Kampf gegen Kulturzerstörungen
Wie kann man die Zerstörung von Kultur in Kriegen verhindern? Diese Frage stellte sich ein Fachsymposium von Archäologen, Architekten und Kunsthistorikern an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Planungen für die "Stunde Null" gibt es bereits.
"Auch dieses Bild haben Sie grade schon gesehen, Dura Europos am Euphrat, in dem Falle jetzt im Besonderen durch Grabräuberungen, so sieht es ungefähr heute aus, wahrscheinlich sieht es heute noch schlimmer aus, das Bild ist von 2014..."
Karin Pütt, Kulturhistorikerin am Museum für Islamische Kunst, zeigt Vorher-Nachher-Bilder von historischen Stätten. Allein sechs Unesco-Weltkulturerbestätten besitzt Syrien. 8,5 Millionen Touristen kamen zuletzt ins Land, um die einzigartigen Kulturstätten zu besichtigen. Heute sind sie durch mitwillige Zerstörungen durch den Islamischen Staat, durch Kriegshandlungen, durch Raubgrabungen und Plünderungen zerstört oder stark gefährdet.
Das alles ist leidlich bekannt, die Bilder kennen alle. Doch gibt es etwas, was man tun kann, um weitere Zerstörungen zu verhindern? Und wie soll das Land selbst mit dem Verlust von Kultur und nationaler Identität umgehen? Und nicht zuletzt: Ist es überhaupt legitim, sich um Kultur zu sorgen, angesichts der alltäglichen menschlichen Tragödien des Krieges? Ja, denn auch viele Syrer selbst tun es, betont Kay Kohlmeyer, Professor an der HTW Berlin und Syrienexperte:
"Sie müssen sich vorstellen: Innerhalb dieser bombardierten Stadt Aleppo hocken Mitarbeiter des Museums in einem freigeräumten Museum, das ist praktisch gar nichts mehr drin, hocken da, um dieses Museum zu bewachen. Und rundrum wird gekämpft, überall wird geschossen, Scheiben sind raus, das möchte ich mal in anderen Ländern sehen, dass jemand so weit in seinem Engagement geht."
Planungen für die "Stunde Null"
Sich in Syrien für den Schutz von Kulturgütern einzusetzen, ist lebensgefährlich. Von außen gibt es Instrumente, die Plünderungen und den illegalen Handel mit geraubten Objekten zumindest erschweren. Der internationale Museumsrat ICOMOS hat Rote Listen mit gefährdeten Kulturgütern Syriens herausgegeben, die Zollbeamten die Identifikation von Kunstwerken aus Raubgrabungen erleichtern sollen.
Die Verschärfung der nationalen Einfuhrregeln von Antiken, wie das in Deutschland geplante Kulturgutschutzgesetz. gehört auch dazu. Darüber hinaus will die wissenschaftliche Fachwelt ihre Archive zur Verfügung stellen: Planungen für die "Stunde Null".
"Hier sieht man einen CAD-Plan, wo überlagert die Front verläuft, das Grüne rechts und unten ist Oppositions-Kontrollgebiet und das Rote ist das Kontrollgebiet der Regierung. Die Farbe dazwischen sind die umkämpften Gebiete. Wenn Sie Aleppo kennen, rechts und links der Zitadelle und diese Areale kennen, dann wissen Sie, die wichtigsten historischen Sachen sind genau in dem umkämpften Gebiet."
Issam Ballouz wirft einen Plan von Aleppo an die Wand. Weite Teile der Altstadt sind bereits Trümmerwüsten. Wie es vorher aussah, weiß er genau, denn erst vor wenigen Jahren wurde die Altstadt Aleppos mit deutscher Hilfe aufwändig saniert. Die Pläne von damals sind nun sehr nützlich. Seit 2013 leitet der in Syrien geborene Architekt zusammen mit der Kunsthistorikerin Karin Pütt das "Syrian Heritage Archive Project", ein Gemeinschaftsprojekt von Deutschem Archäologischen Institut und dem Museum für Islamische Kunst. Ziel: Alles was an Plänen, Dokumentationen, Fotos, Grabungsberichten in Archiven und Museen über syrische Kulturstätten vorhanden ist, soll zusammengefasst, digitalisiert und international zugänglich gemacht werden.
So entsteht eine Art syrisches Kulturgutregister, das dem syrischen Antikendienst einst zur Verfügung stehen soll. Wofür? Wiederaufbau, wo es geht, Dokumentation des Verlorenen, wo es nicht mehr möglich ist. Und: Objekte, die illegal auf dem internationalen Kunstmarkt auftauchen, können so leichter identifiziert werden.
Wie umgehen mit der Leerstelle?
Auf die "Stunde Null" will Isber Sabrine vom Projekt Heritage por Peace dagegen nicht warten.
"Wir müssen etwas in Syrien selbst tun und mit den Menschen in Syrien. ICOM und Unesco haben gute Arbeit geleistet, wo sie aktiv werden konnten. Aber viele Aktivisten wollen etwas tun, sie haben gute Ideen, und sie brauchen Unterstützung. Aber die Unesco ist durch internationale Gesetze gebunden, sie darf nur mit Regierungen sprechen."
Vor zwei Jahren hat Sabrine zusammen mit dem niederländischen Anthropologen René Teijgeler "Heritage for Peace" gegründet. Die Organisation schult und unterstützt mit Spendengeldern klandestine Taskforces in Syrien, die unter Einsatz ihres Lebens inmitten der Kampfhandlungen versuchen, antiken Stätten zu schützen. Eine Art Guerillaeinheit des Kulturgutschutzes.
Sie fotografieren die Zerstörungen und schicken die Bilder ins Ausland, schließen die Löcher der Raubgräber, geben sich als Aufkäufer von archäologischen Objekten aus. "Heritage for Peace" hat auch eine No-Strike-Liste für Aleppo und für Syrien herausgegeben, mit den wichtigsten historischen Stätten, die nicht bombardiert werden sollten. Genützt hat das allerdings wenig.
Am Ende wird auch Syrien vor der Frage stehen, wie das Land mit dem Verlust, mit der Leerstelle umgehen soll. Auch dafür gibt es Vorbilder: Ground Zero in New York etwa. Oder das Mahnmal des israelische Künstlers Micha Ullmann am Ort der Bücherverbrennung durch die Nazis in Berlin. Dort schaut man heute in einen Raum der in den Boden eingelassen ist. Und sieht lange Reihen leerer Bücherregale.