Tag der Organspende

Eine Organspende lässt sich nicht erzwingen

04:47 Minuten
Ärzte halten ein Herz in den Händen im Operationssaal.
Ärzte bereiten ein eben entnommenes Kinderherz in einem Spital in Frankreich für den Transport vor. Das Herz soll im Kinderspital Zürich einem 7-jährigen Kind einoperiert werden. © laif/ Keystone Schweiz/ Gaetan Bally
Heribert Prantl im Gespräch mit Julius Stucke · 06.06.2020
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Gut, dass aus Jens Spahns Widerspruchslösung nichts geworden ist, findet der Journalist Heribert Prantl. Dahinter stehe ein ökonomistisches Denken: "Als sei der Körper geleast und müsse am Ende des Lebens zum Ausschlachten zurückgegeben werden."
Die Bereitschaft der Deutschen, nach ihrem Tod Organe zu spenden, ist gestiegen - obwohl oder vielleicht sogar weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seiner Widerspruchslösung gescheitert ist.
"Bei der Organspende geht es um Fundamentalfragen des Menschseins", betont Heribert Prantl. Die tiefgehenden Diskussionen über diese Fragen habe viele Menschen zum Nachdenken gebracht - und vielleicht auch dazu, sich für eine Organspende zu entscheiden, sagt der Journalist und Jurist. Wenn andere hingegen Skrupel hätten, sich mit ihrem Tod auseinanderzusetzen und in der Folge auch mit der Frage, was danach mit ihrem Körper passiere, müsse man das als Politiker akzeptieren.

"Eine Spende ist etwas Freiwilliges"

Insofern sei der Bundesgesundheitsminister mit seiner Widerspruchslösung auf dem völlig falschen Weg gewesen. "Die Widerspruchslösung einzuführen, wie sie Spahn wollte, wäre ja ein sehr ökonomistischer Umgang mit dem Körper und dem Leben. Ich hatte immer das Gefühl, er redet so, als sei der Körper irgendwie geleast von einer GmbH und müsse dann am Schluss des Lebens zum Ausschlachten wieder zurückgegeben werden", so Prantl. "Das ist nicht der Umgang mit dem menschlichen Leben und nicht das Menschenbild, von dem das Grundgesetz ausgeht."
Das "fingierte Einverständnis", das die Widerspruchslösung impliziert habe, passe schon nicht zum Wort Spende: "Eine Spende ist etwas Freiwilliges. Die Organspende ist ein unglaublich wichtiger Akt der Solidarität, ein Akt der praktizierte Nächstenliebe."
Deshalb könne man nur für die Organspende werben und brauche dafür eine wirkliche Zustimmung des Spenders. "Ein Mangel an Spenderorganen kann ja nicht dazu führen, dass ich die Grundfragen, die richtig diskutiert worden und richtig entschieden worden sind, wieder umwerfe", sagt Prantl.
(uko)

Der Journalist Heribert Prantl, geboren 1953, war 25 Jahre lang Leiter des Ressorts Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", dann Leiter des Ressorts Meinung. Acht Jahre lang war er Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Seit seinem altersbedingten Ausscheiden ist er weiter als Kolumnist und Autor tätig und lehrt als Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Prantl ist der Autor zahlreicher Bücher, zuletzt "Vom großen und kleinen Widerstand" (2018).


Unsere Sendung mit Heribert Prantl in voller Länge:
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