Arthur Conan Doyle: Heute dreimal ins Polarmeer gefallen. Tagebuch einer arktischen Reise
Übersetzt von Alexander Pechmann
mare, Hamburg, 2015
336 Seiten, 28 Euro
Der große Eistaucher
Autor Arthur Canon Doyle ist bislang vor allem für seine Sherlock Holmes-Geschichten bekannt. In "Heute dreimal ins Polarmeer gefallen" lässt sich beobachten, wie er als Autor erwachsen wird. Es ist ein Tagebuch über seine Arktis-Reise als 20-Jähriger.
20 Jahre alt und schnell entschlossen: Als ein Kommilitone im Februar 1880 den Medizinstudenten und späteren Schriftsteller Arthur Conan Doyle fragt, ob er an seiner statt, Ende des Monats als Schiffsarzt ein Walfangschiff begleiten möchte, überlegt der nur wenige Sekunden. Er sagt zu, geht sechs Monate auf Reise und führt dabei Tagebuch – und es entsteht ein wundervolles, lebendig geschriebenes, oft selbstironisches Werk, das jetzt in einer prächtigen Edition erschienen ist.
Als Arzt bleibt Doyle nicht viel zu tun, und so wird er schnell normales Mitglied der Besatzung. Nur staunt er mehr und notiert täglich, was passiert: Wie er das Eismeer erblickt, wie man auf schwankenden Schollen balanciert, wie er ins Meer stürzt: Dreimal muss er allein am 4. April aus dem Wasser gezogen werden, und der Kapitän nennt ihn danach den "großen Eistaucher". Wie die anderen Besatzungsmitglieder tötet er Robben, mit dem Gewehr oder einem metallbeschlagenen Knüppel, und schleppt die toten Tiere über das Eis zum Schiff. Eindrucksvoll beschreibt er das blutige Geschäft des Tötens und weiß schon 1880, dass die Menschen für das Aussterben der Bartenwale sorgen werden, dass die Gier der Ökonomie kein Mitleid kennt. Insgesamt werden auf seiner Arktisfahrt mehr als 3600 Roben fünf Eisbären und zwei Grönlandwale erlegt.
Das Leben an Bord wirkt roh, auch weil die Besatzung, Doyle eingeschlossen, oft aus Langeweile zu töten scheint – außer der Jagd bleibt nicht viel zu tun. Dennoch sind die Walfänger keine kulturlosen rohen Barbaren: Doyle erzählt von Diskussionen über Philosophie und Literatur, über Darwin, Shakespeare und Goethe.
Töten aus Langeweile
Auf jeder Seite spürt der Leser die große Zuneigung des Autors zur Arktis, der Natur und den Männern, die mit harter Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Doyle bietet viel mehr als Notizen, es sind gut ausformulierte, bild- und faktenreiche Beobachtungen und Gedanken, mit zahlreichen Anekdoten und auch einem guten Maß an Ironie. So erlaubt das Tagebuch einen erstaunlichen Einblick in das Erwachsenwerden eines großen Autors – die Arktisfahrt, das Erleben von Natur, von Tod, Töten und Gier ist auch eine Bildungsreise, eine besondere Variante der "Grand Tour". Als Doyle am 10. August 1880 wieder Land erblickt, freut er sich über das frische Grün der Küste, zugleich verstört ihn der Anblick der Häuser. Lieber wäre er wieder auf einer Eisscholle.
Zusätzlich versammelt das Buch noch einige Schriften Doyles zur Arktis, in denen er für die damals weit verbreitete Auffassung, dass das Meer am Nordpol eisfrei sei, zusätzliche Argumente liefert. Der Verlag hat auch noch eine Sherlock-Holmes-Geschichte aus dem Walfängermilieu beigefügt.
Wie das Buch überhaupt wundervoll ausgestattet ist: Rotes Leinen, Lesebändchen, Pappschuber und 60 Seiten Faksimile aus dem Tagebuch, sodass man auch Doyles mal ungelenke, mal witzige, mal durchaus realistische Zeichnungen aus der Polarwelt bewundern kann – Boote voller Walfänger, Eisbären, die Seehunde fressen, und den Triumph als der erste Wal erlegt ist: Zwei gekrakelte Boote, dazwischen der Wal, auf dessen Rücken ein Mann steht. Alle jubeln mit erhobenen Armen, darunter der Schriftzug: "dead – hurrah". "Hurra" ruft auch der Rezensent: Das ist ein tolles Buch.