Lutz den Hauptunterschied zwischen dem Tippen am Rechner und dem Gebrauch von Kugelschreiber oder Füller:
"Die Neurowissenschaften wissen inzwischen, dass beim Schreiben mit der Hand unglaublich viele Gehirnareale aktiv sind. Und das ist schon ein Zeichen davon, dass das Schreiben mit der Hand für den Menschen wertvoll ist."
Vor allem deshalb, weil beim Verfassen von Texten mit Kugelschreiber oder Bleistift das Vorstellungsvermögen viel stärker gefordert ist als beim Eintippen derselben Texte auf einer Computertastatur:
"Wenn ich das Wort Apfel schreibe, höre ich das Wort regelrecht. Das Hör-Areal wird aktiviert. Wenn ich das Wort Apfel schreibe, habe ich ein Bild vom Apfel vor mir. Das heißt, es wird ein sensorisches Areal aktiviert, die Sehrinde. Wenn ich das Wort Apfel schreibe, habe ich feinmotorische Vorgänge, die sich im Gehirn widerspiegeln, weil ich, wenn ich mit der Hand schreibe, beim 'a' eine ganz andere Bewegung mache, als wenn ich das kleine 'a', das kleine 'p', das kleine 'f', das kleine 'l' schreibe. Und das ist, wenn ich mit der Tastatur schreibe, alles stark eingeschränkt."

Handschriftliches wirkt emotionaler

Grund genug, um daraus den Appell zu formulieren: Mit der Hand schreiben in der Schule, so oft es irgendwie geht. Das muss, das darf kein Widerspruch sein zur Digitalisierung des Schulunterrichtes. Denn, so Friederike Lutz, wer heutzutage mit guten Digitalkenntnissen die Schule verlässt, hat deutlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Dem stimmt auch Deutschlehrerin Kathrin Donath-Frankenstein zu. Nach ihrer Ansicht kommt es darauf an, "wie man das denn umsetzt. Wir werden um die Digitalisierung nicht herumkommt. Also dass man Tablet-Klassen einführt oder dass sie schon da sind – das ist auch eine Entwicklung, die für die Wirtschaft wichtig ist. Aber sie sollten auf keinen Fall verlernen, ihre Handschrift zu haben oder überhaupt schreiben zu lernen und nicht schon in der Grundschule damit anfangen, auf dem Tablet herum zu tippen."
Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an – bei der Digitalisierung und beim Erlernen der Handschrift. Und auf die passende Gelegenheit für den Gebrauch der Handschrift auch bei Erwachsenen. Museumschefin Friederike Lutz schreibt viel am Rechner, manches aber bewusst nach wie vor per Hand:
"Ich würde eine Trauerkarte nicht am PC schreiben. Und ich würde auch nicht den persönlichen Brief, der aus meiner Seele kommt, am PC schreiben, weil das Schreiben auch schon ganz viel mit der Seele zu tun hat. Und ich bin fest davon überzeugt, dass eine Handschrift emotionaler wirkt als das am Drucker Ausgedruckte."
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