Lachen gegen schwer erträgliche Wirklichkeit
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Muss die Philosophie das Lachen lernen? Kann Humor der Erkenntnis helfen? Und wo liegen die ethischen Grenzen des Komischen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Salzburger Tagung - bei der es auch um das Weinen ging.
Die Tagung beginnt überraschend - und zwar mit dem Thema Weinen. Dass Lachen und Weinen zusammengehören, erläutert in Salzburg Heidemarie Bennent-Vahle, die eine philosophische Praxis in Belgien betreibt:
"Weinen steht nur vordergründig im Kontrast zum Lachen, oftmals gehen beide Ausdrucksformen nahtlos ineinander über. Wir lachen, wenn uns zum Weinen zumute ist und ebenso vermag ein Lachausbruch einen Strom von Tränen hervorzutreiben. Unserer Freude können wir je nachdem lachend oder weinend Ausdruck verleihen."
Lachen ist Distanz, Weinen ist Loslassen
Heidemarie Bennent-Vahle arbeitet mit Gruppen und Einzelpersonen, hat lachende und weinende Menschen vor sich. In ihrem Vortrag beschreibt sie, ohne damit eine Wertung zu verbinden, die innere Haltung des Lachens als Betrachten einer Situation von außen, das Weinen dagegen als Ergebenheit in die Situation:
"Hier vollzieht sich ein Akt der Kapitulation, ein Sich-besiegt-Geben, ein innerliches Loslassen und damit ein Sich-selbst-Überantworten an den leiblichen Vorgang des Weinens", erklärt Bennent-Vahle. "Anders als beim Lachausbruch distanziert sich die Person nicht von der jeweiligen Situation. Sie stößt das Erlebte nicht ab, erhebt sich nicht lachend darüber, sondern lässt sich ganz und gar erfassen und durchziehen."
Humor als Strategie der Aufklärung
Der Lachende kommentiert eine Situation, er blickt darauf, erkennt etwas und reagiert. Das Lachen eigne sich somit als Erkenntnisinstrument, sagt Rudolf Lüthe von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Lüthe, der Hauptreferent der Tagung, definiert Komik und Humor als "heitere Strategien der Aufklärung". Dabei bezieht er sich auf die folgenden Überlegungen des Philosophen Immanuel Kant:
"Es muss in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein. (Woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann.) Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts."
Der Sinn fürs Komische lässt sich kultivieren
Wenn sich der Sinn für Humor bei einem Menschen nur mangelhaft entwickelt habe, sei das die Folge eines Versäumnisses, deutet Lüthe an. Grundsätzlich sei der menschliche Geist bereit für den humorvollen Blick auf die Welt.
"Humor kann als eine Veranlagung betrachtet werden", so Lüthe, "als ein Vermögen, wie Kant sagen würde, das dem Menschen von Natur aus mitgegeben ist wie etwa die Sprachfähigkeit oder die Kompetenz, moralische Unterscheidungen zu treffen. Wie diese anderen Befähigungen können die einzelnen Menschen diese Begabungen jedoch kultivieren oder verwahrlosen lassen. Wie es Menschen mit schlecht entwickelten sprachlichen Kompetenzen und solche mit wenig kultiviertem Gewissen gibt, lernen wir immer wieder auch Menschen kennen, die keinen gut entwickelten Sinn für das Komische haben."
Lachen hilft, die Wirklichkeit zu bewältigen
In seinem Buch "Heitere Aufklärung" beleuchtet Rudolf Lüthe das Verhältnis von Komik, Skepsis und Humor. Eine der sieben darin formulierten Thesen nennt sich "Kompensationsthese". Humor ist hier eine Form zur Bewältigung einer untragbaren Wirklichkeit. Wie im Buch untermauert Rudolf Lüthe auch in seinem Salzburger Vortrag die Theorie mit praktischen Beispielen, die Kompensationsthese stützt er mit jüdischem Humor:
"Während der sogenannten Kristallnacht zertrümmert ein SA-Trupp den kleinen Laden eines jüdischen Schneiders. Ein SA-Mann klärt das betroffene Individuum auf: 'Weil ihr Juden schuld seid an unserer Niederlage im Krieg 1914 – 1918.' - 'Nein', protestiert der tapfere Schneider, 'die Juden und die Radfahrer!' Darauf der Nazi verblüfft: 'Wieso die Radfahrer?' Und der Jude: 'Wieso die Juden?'"
Bei Verletzungen hört der Spaß auf
Das Lachen aus einer Erkenntnis heraus ist nur eine von vielen Spielarten des Lachens. Zahlreich sind etwa die Möglichkeiten des Auslachens. Dieses Verlachen ist als Reaktion auf das bildschirmtaugliche Missgeschick ebenso zu hören wie als blanker Hohn, wenn es sich mit Feindschaft und Aggression verbindet.
Hier gelte, so Lüthe, nach wie vor das sogenannte Harmlosigkeitspostulat von Aristoteles. Dieser sah das Ende einer berechtigten Erheiterung dort, wo das Scheitern eines anderen Menschen mit dessen erheblicher psychischer oder physischer Schädigung zu tun hat. Darauf konnten sich in Salzburg alle einigen - und auch auf eine Erkenntnis, die für die philosophische Praxis von Nutzen ist: Zwei Humorvolle erkennen einander.