Moshtari Hilals nächste Ausstellung "Das Ende des Zeitgenössichen" beginnt am 21. August in den Kunstwerken in Berlin.
"Der afghanische Staat hat nie wirklich eine Chance gehabt"
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Mit zunehmender Geschwindigkeit nehmen die Taliban eine Provinzhauptstadt nach der anderen ein. Warum geht das so schnell? Auch afghanische Künstler in der Diaspora schauen mit Sorge auf die Entwicklung.
Die radikal-islamischen Taliban haben nun offenbar auch die großen afghanischen Städte Herat und Kandahar eingenommen. Nach langem Hin und Her hat Deutschland inzwischen beschlossen, vorerst keine Menschen mehr nach Afghanistan abzuschieben.
Moshtari Hilal ist als Kind aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und lebt in Berlin. "Die Zustände sind katastrophal und es ist hauptsächlich Angst, die mich erfüllt", sagt sie mit Blick auf das Land, in dem noch ein Großteil ihrer Familie lebt.
Sie fühle sich ohnmächtig: "Die internationale Gemeinschaft schaut dabei zu, wie Afghanistan in sich zusammenfällt."
Künstler seien davon besonders betroffen, erklärt Hilal. Unter der Herrschaft der Taliban gebe es keine Kunstfreiheit, keine Subventionen, keine Infrastruktur wie unabhängige Galerien oder ähnliches. Man sei darauf angewiesen, welche Gelder ausländiche Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung stellen. Diese Infrastruktur breche jetzt mit zusammen.
Als Künstlerin ist Moshtari Hilal vernetzt mit Menschen in ihrem Land, unter anderem im AVAH-Kollektiv (Afghan Visual Arts & History). Doch die meisten Künstler hätten Afghanistan schon vor längerer Zeit verlassen. Die Situation jetzt sei nur eine weitere Eskalation, sagt Hilal.
Das leere Versprechen des Westens
Dass der Westen "Frieden" und "Demokratie" bringen würde, das sei an sich "nur ein leeres Versprechen", konstatiert Hilal. "Was wir in den letzten 20 Jahren vor Ort gesehen haben, ist das Ergebnis einer nicht nachhaltigen Kriegsindustire, die nicht in demokratische Institutionen investiert hat.
Die afghanische Regierung habe laut Hilal nie ein Gewaltmonopol gehabt, sondern nur mit Hilfe der NATO-Mächte eine gewisse Sicherheit gewährleisten können.
Hilal beobachte nun ein Tempo beim Fall der afghanischen Soldaten, das nahelege, dass es "Papiersoldaten" gibt, also Soldaten, die nur auf dem Papier existieren, aber gar nicht kämpfen, sondern überlaufen, flüchten oder kapitulieren und das Gewaltmonopol der Taliban mangels Ressourcen und als Überlebensstrategie anerkennen.
"Der afghanische Staat hat leider historisch - aber auch aktuell - nie wirklich eine Chance gehabt", so Hilal.
"Der weite Teil wird von der Taliban beherrscht werden"
Auch Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Deutschland
sprach von mangelnder Loyalität der Soldaten gegenüber dem afghanischen Zentralstaat als bislang unterschätztes Problem [AUDIO]
. Nun passiere es, "dass sie in atemberaubendem Tempo desertieren, ganze Distrikte übergeben, das Land verlassen, die Waffen von sich werfen".
Korruptionsvorwürfe und Wahlen, die letztlich nie frei gewesen seien, sorgen für Zweifel an der Legitimität der afghanischen Regierung in der eigenen Bevölkerung und unter den Sicherheitskräften, so Markus Kaim. Unter Druck werde das jetzt um so offensichtlicher.
Internationale Hilfszahlungen auch aus Deutschland würden vor allem der Zivilbevölkerung helfen: "Wenn man wirklich möchte, dass sich Afghanen nicht auf den Weg nach Europa machen, dann ist das kein Patentrezept, die Hilfszahlungen einzustellen."
Kaim glaubt, dass es auf eine Machtteilung innerhalb des Landes hinauslaufen wird. "Der weite Teil wird von der Taliban beherrscht werden und einzelne Warlords werden einzelne Teile des Landes regieren. Wir werden von einer Fragmentierung von Staatlichkeit im Land ausgehen müssen."