Peter Handke: Tage und Werke – Begleitschreiben
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
287 Seiten, 22,95 Euro
Peter Handke in der Rolle des Literaturkritikers
Es ist eine Weile her, seitdem der österreichische Schriftsteller Peter Handke auf einer Tagung der Gruppe 47 in Princeton 1966 zu einem Rundumschlag gegen die Gegenwartsliteratur ausholte. Ein großer Leser ist er geblieben, jetzt erscheint sein neues Buch mit Texten über Bücher.
Seit dem Band "Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms" von 1972 hat Peter Handke immer wieder auch Bücher mit Texten über Bücher verfasst, Begleitschreiben zur Literatur. "Tage und Werke" ist nun seine neueste Fortschreibung davon: oft Vor- oder Nachworte zu bekannteren oder entlegenen Autoren, zu denen Handke eine intensive Beziehung aufbaut, manchmal auch politische Einlassungen. Unter der Hand entwickelt sich dabei schnell so etwas wie eine Poetologie des Autors, er formuliert seine ästhetischen Ansichten immer wieder neu, am konkreten Gegenstand.
Schwärmend und vernichtend böse
Handke kann ein Schwärmer sein. Ein richtiger Enthusiast, der wunderbare Wörter der Einfühlung und der Beglückung findet, der manchmal nur mit wenigen verbindenden, aber umso treffenderen Worten Zitate aufzählt, so dass sich ein eigener rhapsodischer Rhythmus einstellt – so beim Briefwechsel zwischen den beiden konkret experimentellen Dichtern Carlfriedrich Claus und Franz Mon (eine "Schwingungs-Symbiose") oder beim gemeinsamen Tagebuch von Nathaniel und Sophia Hawthorne.
Handke kann aber auch vernichtend böse sein (so etwa, in wie beiläufig eingestreuten Nebenbemerkungen, gegenüber Herta Müller oder Uwe Tellkamp). Und diese beiden Pole seiner Empfindungen, die Wut und die Begeisterung, finden sich auch in seinen bis in die Politik-Ressorts der Medien hineinschwappenden Äußerungen zum Jugoslawien-Krieg. Es ist eindeutig, dass er nie einseitig die Partei der Serben ergriffen hat. Handke legt aber großen Wert darauf, dass die Katastrophe auf dem Balkan von allen Parteien gleichermaßen verschuldet worden ist. Er benennt seine durchaus differenzierten Ansichten geduldig, gesteht Fehler ein (so nach einem Interview mit dem serbischen Fernsehen), wird aber ungestüm und aufbrausend, wenn er sich missverstanden fühlt.
In der Rolle des Literaturkritikers
Eine kleine Sensation findet sich am Schluss des Buches. Zwischen Dezember 1964 und September 1966, noch vor seiner Berühmtheit, hat Handke für die "Bücherecke" des Österreichischen Rundfunks, Studio Graz, Rezensionen verfasst, und es ist verblüffend, wie souverän er die Sprache des Kritikers handhabt, wie differenziert und sachlich er argumentiert, wie der die Rolle des Kritikers – die er bei einzelnen Vertretern so oft als verabscheuungswürdig gebrandmarkt hat – mit großer Lust einnimmt. Und als wie gültig sich seine Urteile erwiesen haben. Spätestens hier wird klar, wie der frühe Handke an seinen Positionen arbeitete und was ihn beeinflusst hat. Das ist eine wirklich schöne Erkenntnis: Peter Handke ist ein sehr guter Literaturkritiker!