Tag gegen den Lärm

Lärmquelle Mitarbeiter

Eine junge Frau hält sich mit gequältem Gesichtsausdruck die Ohren zu.
So kann ich nicht arbeiten! © picture alliance / dpa / Klaus Rose
30.04.2014
Durch Gespräche und Telefonate von Kollegen werde man sehr stark gestört, sagt der Arzt und Psychologe Markus Meis. Die Folgen seien Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Er forscht für das Hörzentrum der Universität Oldenburg.
Nana Brink: Fast jeder von uns hat ja diese Erfahrung schon mal gemacht: Sie sitzen mit mehreren Kollegen in einem Büro, rechts von Ihnen amüsiert sich Kollege A lautstark per Telefon, links von Ihnen schimpft Kollegin B in die Hörmuschel, der Drucker rattert, und wenn Sie Pech haben, hackt noch auch Kollege C heftig in die Tasten. Nicht nur Flugzeuge oder Autos produzieren Krach, der uns nervt. Ein großer Stressfaktor ist auch der gemeine Bürolärm – das sagen Experten am heutigen Tag gegen den Lärm. Und einer, der gegen den Lärm zu Felde zieht, ist Markus Meis, er ist Mediziner und Psychologe, arbeitet unter anderem für das Forum Office Akustik. Dort machen sich Unternehmen Gedanken, wie man die Akustik in Räumen verbessern kann. Schönen guten Morgen, Herr Meis!
Markus Meis: Schönen guten Morgen!
Brink: Apropros Raumakustik: Was lärmt denn am meisten in Deutschlands Großraumbüros?
Meis: Ja, wir haben die Literatur gesichtet und auch einige Studien zu dem Thema gemacht, und was herausgekommen ist, dass eigentlich die Mitarbeiter selbst die größte Lärmquelle auch darstellen.
Geplapper der Kollegen
Brink: Ist das das, was ich so beschrieben habe, dass man mitten drin sitzt, was ja jeder von uns kennt, und es ist einfach das Geplapper der Kollegen?
Meis: Ja, also in dem Moment, wo wir uns konzentrieren wollen, uns auf unsere Arbeit beziehen, ist es oftmals anzutreffen, dass wir gerade in Großraumbüros sehr viele Mitarbeiter auf der Fläche haben, also wir gehen oft von einer hohen Verdichtung aus, weil auch die Leute miteinander viel sprechen, kommunizieren und reden müssen, und diese, ich sage mal, vernetzte Kommunikation auf einer Fläche, was durchaus auch einen Vorteil hat, hat aber eben auch den Nachteil, dass dann, wenn sich Kollegen mit einer Arbeit sehr intensiv und auch ruhig auseinandersetzen wollen, dann durch den Kollegen sehr stark gestört werden.
Brink: Also wir kennen das ja hier bei uns im Funkhaus auch, es gibt auch den sogenannten Newsroom, das ist eine große Fläche, wo alle Kollegen sitzen, die die Nachrichten machen und auch die Sendungen, und ich weiß immer, wenn ich mich vorbereite, ich versuche immer, mich zu konzentrieren auf bestimmte Dinge. Kann man dann etwas ausblenden, kann man Sprache wirklich ausblenden? Ich finde es schwierig.
Meis: Da gibt es sehr viele experimentelle Studien zu. Man kann sagen, dass es einem nicht gelingt, diese Sprache auszublenden. Viele Leute sagen ja, sie gewöhnen sich an Lärm. Man wohnt an einer Autobahn, gewöhnt sich dran. Woran man sich vielleicht gewöhnen kann, gehen wir jetzt mal so von Straßenlärm aus, dass man irgendwann nicht mehr hochschnellt und hochschreckt, wenn ein Auto vorbeifährt. Man kann sich da vielleicht so vom Verhalten so ein bisschen dran gewöhnen. Aber die menschliche Sprache hat direkten Zugang zu unserer Informationsverarbeitung, und daran können wir uns nicht gewöhnen. Also die einzige Art der Gewöhnung, wenn Sie so wollen, wäre es, wenn Sie sich halt Gehörstöpsel entsprechend einsetzen und sozusagen ihr akustisches System oder auch rhetorisches System auf null schalten. Aber eine Gewöhnung an Sprache haben wir jedenfalls nicht feststellen können.
Brink: Jetzt fällt mir ja dann der Kollege im Stahlwerk ein, da ist es ja auch nicht gerade leise, oder in einer Schule. Aber das ist noch was anderes, also eine andere Art von Lärm?
Meis: Ja, also wir gehen davon aus, dass so ab 80 DB, da fangen so Lärmarbeitsplätze an, da muss man auch Gehörschutz tragen, ab 80 DB die untere Auslöseschwelle zum Tragen eines Gehörschutzes, da geht man von einer, ich sage mal, Tagesbelastung so ab acht Stunden geht man dann davon aus, dass auch das Gehör geschädigt wird, das nennt sich dann orale Wirkung, also die direkt das Gehör betreffen. Im Büro haben wir solche Pegel nicht, da sind wir so im Bereich von ungefähr 50 bis 60 DB. Da geht man nicht von direkt schädigenden Effekten aus, die das Gehör jetzt betreffen, aber das sind psychologische Wirkungen und auch physiologische Wirkungen, die wir da schon feststellen können.
Stresshormone steigen
Brink: Können Sie das mal ein bisschen beschreiben? Verliert man denn an Leistungsfähigkeit?
Meis: Man verliert an Leistungsfähigkeit. Also diese Einwirkung ist, ja, sozusagen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist es so, dass die Informationsverarbeitung direkt gestört wird. Das heißt also, die menschliche Sprache wirkt direkt auf das kurzfristige Behalten von Informationen, was dann wiederum Folgen hat, dass auch das langfristige Speichern dann der Informationen nicht gut gelingt. Das ist eine Wirkebene, ich sage mal so, im Bereich des Gedächtnis, auch der kognitiven Funktion, auch exekutive Funktionen werden eingeschränkt ,dass man Entscheidungen vielleicht langsamer fällt, dass man vielleicht auch länger für bestimmte Tätigkeiten benötigt. Die zweite Wirkebene ist so eine, ja ich sage mal, so eine physiologische Reaktion, das heißt, Stresshormone steigen an, Aktivierung, das ist schon wieder ein bisschen mehr abhängig vom Pegel, also von der Lautstärke, wo man dann sagen kann, der Körper wird so in Alarmbereitschaft gesetzt, und wenn man sich vorstellt, dass das den ganzen Tag passiert, ist das sicherlich auch nicht gesund.
Brink: Aber würden Sie denn jetzt als Fachmann auch sagen, müssten wir uns von diesem Trend Großraumbüro, der ja mal auch gefeiert worden ist nach dem Motto, alle Menschen reden miteinander, die Kommunikation geht schneller, müssen wir uns davon verabschieden?
Meis: Das würde ich so nicht sagen. Es kommt drauf an, dass man bei der Planung eines Großraums wohl auf der technisch-akustischen Seite gut arbeitet, also es gibt sehr viele Regelwerke, Richtlinien, wie man das von einer akustisch oder technisch-akustischen Seite sehr gut machen kann. Erst mal muss man den Raum, ich sage mal, grundkonditionieren, dass er nicht zu hallig ist. Man muss ihn so auf ein gutes bis mittleres Niveau bringen, dass er angenehm klingt. Und dann muss ich natürlich auch gucken, dass ich so entsprechend auch die Sprache schirme, das heißt also, durch entsprechende Stell- und Trennwände oder Möbellösungen gibt es da durchaus auch.
Brink: Oder soll ich meine Yucca-Palme mitbringen?
Meis: Nein, das ist leider nicht richtig, also Pflanzen bringen eigentlich nicht viel. Das kann man sagen. Also es sei denn, sie würden ganze, wie das teilweise an Autobahnen ist, dass Sie ganze Wände mit Erdaushebungen ... Dann sind es nicht die Pflanzen, sondern dann sind das große Schichten an Dämmung durch Erde, aber Pflanzen bringen eigentlich gar nichts.
Brink: Also richtig Trennwände und Einzelbereiche? Acht Quadratmeter steht ja jedem zu laut Gesetz.
Meis: Ja, da muss man auch gucken, dass man nicht zu sehr verdichtet. Wir kommen nämlich da zu einem nächsten Problem, dass, wenn man zu viele Leute jetzt auf eine Fläche jetzt setzt, dass natürlich es immer enger wird, also die Sprache wird immer massiver, und vor allen Dingen fühlt man sich auch in seiner Privatsphäre sehr stark eingeschränkt. Das heißt also, zum einen hat man das Gefühl, man wird selber quasi abgehört, wenn man vielleicht mal ein Privatgespräch führt, auf der anderen Seite muss man auch die Gesprächsinhalte von Kollegen sich anhören. Das ist oftmals nicht gewünscht.
Brink: Der Mediziner und Psychologe Markus Meis, heute ist der Tag gegen den Lärm. Also bitte leise! - vielleicht hilft das ja auch schon mal. Schönen Dank, Herr Meis!
Meis: Okay!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.