Christian Thiele ist Coach und Autor, sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf allen großen Plattformen zu hören. Er gehört zum Trainerteam der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, ist (meist) zuversichtlicher Patchwork-Vater und lebt in Garmisch-Partenkirchen.
Zum Tag des Kompliments
„Super“: Lobende und anerkennende Botschaften sollte man nur dann senden, wenn sie wirklich ernst gemeint sind, empfiehlt Christian Thiele. (Symbolfoto) © picture alliance / dpa / Martin Schroeder
Ein Lob des Lobes
In diesen Tagen Positives zu finden, ist nicht leicht. Zum internationalen Tag des Kompliments versucht es Christian Thiele zumindest. Der Coach und Autor plädiert für mehr anerkennende Rückmeldung und weiß, was dabei zu beachten ist.
Wann haben Sie das letzte Mal ein Kompliment bekommen? Was hat es mit Ihnen gemacht, wie hat sich das angefühlt? Und wann haben Sie das letzte Mal jemand anderem ein Lob, eine Anerkennung ausgesprochen – in der Arbeit, in der Familie, im Freundeskreis? Wie war das – für Sie und für die Empfänger*in?
Anerkennung durch andere – ein Grundbedürfnis
Wir alle sind soziale Wesen. Wir alle brauchen die Anerkennung durch andere. Das wusste schon William James, der Gründervater der modernen Psychologie, vor bald 200 Jahren: „Das am tiefsten in der menschlichen Natur verwurzelte Prinzip ist das Bedürfnis nach Anerkennung.“
Leichter gesagt als getan. Gerade wir Deutschen sind gern stolz darauf, wie ehrlich und direkt wir sind in der Rückmeldung gegenüber anderen. Und wissen, zumindest ist das mein Eindruck, manchmal gar nicht so richtig, was das ist. Und wie man es gut rüberbringt, so ein Kompliment.
Eine Sache um ihrer selbst willen tun, ja nicht den inneren Antrieb mit amerikanischer, oberflächlicher Lobhudelei sabotieren: Das sind so typisch deutsche Missverständnisse, die wir gegenüber dem Kompliment hegen.
Der Duden sagt: Das Kompliment ist eine lobende, schmeichelhafte Äußerung, die jemand an eine Person richtet, um ihr etwas Angenehmes, Erfreuliches zu sagen.
Die Praxis ist gar nicht so einfach
Die psychologische Forschung sagt: Jemandem Anerkennung, Bewunderung zu zollen ist eine Glücksstrategie, die das Wohlbefinden verbessern, das Stressempfinden im Job oder in Partnerschaften vermindern kann. Die die intrinsische Motivation stärkt und gleichzeitig ähnliche Gegenden im Gehirn aktiviert wie finanzielle Belohnungen – auch das haben Wissenschaftler*innen herausgefunden.
Aber die wir in ihrer Wirksamkeit in mehrfacher Hinsicht falsch einschätzen. Wir unterschätzen in der Regel, wie sehr sich Menschen über positive Rückmeldung freuen, wie sehr das ihre Stimmung und Laune heben, wie sehr das unsere Verbindung mit ihnen stärken kann – wenn wir es richtig machen, mit dem Kompliment. Und wir überschätzen häufig, wie peinlich berührt oder irritiert Menschen sein würden, wenn sie von uns ein Kompliment bekämen.
Die MeToo-Bewegung sagt, natürlich völlig zu Recht: Kompliment ist nicht gleich Kompliment. „CatCalls“, also sexistische, übergriffige, herabwürdige Bemerkungen stehen in Frankreich, Belgien und einigen US-Bundesstaaten bereits unter Strafe. Rückmeldungen, die sich auf Äußerlichkeiten beziehen wie etwa „Du hast abgenommen, oder?“ „Du siehst ganz schön gut aus für dein Alter" oder „Du hast so schöne Augen!" – lieber lassen.
Mir hat neulich jemand gesagt: „Ich find dich jetzt viel netter, als du beim ersten Kennenlernen wirktest." Ich war und bin irritiert, was ich mit dieser Rückmeldung anfangen sollte – und Sie kennen solche Doppelbotschaften sicher auch.
Ungemeinte Gemeinheiten, sozusagen, oder auch mit Zucker übergossene Beleidigungen: Das entsteht schnell mal aus dem Versuch, der anderen oder dem anderen etwas Nettes zu sagen. Aus Tollpatschigkeit, aus Ungeschick. Oder auch aus Neid und Unterlegenheitsgefühlen, die dann zu echt toxischen Botschaften werden.
Wie macht man gute Komplimente?
Beschämend oder beflügelnd? Wie macht man gute Komplimente?
Lassen Sie andere wissen, was Sie an ihnen mögen, schätzen, bewundern! An der Art wie sie arbeiten, die Kinder erziehen oder, oder, oder. Das geht per Sprachnachricht, per E-Mail – oder, natürlich am wirksamsten, von Angesicht zu Angesicht. Beziehen Sie sich lieber auf Innerlichkeiten als auf Äußerlichkeiten, die werden schnell verfänglich.
Vielleicht machen Sie es sich sogar zur Gewohnheit, morgens wenn Sie den Rechner anschalten oder abends, wenn Sie ihn zuklappen, eine kurze „Dankes-“, „Gut gemacht“- oder „Bravo“-Botschaft abzusenden – aber bitte nur, wenn Sie ernst gemeint und keine Pflichtschleimerei für Sie ist. Und vergessen Sie nicht: Die meisten Formen von sozialer Unterstützung werden viel freundlicher aufgenommen als vom Absender erwartet.
Eigentlich ein schönes Kompliment für das Kompliment, oder?