Talkshow im Theater
In dem Theater wird eine Beckmann-Sendung nachgespielt – mit all den unfassbaren Statements und unlogischen Zusammenhängen. Mit ihrer ironischen Grundhaltung, den Zuspitzungen, Übertreibungen und neuen Pausierungen entlarven die Schauspieler die Talkshow-Gäste auf großartige, amüsante Weise.
29. Mai 2006, 22:45 – Erstes Deutsches Fernsehen
Bei Beckmann zu Gast sind: Alice Schwarzer (Publizistin), Hugon Egon Balder (Entertainer), Gregor Gysi (Politiker), Florian Langescheidt (Verleger und Buchautor), Til Schweiger (Schauspieler) und Matthias Matussek (‚Spiegel’-Kulturchef und Buchautor)
Debattiert wird über die ‚neue Lust am Nationalstolz’. Das kommt Ihnen bekannt vor? Kann sein. Falls Sie an besagtem Abend das Erste eingeschaltet haben. Im Hochzeitssaal der Berliner Sophiensaele wird die Beckmann-Talkshow jetzt, im Sommer 2008, gut zwei Jahre später, nachgespielt – en Detail, mit allen Versprechern, allen nicht zu Ende gesprochenen Sätzen, allen unlogischen Zusammenhängen – und all den unfassbaren Statements, die öffentliche Personen im deutschen Fernsehen sagen können, ohne dass sie den – eigentlich nötigen – kritischen Furor auslösen würden.
Die Talkshow-Gäste von damals werden von Regisseur Patrick Wengenroth atypisch besetzt – Schauspielerinnen stellen männliche Personen dar (Gregor Gysi erscheint als jugendliche graue Maus mit Karorock, roter Strumpfhose und Brille; Beckmann wird von einer smarten Schauspielerin gegeben, die eher an Maybrit Illner erinnert, usw.), der einzige Schauspieler setzt Alice Schwarzer in Szene und hat sinnigerweise dunklere Hautfarbe und Bart.
Mit ihrer ironischen Grundhaltung, den Zuspitzungen, Übertreibungen und neuen Pausierungen entlarven die Schauspieler die Talkshow-Gäste auf großartige, amüsante Weise: mag die Dummheit Til Schweigers dem Zuschauer bereits bei der Originalversion aufgefallen sein, aber dass Matthias Matussek ungestraft Sätze sagen darf wie: ‚Alle wünschen sich einmal wieder, nationalistisch sein zu dürfen’ oder Gregor Gysi mit Statements wie: Ich habe nichts gegen eine gescheiterte Revolution, nur war die eben nicht so erfolgreich’ oder ‚mein Leistungsanteil an dem, was Goethe geschrieben hat, ist gleich null’ seine Gesprächspartner beschallt, erscheint in der von den eigentlichen Sprechern abgelösten Version kaum glaublich. Neben politisch bedenklichen Äußerungen und nichtigem Geschwätz eröffnen sich hier vor allem Dummheit, Wichtigtuerei und Arroganz – ‚Der braune Rucksack’ ist eine komplette Entlarvung öffentlicher Personen, klug und zugleich sehr unterhaltsam.
Dem derzeit heimatlosen, aber durch Basisförderung für die nächsten zwei Jahre finanziell unterstützen Theaterdiscounter über den Sommer ein Gastdomizil in den Sophiensaelen zu verschaffen, ist eine löbliche Idee. Darüber hinaus jedoch stehen das Haus seit Monaten in der öffentlichen Kritik. Künstler wie Sophiensaele-Gründungsmitglied Dirk Cieslak beschweren sich über den Stil der neuen Leitung unter Heike Albrecht – eine Kritik, die über das Atmosphärische hinausgeht und einen wunden Punkt des kulturellen Lebens trifft.
Dass sich kulturpolische Strukturen seit Mitte der neunziger Jahre stark verändert haben, dass Konkurrenz- und Erfolgsdruck auch für die sogenannten Off-Theater gestiegen sind, steht außer Frage, ebenso wie die Notwendigkeit, dass eine künstlerische Leitung die Aufgabe hat, durch ein kuratiertes Programm dem eigenen Haus ein spezifisches Profil zu geben. Mangelnder Respekt im Umgang mit Künstlern, wie er Heike Albrecht vorgeworfen wird, ist durch eine stärkere Hierarchisierung nicht zu rechtfertigen.
Die inzwischen nicht mehr ganz so neue künstlerische Leitung hat es außerdem in ihrem ersten Jahr nicht geschafft, dem lange von Intendantin Amelie Deufelhardt geleiteten Haus eine spezifische, neue, verjüngte Ausstrahlung zu geben – eine Einladung zu Kommunikation, eine produktive Diskussionskultur – die Merkmale eines lebendigen, intelligenten Theaterbetriebs – sucht man hier seit einem Jahr vergeblich (was sich, nebenbei bemerkt, auch in sinkenden Besucherzahlen widerspiegelt). Dass damit die Sophiensaele in der öffentlichen Wahrnehmung immer stärker ins Abseits gedrängt werden, ist mehr als bedenklich – waren sie doch noch vor wenigen Jahren eine der wichtigsten, innovativsten Spielstätten Berlins.
Bei Beckmann zu Gast sind: Alice Schwarzer (Publizistin), Hugon Egon Balder (Entertainer), Gregor Gysi (Politiker), Florian Langescheidt (Verleger und Buchautor), Til Schweiger (Schauspieler) und Matthias Matussek (‚Spiegel’-Kulturchef und Buchautor)
Debattiert wird über die ‚neue Lust am Nationalstolz’. Das kommt Ihnen bekannt vor? Kann sein. Falls Sie an besagtem Abend das Erste eingeschaltet haben. Im Hochzeitssaal der Berliner Sophiensaele wird die Beckmann-Talkshow jetzt, im Sommer 2008, gut zwei Jahre später, nachgespielt – en Detail, mit allen Versprechern, allen nicht zu Ende gesprochenen Sätzen, allen unlogischen Zusammenhängen – und all den unfassbaren Statements, die öffentliche Personen im deutschen Fernsehen sagen können, ohne dass sie den – eigentlich nötigen – kritischen Furor auslösen würden.
Die Talkshow-Gäste von damals werden von Regisseur Patrick Wengenroth atypisch besetzt – Schauspielerinnen stellen männliche Personen dar (Gregor Gysi erscheint als jugendliche graue Maus mit Karorock, roter Strumpfhose und Brille; Beckmann wird von einer smarten Schauspielerin gegeben, die eher an Maybrit Illner erinnert, usw.), der einzige Schauspieler setzt Alice Schwarzer in Szene und hat sinnigerweise dunklere Hautfarbe und Bart.
Mit ihrer ironischen Grundhaltung, den Zuspitzungen, Übertreibungen und neuen Pausierungen entlarven die Schauspieler die Talkshow-Gäste auf großartige, amüsante Weise: mag die Dummheit Til Schweigers dem Zuschauer bereits bei der Originalversion aufgefallen sein, aber dass Matthias Matussek ungestraft Sätze sagen darf wie: ‚Alle wünschen sich einmal wieder, nationalistisch sein zu dürfen’ oder Gregor Gysi mit Statements wie: Ich habe nichts gegen eine gescheiterte Revolution, nur war die eben nicht so erfolgreich’ oder ‚mein Leistungsanteil an dem, was Goethe geschrieben hat, ist gleich null’ seine Gesprächspartner beschallt, erscheint in der von den eigentlichen Sprechern abgelösten Version kaum glaublich. Neben politisch bedenklichen Äußerungen und nichtigem Geschwätz eröffnen sich hier vor allem Dummheit, Wichtigtuerei und Arroganz – ‚Der braune Rucksack’ ist eine komplette Entlarvung öffentlicher Personen, klug und zugleich sehr unterhaltsam.
Dem derzeit heimatlosen, aber durch Basisförderung für die nächsten zwei Jahre finanziell unterstützen Theaterdiscounter über den Sommer ein Gastdomizil in den Sophiensaelen zu verschaffen, ist eine löbliche Idee. Darüber hinaus jedoch stehen das Haus seit Monaten in der öffentlichen Kritik. Künstler wie Sophiensaele-Gründungsmitglied Dirk Cieslak beschweren sich über den Stil der neuen Leitung unter Heike Albrecht – eine Kritik, die über das Atmosphärische hinausgeht und einen wunden Punkt des kulturellen Lebens trifft.
Dass sich kulturpolische Strukturen seit Mitte der neunziger Jahre stark verändert haben, dass Konkurrenz- und Erfolgsdruck auch für die sogenannten Off-Theater gestiegen sind, steht außer Frage, ebenso wie die Notwendigkeit, dass eine künstlerische Leitung die Aufgabe hat, durch ein kuratiertes Programm dem eigenen Haus ein spezifisches Profil zu geben. Mangelnder Respekt im Umgang mit Künstlern, wie er Heike Albrecht vorgeworfen wird, ist durch eine stärkere Hierarchisierung nicht zu rechtfertigen.
Die inzwischen nicht mehr ganz so neue künstlerische Leitung hat es außerdem in ihrem ersten Jahr nicht geschafft, dem lange von Intendantin Amelie Deufelhardt geleiteten Haus eine spezifische, neue, verjüngte Ausstrahlung zu geben – eine Einladung zu Kommunikation, eine produktive Diskussionskultur – die Merkmale eines lebendigen, intelligenten Theaterbetriebs – sucht man hier seit einem Jahr vergeblich (was sich, nebenbei bemerkt, auch in sinkenden Besucherzahlen widerspiegelt). Dass damit die Sophiensaele in der öffentlichen Wahrnehmung immer stärker ins Abseits gedrängt werden, ist mehr als bedenklich – waren sie doch noch vor wenigen Jahren eine der wichtigsten, innovativsten Spielstätten Berlins.