Taliban-Herrschaft

Der Umgang mit den Frauen wird zur Bewährungsprobe

10:28 Minuten
Taliban-Kämpfer in Kabul
Noch ist unklar, wie gewaltsam die Taliban-Herrschaft in Afghanistan ausfallen wird. © picture alliance /dpa /Sputnik / Stringer
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Wie die Taliban in Zukunft mit den Frauen umgingen, sei entscheidend. So sieht es der Afghanistan-Experte Conrad Schetter und hofft, dass die Islamisten nach der Übernahme der Macht die Fehler der 1990er-Jahre nicht wiederholen.
Nach dem Einzug der Islamisten in Kabul ist unklar, welche Gesetze und Regeln künftig in Afghanistan gelten werden. Er sei erstaunt, wie homogen und diszipliniert die Taliban derzeit in Erscheinung träten, sagt der Afghanistan-Experte Conrad Schetter. Die Anführer seien ursprünglich aus der Unterschicht gekommen und einfache Mullahs gewesen. Deshalb sei ihr strategisches Vorgehen umso erstaunlicher. Allerdings habe er auch das Gefühl, dass der pakistanische Geheimdienst beteiligt sei.

In den 1990er-Jahren sei das Regime der Taliban eine Terrorherrschaft vor allem in den Städten gewesen. Doch die Kämpfer hätten in den vergangenen 20 Jahren das Ziel gehabt, sich davon zu emanzipieren. "Man hat versucht, darzustellen, dass man eben auch regieren kann", sagt Schetter. Es seien Provinzgouverneure ernannt worden und auch in der Frauenfrage sei man zurückgerudert. Aus vielen von den Islamisten eingenommen Regionen höre man, das diese versuchten moderater zu wirken.

Wandel bei den Taliban?

Die Frauenfrage werde noch zur Bewährungsprobe für die neue Taliban-Herrschaft werden, sagt Schetter. Die Islamisten beriefen sich auf den paschtunischen Stammeskodex, bei dem die männliche Stärke im Vordergrund stehe. Das Rückgrat der Taliban-Herrschaft sei schon immer, dass der Mann über die Frau herrsche. "Ob das nun aufrecht erhalten werden kann, das ist die große Frage", sagt der Experte. Denn wenn die Taliban international anerkannt werden wollten, müssten sie einen Wandel in dieser Frage deutlich machen.

Diese Strategie verfolgen die Taliban
Wer sind die Taliban und welche Strategien verfolgen die Islamisten nach der Machtübernahme in Afghanistan? Sie bezeichnen sich selbst als "Gotteskrieger" und wollen in Afghanistan laut eigener Aussage eine "wahre islamische Herrschaft" im Rahmen des Scharia-Rechts aufbauen. Die islamistische Gruppe hatte bereits parallele Regierungsstrukturen in Distrikten und Provinzen aufgebaut. Abzuwarten bleibt, wie sich die Verwaltung der Taliban nun konsolidiert.

Taliban-Kämpfer in Kabul in einem Auto
© imago images / Xinhua
Auch bei den Verboten von Musik oder Sportveranstaltungen glaubt Schetter, dass die Taliban eine andere Haltung einnehmen müssten als in den 1990er Jahren, weil sich das Land sehr stark weiterentwickelt habe. Bei der Einnahme von Kabul hätten die Taliban deutlich gemacht, dass sie Frieden bringen wollten und keine Gewaltexzesse. "Ich bin mir nicht sicher, inwieweit das jetzt eine Taktik ist oder ob da ein Sinneswandel dahintersteht."

Erfahrungen im Osten des Landes

Auch Reinhard Erös, der für die "Kinderhilfe Afghanistan" seit mehr als 20 Jahren im Land arbeitet, warnt davor, die chaotischen Bilder vom Flughafen in Kabul als Zustandsbeschreibung des ganzen Landes zu deuten. Auch die Hauptstadt sei weitgehend ruhig. [Audio]
Er arbeite mit 1500 afghanischen Mitarbeitern im Osten des Landes rund 250 Kilometer von Kabul entfernt. Dort habe er 30 Schulen gebaut, überwiegend für Mädchen. "Dort ist es absolut ruhig", sagt er. Der Provinzgouverneur habe die Macht vor drei Tagen an einen Talibanführer übergeben. Dieser habe angeordnet, dass nach den Sommerferien alle Schulen wieder öffnen müssten.

Zusammenarbeit mit Taliban

"Das war für uns, die wir uns vorwiegend im Bildungsbereich betätigen, natürlich eine sehr gute Nachricht." Er habe das nicht anders erwartet, sagt Erös, weil die Kinderhilfe seit 2001 auch mit den religiösen Führern in der Gegend zusammenarbeite.
"Wenn die zugestimmt haben, dass wir eine Mädchenschule bauen können, dann haben wir sie gebaut." Meistens hätten die Mullahs zugestimmt und bei der Grundsteinlegung gebetet, gesungen und der Schule alles Gute gewünscht. Und daran werde sich wohl auch in nächster Zeit nichts ändern, glaubt Erös.
(gem)
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