Tag der Kinderrechte

Die Straßenkinder von Bulawayo

Die Sozialarbeiterin Tubelihle in Bulawayo (Simbabwe)
Tubelihle ist eine der Sozialarbeiterinnen in Bulawayo. © Deutschlandradio / Leonie March
Von Leonie March |
Ein Jahr nach dem Sturz des Präsidenten Robert Mugabe sind Armut und Arbeitslosigkeit in Simbabwe weit verbreitet. Die sozialen Folgen sind verheerend: Unter den Obdachlosen sind auch viele Minderjährige.
"Guten Abend, wie geht es Euch beiden heute?" fragen zwei Sozialarbeiterinnen die beiden kleinen Jungs, die am späten Abend an einer Straßenecke hocken. Schläfrig sitzen sie hinter einem Pappkarton, auf dem sie ein paar lose Bonbons und einzelne Zigaretten zum Verkauf ausgelegt haben.
"Die Fabriken haben dicht gemacht, es gibt nur noch sehr wenige Jobs und so schlagen sich viele Leute als Händler durch", erzählt Thubelihle Ncube. "Das haben sich die Straßenkinder abgeschaut. Andere landen erst so auf der Straße. Ihre Familien haben sie in die Stadt geschickt, um zum Haushaltseinkommen beizutragen. Aber viele von ihnen kehren nicht wieder nach Hause zurück."
Auch diese beiden Jungs seien so auf der Straße gelandet, fügt ihre Kollegin hinzu. Zwei von über 40 Straßenkindern in Bulawayo. Tendenz steigend. Ein Passant kauft ihnen gerade eine Zigarette ab. Sie stecken sich das Kleingeld in die Socken. Da ist es sicher.
Fünf Dollar würden sie zusammen an einem guten Tag verdienen. Mehr als sie zuhause hatten. Doch über konkrete Gründe, warum sie weggelaufen sind, schweigen sie.
"Oft kümmern sich die Familien nicht um die Kinder", erklärt Fungai Dewere von der Kinderrechts-Organisation "Terre des Hommes". "Eltern gehen in die Nachbarländer, um dort einen Job zu finden. Die Kinder lassen sie bei der Verwandtschaft, aber die ist häufig überfordert, weil sie schon die eigenen Kinder kaum durchfüttern kann. Bei einer Arbeitslosigkeit von 90 Prozent ist das kein Wunder. Die Kinder rennen also vor Armut und Vernachlässigung weg, manchmal auch vor Missbrauch und häuslicher Gewalt."

Schlafstätten für Obdachlose gibt es in Bulawayo nicht

Gemeinsam mit den Jungs gehen die Sozialarbeiterinnen ein paar Straßen weiter, vorbei an Kneipen und Prostituierten. Ziel ist ein ausgebranntes Abbruchhaus, in dem die beiden heute Nacht schlafen wollen. Auf dem Weg erzählen sie von der letzten Polizeirazzia.
"Es gab in der Nähe einen Einbruch oder Diebstahl. Und natürlich kommen die Polizisten dann zuerst zu uns. Wir werden ja für alles verantwortlich gemacht. Wie immer hatten sie Hunde dabei. Das macht uns Angst, denn einer von uns ist kürzlich von einem Polizeihund gebissen worden. Die Beamten interessiert das nicht. Für sie sind wir Abschaum, nicht mehr als kleine Kriminelle."
Die Jungs steigen über einen Schuttberg in die Bauruine. Etwa zehn Kinder drängen sich bereits in einem kleinen dunklen Verschlag. In der Mitte brennt ein Feuer aus Abfällen. Es stinkt nach Schweiß, Urin und Klebstoff, den viele hier als Droge konsumieren, um Angst und Kummer, Kälte und Schmerzen zu betäuben.
"Ich sehe, dass ein paar Kinder Drogen konsumieren, die es sonst nicht tun, sagt Sozialarbeiterin Best Ndlovu. Wahrscheinlich werde sie von den anderen unter Druck gesetzt. Die ganze Situation sieht übel aus. Das offene Feuer und die Enge, die aggressive Grundstimmung, die vielleicht in Gewalt ausartet. Das kommt ja leider nicht selten vor."

Als die beiden aufbrechen, kommt ihnen ein Junge hinterhergerannt. Für eine Umarmung. Ohne, dass die anderen es sehen. Er ist nicht älter als zehn. Die beiden Frauen sagen ihm, er solle am nächsten Morgen vorbeikommen und schauen ihm dann nachdenklich hinterher. Sie arbeiten für Partnerorganisation von "Terre des Hommes", die ein Heim für ehemalige Straßenkinder eingerichtet hat, Pflegefamilien und Ausbildungsstellen vermittelt und all den anderen wenigstens tagsüber hilft. Denn Schlafstätten für Obdachlose gibt es in Bulawayo nicht.
Das Lager der Straßenkinder in Bulawayo
Das Lager der Straßenkinder in Bulawayo© Deutschlandradio / Leonie March
"Bei uns können sie wenigstens duschen, ihre Kleidung waschen und etwas essen. Sie können ein wenig Geborgenheit erfahren und sich geliebt fühlen. Denn wir sehen sie nicht als potenzielle Straftäter. Sie sind Kinder. Und alle Kinder haben die gleichen Rechte, egal ob sie auf der Straße leben oder zu Hause."
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