Talkshows

Montags Plasberg, sonntags Jauch

Von Johannes Nichelmann |
Erich Huber tut in seiner Freizeit nichts lieber als in TV-Studios zu sitzen: Bei fast 800 Sendungen war er bei der Aufzeichnung schon dabei. Und er ist nicht der einzige mit dieser Leidenschaft.
Aufnahmeleiter: "Und Achtung!"
TV-Ansagerin: "Hier ist 'Hart aber Fair'- mit Frank Plasberg!" (Applaus)
Jeden Montagabend um 21 Uhr begrüßt Frank Plasberg seine Zuschauer. Zu Hause und im Studio. Der ARD-Talkmaster steht in der kleinen Kulisse seiner Polittalkshow. Den Blick hat er in die Kamera gerichtet, hinter ihm im Bild ist das Publikum zu sehen. In der vierten Reihe sitzt Erich Huber. Er ist 72 Jahre alt, gebürtiger Hesse und leidenschaftlicher Besucher von Fernsehsendungen. Knapp 800 Ausgaben verschiedenster Formate hat er schon besucht.
Huber: "Ja, es ist so, es ist immer wieder neu und immer wieder interessant und ich weiß auch schon, wie man sich dementsprechend kleiden muss. In der einen Sendung mit Krawatte in der anderen ohne. Zum Beispiel bei 'Hart aber Fair'. Da hat der Moderator keine Krawatte, dann brauchst Du auch keine Krawatte anzuziehen."
Außerdem darf man niemals karierte Hemden tragen - erzählt er weiter. Das würde später im Fernsehen flimmern. Erich Huber liebt es, mehr von der Show zu sehen als die Leute vor dem Fernseher. Sei es das Warm-Up des Moderators vor der Sendung oder die Reaktionen der Politikerinnen und Politiker, während der kurzen Filmbeiträge. Seit zwölf Jahren ist Herr Huber dabei. Eine Nachbarin hatte ihn einmal mitgenommen, damals noch zu „Sabine Christiansen".
Huber: "Ich wollte im Bild sein auch. Wegen meiner Bekannten überall in Deutschland. Und das hat auch funktioniert. Die haben dann gesagt: Ja! Wir haben Dich im Fernsehen gesehen. Die rufen dann hier an. Und und und... Und dann im letzten Jahr war jetzt, denk ich war jetzt schon genug. Muss jetzt nicht immer im Bild sein."
Frank Plasberg verabschiedet sich, die siebzig Minuten Sendezeit sind rum. Die Kamera fliegt noch einmal über das Publikum - für einen kurzen Augenblick ist auch Erich Huber zu erkennen.
Eine Stunde vor Beginn der Sendung. Der Rentner betritt das Studiogebäude in Berlin-Adlershof. Zwei Damen warten an einem Stehtisch darauf, seinen Namen auf einer Gästeliste abzuhaken. Über eine Fernsehticket-Agentur hat sich Erich Huber angemeldet. Der Eintritt ist frei.
Huber: "Grüß Ihnen!"
Mitarbeiterin I: "Hallo!"
Huber: "Hallo!"
Mitarbeiterin I: "Schön, dass Sie wieder da sind."
Huber: "Ja!"
Mitarbeiterin II: "Genau!"
Huber: "Freu mich auch."
Mitarbeiterin I: "Hier ist Ihr Kärtchen."
Mitarbeiterin II: "Bitte noch einmal ausfüllen! Adresse, Unterschrift..."
Huber: "Ja, machen wir gleich. Ja. Kann ich ja am Tisch hinten..."
Mitarbeiterin I: "Ja, genau. Das wäre nett, ja."
Mitarbeitern II: "Bis nachher!"
Rote Sofas, Stehtische und eine kleine Auswahl an Getränken und Salzstangen. Herr Huber gibt seinen Mantel ab, schaut sich um. Meistens bin ich nicht der einzige Dauergast, sagt er. Am anderen Ende des Foyers erkennt er Steffen. Er und der 42-jährige sehen sich mehrmals die Woche, teilen dieselbe Leidenschaft.
Steffen: "Also wir kennen uns auch schon. Zehn Jahre bestimmt, wa?"
Hr. Huber: "So lange schon, Steffen?"
Steffen: "Ja, klar! Wir haben ja damals angefangen bei 'Anne Will', nee 'Anne Will' nicht. Ich komm nicht auf den Namen drauf. Jetzt die andere..."
Hr. Huber: "Illner?"
Steffen: "Illner! Genau."
Hr. Huber: "Meine Freundin!"
Steffen: "Maybrit Illner."
Hr. Huber: "Meine Freundin!"
Steffen: "Die hat das auch immer sehr interessant gemacht."
Maybrit Illner (TV): "Guten Abend, herzlich Willkommen, liebe Zuschauer! Es ist 22 Uhr 15, heute Abend. Ein herzliches Willkommen Ihnen allen im Zweiten Deutschen Fernsehen. Wenn einen der..."
Huber: "In der ersten Reihe, ganz links."
Freitag, Nachmittag - im Wohnzimmer von Erich Huber. Ein großer heller Raum mit Kruzifix und kleinem Fernseher. Nach „Hart aber Fair" hat der Rentner und ehemalige Diakon noch zwei weitere Sendungen besucht. Gestern war er zum Beispiel bei Maybrit Illner im ZDF. Seiner Lieblingssendung. Gerade läuft die Wiederholung. Auf dem Tisch liegt ein alter Zeitungsartikel. Auf dem Foto ist er zu sehen, in der Kulisse des ZDF-Talks. In der Überschrift wird er zitiert: „Jede Talkshow ist ein Unikat". Erich Huber lächelt und ist stolz. Maybrit Illner hat ihm darauf hin einen Brief geschrieben.
Hr. Huber: "...und dann hat sie geschrieben: Sie, Herr Huber, sind das eigentliche Unikat. Nicht die Talkshows, sondern ich bin das Unikat. Das war auch eine wunderbare Begegnung mit ihr."
Huber: "Alles klar. (Hund schüttelt sich) Schlüssel hab ich. Ja, brav! Ich komm schon wieder. Keine Angst!"
Erich Huber auf dem Weg zum letzten Termin der Woche. Es geht zu „Günther Jauch".
Huber: "Jetzt gehen wir gerade an der Bahnstrecke entlang. Zum Gasometer, an den geheimnisvollen Ort von „Günther Jauch". Die Einspielmusik gefällt mir auch immer so gut, von Jauch. Dat, dat, dat, dat - einmalig!"
Pförtner: "Einen schönen guten Abend!"
Hr. Huber: "Abend!"
Pförtner: "Zur Sendung?"
Hr. Huber: "Hm!"
Vier bis fünf Millionen Menschen sehen jeden Sonntag den Talk im Ersten. Erich Huber ist glücklich, wenn er dabei sein kann. In den Wohnzimmern der Talkmaster, in den Wohnzimmern der Fernsehnation. Andere gehen gern in die Oper, ich liebe den Rummel in den Studios - sagt er. Die Woche endet mit Applaus.