Wie entsteht Angst in der Gesellschaft?
Auf einer Konferenz in Potsdam geht es um die Frage, wie gesellschaftliche Ängste entstehen und was sie beeinflusst. Mitorganisator und Philosoph Rüdiger Zill über Atmosphären der Angst und welchen Einfluss sogar Märchen haben können.
Der Philosoph Rüdiger Zill ist einer der beiden Organisatoren der Tagung "Angst machen. Koproduzenten eines Gefühls", die in diesen Tagen in Potsdam stattfindet. Es geht dabei weniger um individuelle Ängste, sondern eher um die Frage, wie sich Ängste gesellschaftlich und öffentlich darstellen, in Zeitungen oder im Film. "Zu bestimmten Zeiten hat man den Eindruck, eine bestimmte Atmosphäre der Angst spüren zu können", sagt Zill. Manchmal sei das auch weniger deutlich der Fall. Er zitiert eine Studie, nach der im Jahr 1991 nur 26 Prozent der Befragten die Frage bejahten, sie hätten Angst, 2005 hingegen waren es schon über 50 Prozent - "was auch immer das für Ängste sind."
Atmosphären der Angst entstehen nicht einfach so
Dass jemand - eine Bewegung oder eine Partei - solche Ängste forciert, um davon zu profitieren, "das wäre zu einseitig", um das als einfach Begründung für diesen Anstieg zu nehmen, so Zill. "Solche allgemeinen Atmosphären der Angst entstehen nicht einfach dadurch, dass jemand sich hinsetzt und sagt: 'Das mache ich jetzt mal'." Es müsse schon eine Angstbereitschaft da sein - und daher rühre auch der Begriff "Koproduzent" im Titel der Veranstaltung. Dort wolle man untersuchen: Wer ist an so etwas beteiligt und wie wirkt das zusammen?
Angst vor Krieg als "positive Waffe"
Politik, Medien, aber auch die Sozialen Medien spielten dabei eine Rolle. Und schon Märchen könnten schon früh eine Art Grundbereitschaft formen, meint Zill. Aber ob wir Ängste anerkennen, sei auch historischen Veränderungen unterworfen: Früher, in kriegerischen Gesellschaften, galt jemand mit Ängsten als Angsthase, als jemand, den man nicht ernst nehmen kann - doch seit der Antikriegsbewegung in den 80er-Jahren gibt es Menschen, die sich zu diesen Ängsten bekennen und dies als "positive Waffe" nutzen.
(inh)