Tagebücher und Briefe von Michael Bulgakow

"Ich kann nichts anderes sein als Schriftsteller"

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Der russische Schriftsteller Michail Bulgakow © picture alliance / RIA Novosti
Von Wolfgang Schneider |
Einsam, krank und depressiv starb er 1940 mit nur 49 Jahren. Die Veröffentlichung seines Werkes "Der Meister und Margarita" hat Michail Bulgakow nicht mehr erlebt. Wer war dieser Mann, der in der frühen Sowjetunion den Arztberuf gegen den des Schriftstellers tauschte?
Einer bildungsbürgerlichen Kiewer Familie entstammend, war Michail Bulgakow (1891-1940) im Ersten Weltkrieg Militärarzt und schlug sich in den Wirren der Revolutionsjahre auf die Seite der bürgerlich-monarchistischen "Weißen“. Dass er nicht wie seine beiden Brüder emigrierte, verhinderte eine Typhuserkrankung. Erstaunlich ist, dass er mit seiner Querköpfigkeit so lange im Sowjetstaat bestehen konnte.
Seine Tagebücher decken den Zeitraum von 1921 bis 1926 ab und liefern Impressionen aus den Tagen der frühen Sowjetunion, als die Utopie laufen lernen sollte: galoppierende Inflation, Wohnungsnot, katastrophale Wirtschaftslage, die durch die marktwirtschaftlichen Zugeständnisse der "Neuen Ökonomischen Politik“ gebessert werden soll. In Moskau herrscht fiebrige Stimmung. Eine Zeitschrift nach der anderen wird gegründet und geht wieder vor die Hunde.
Viel Ärger und meist geringe Honorare
Bulgakow läuft von einer Redaktion zur anderen, um "Feuilletons“ an den Mann zu bringen; viel Ärger und meist geringe Honorare bringt ihm das ein, dazu die Sorge, sich in der "spezifisch sowjetischen sumpfigen Zeitschriftenkloake“ zu kompromittieren. 1926 wurde er von der Geheimpolizei verhört. Seine Manuskripte wurden beschlagnahmt - darunter die meisterhafte Novelle "Hundeherz“, eine bissige Satire auf die Idee des "neuen Menschen“, die erst 1968 in einem Exilverlag erscheinen konnte. Seine Stücke wurden von den Spielplänen abgesetzt.
Auf das Tagebuchschreiben verzichtete Bulgakow aus Sicherheitsgründen fortan. Seine Briefe aber geben erschütternde Auskunft über das Leben eines "zum Schweigen verdammten“ Schriftstellers. Vergebens all die Bemühungen, auch nur ein kleines Manuskript zum Druck zu bringen. In seiner Verzweiflung schreibt er einen Klage-Brief an Stalin. Seit Jahren werde er in der sowjetischen Presse nur noch beschimpft, als Mensch mit "hündischer Vergangenheit“ und "literarischer Müllmann“. Und er gibt sich als "glühender Anhänger der Pressefreiheit“ zu erkennen – ein Schriftsteller, der behaupte, ohne sie auszukommen, gleiche einem Fisch, "der öffentlich versichert, kein Wasser zu brauchen“. Stalin muss geschmunzelt haben über so viel Offenheit.
1930 ruft Stalin tatsächlich bei ihm an
Ein kafkaeskes Ereignis stimuliert Bulgakows Hoffnungen. Im Jahr 1930 erhält er einen Anruf von Stalin persönlich. Der gibt sich freundlich und sagt schließlich den ominösen Satz, der den Autor dann jahrelang umtreibt: "Vielleicht sollten Sie wirklich ins Ausland reisen …“ Es war eine Schimäre. Nie hat Bulgakow die Sowjetunion auch nur für ein paar Wochen verlassen dürfen. Er blieb dem Land buchstäblich "verhaftet“, wie seine Literatur, die sich an Missständen, Korruption, ideologischem Wahn und der sowjetischen Bürokratie ("diesem Höllenschlund“) satirisch entzündete.
Einsamkeit, Krankheit, Schwermut, Angst – das sind die Leitmotive dieser Briefe und Tagebuchtexte. "Ich bereue bitter, die Medizin aufgegeben und mich zu einer unsicheren Existenz verurteilt zu haben“, schreibt Bulgakow 1923. In weniger angefochtenen Stunden spricht er jedoch von den "für die Medizin vergeudeten Jahren“. Und weiß: "Ich kann nichts anderes sein als Schriftsteller.“

Michail Bulgakow: "Ich bin zum Schweigen verdammt" - Tagebücher und Briefe
Aus dem Russischen von Renate Reschke, Thomas Reschke und Sabine Baumann
Luchterhand Literaturverlag, München 2015
352 Seiten, 24,99 Euro