Takis Würger: "Noah. Von einem, der überlebte"

Mit fremden Federn geschmückt

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Das Cover vom Buch "Noah. Von einem, der überlebte" von Takis Würger.
"Er wollte, dass ich sie so festhalte", schreibt Takis Würger zu seiner Geschichte über den 2018 in Tel Aviv verstorbenen Journalisten Noah Klieger. © Deutschlandradio / Penguin Verlag
Von Rainer Moritz |
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Nach dem Skandal um den Roman "Stella" erscheint mit "Noah. Von einem, der überlebte" ein neues Buch von Takis Würger. Es erzählt die Geschichte des Auschwitz-Überlebenden Noah Klieger – und berührt wiederum unangenehm.
Wer hat dieses Buch geschrieben? Auf dem Cover prangt allein der Name Takis Würger. In der – bibliografisch relevanten – Titelei hingegen wird das Autorenduo Noah Klieger/Takis Würger genannt. Schon diese Inkongruenz, mit der der Verlag auf die zweifelhafte Popularität des Journalisten Würger setzt, nötigt dazu, "Noah. Von einem, der überlebte" und seine Machart genau unter die Lupe zu nehmen.
Würger? Ja, da war doch was. 2019 veröffentlichte er im Hanser-Verlag seinen Roman "Stella", ein peinlich verkitschtes Buch, das seinerzeit berechtigte, wenn auch mitunter maßlose Kritiken erntete. Die Ehe mit seinem Verlag währte nicht lange. Man trennte sich, so Hanser eher schmallippig, aufgrund "unterschiedlicher Einschätzungen über die Publikationspläne der nächsten Bücher".

Keine unbekannte Geschichte

"Stella", die Geschichte einer Frau, die, um ihre Familie zu retten, in Hitler-Deutschland Juden denunzierte, hatte sich Würger nicht ausgedacht, sie beruhte auf einer sogenannten wahren Begebenheit. Auch sein neues, diesmal ohne Gattungsbezeichnung auskommendes Buch bewegt sich nicht aufs Terrain der bloßen Fiktion.
In den letzten Jahren hatte Würger engen Kontakt mit dem 1925 in Strasbourg geborenen und 2018 in Tel Aviv verstorbenen Journalisten Noah Klieger. Dessen nun vorliegende Geschichte habe dieser, so Würger, abgesegnet: "Er wollte, dass ich sie so festhalte."
Unbekannt ist sie freilich nicht. Klieger selbst hat 2010 Erinnerungen unter dem Titel "Zwölf Brötchen zum Frühstück. Reportagen aus Auschwitz" veröffentlicht. In den letzten fünfzehn Jahren wurde er zudem vielfach ausführlich in deutschen Medien porträtiert, von Henryk M. Broder, Thomas Schmid, Christian Eichler oder Jonathan Stock. Die Literaturwissenschaftlerin Jaqueline Wolfram hat ihm 2015 eine selbstständige Studie gewidmet.
Kein Zweifel, dass der Jude Noah Klieger ein Leben geführt hat, von dem man nicht oft genug erzählen kann. Wie er mit Geschick und Glück in Auschwitz überlebte, wie er, als sich die Rote Armee näherte, die "Todesmärsche" überstand und wie er als überzeugter Zionist 1947 vom südfranzösischen Sète aus mithalf, 4500 Juden in einem kaum seetüchtigen Schiff nach Palästina zu überführen, das ist abenteuerlich zu lesen – und furchteinflößend, wenn die Grausamkeiten der Nazis bewusst lapidar wiedergegeben werden.

Durch Nachworte abgesichert

Ehrenvoll ist dieses Buch, ja. Doch es ist zu uneindeutig in seiner Erzählmethode. Mal tut Würger so, als gebe er eins zu eins wieder, was Klieger ihm erzählte. Mal verlässt der Text dieses scheinbare Protokoll abrupt und referiert die Biografien der Ärzte Josef Mengele und Robert Waitz, und am Ende, im vierten Teil, fasst das Buch zusammen, was aus Kliegers Widersachern und Weggefährten wurde. Mit der Wiedergabe eines "authentischen" Gesprächs hat das nichts zu tun.
So berührt dieses Buch unangenehm. Denn Würger reichert seinen Text nicht nur mit einem eigenen Nachwort an. Zudem darf Kliegers Nichte Alice davon berichten, wie sehr ihr Onkel Würger "lieb gewonnen" habe, und zuletzt steuert die Historikerin Sharon Kangisser Cohen ausführliche, über das "dynamische Wesen der Erinnerung" nachsinnende Betrachtungen bei. Kurzum, man kann sich erneut nicht des Eindrucks erwehren, dass Takis Würger sein Buch mit reichlich fremden Federn schmückt und so unangreifbar machen will.

Noah Klieger/Takis Würger: "Noah. Von einem, der überlebte"
Penguin, München 2021
188 Seiten, 20 Euro

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