Diese Strategie verfolgen die Taliban: In Afghanistan haben die Taliban die Macht übernommen, Präsident Ghani hat das Land verlassen. Ihre schnellen militärischen Erfolge sind auch auf Fehler des Westens zurückzuführen. Wie organisieren sich die Taliban und was kommt nun auf die afghanische Bevölkerung zu?
Was die Machtübernahme für die arabisch-islamische Welt bedeutet
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Für die arabisch-islamische Welt ist die Machtübernahme der Taliban ein "zweischneidiges Schwert", sagt der Islamwissenschaftler Stefan Weidner. Vordergründig gebe es Jubel. Doch handfeste Interessenskonflikte schwelten bereits.
Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wird sich auch auf die islamische Welt in der Region auswirken - zumal religiös, ethnisch und ideologisch zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen.
Die jüngste Entwicklung in Afghanistan "ist für alle Nachbarstaaten und die islamische Welt insgesamt ein äußerst zweischneidiges Schwert", schätzt der Islamwissenschaftler Stefan Weidner die Lage ein.
Zwar mag antiamerikanischer und antikolonialistischer Jubel fürs Erste noch überwiegen. Doch staatliche Akteure dürften wohl eher von einer Gefahrenlage ausgehen.
Der westliche Nachbar Iran etwa ist seit je her zerstritten mit den Taliban. Zwar teilen beide das Feindbild USA, doch der Iran ist schiitisch geprägt, während die Taliban mehrheitlich Sunniten sind.
Katar profitiert von der Lage
Zu den Profiteuren der neuen Situation dürfte nach Weidners Ansicht der Golfstaat Katar zählen. Dieser spiele ein "hervorragendes Doppelspiel. Die Kataris sind eine amerikanische Militärbasis, aber gleichzeitig beherbergen sie das Verbindungsbüro der Taliban."
Dass der Konflikt um Afghanistan sich anders als erwartet zu keinem zähen Bürgerkrieg entwickelt hat, dürfte wohl entscheidend auf von Katar lancierte Verhandlungen zurückzuführen sein, sagt Weidner.
Katars vorteilhafte Position könnte allerdings zu weiteren Verwerfungen in der Golfregion führen: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die beiden Konkurrenten Katars, dürften die Entwicklung genau beobachten.
Die größte Gefahr droht in Pakistan
Den größten Konfliktherd in der Region identifiziert Weidner an der Südgrenze Afghanistans zu Pakistan. Zwar habe Pakistan die Taliban gefördert. Doch eine nicht anerkannte Grenzführung zwischen beiden Ländern könnte hier zu Konflikten führen – zumal rings um die Grenze paschtunische Stämme siedeln, aus denen die Taliban viele ihrer Mitglieder rekrutieren.
"Es besteht die Gefahr, dass die Taliban auf diese Gebiete übergreifen", sagt Weidner. Schon zuvor habe es Anschläge pakistanischer Taliban auf pakistanischem Gebiet gegeben. "Ich glaube, da kommen große Konflikte auf uns zu. Das ist umso gefährlicher, als Pakistan eine Atommacht ist."
(thg)