Diese Leerstelle kommt von viel früher und ist auch der Grund, warum sie gegangen ist. Gewisse Dinge, die nicht besprochen worden sind – gewisse Dinge, die sie nicht verstanden hat.
Spielfilm "Tamara"
Sie trennen Welten: Tamara und ihre Mutter. © JHF / ZDF / Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf / Yuri Salvador
Aus einem Land, das es nicht mehr gibt
08:23 Minuten
Geboren in der DDR, aufgewachsen in der Bundesrepublik: In dem Film "Tamara" erzählt Regisseur Jonas Ludwig Walter von einer ostdeutschen Frau Anfang 30 und ihrer Beziehung zur DDR-geprägten Mutter. Es ist auch seine eigene Geschichte.
Mutter und Tochter, beide kommen aus der DDR: Die eine hat sie erlebt, die andere nicht. Beide ringen um ihre Beziehung, die nicht von den gesellschaftlichen Entwicklungen loszulösen ist. Und die Tochter muss sich in dem nach ihr benannten Spielfilm "Tamara" ihrer eigenen Geschichte stellen.
Tamara sei für ihre Eltern eine Leerstelle, sagt Regisseur Jonas Ludwig Walter. "Und sie verhält sich auch so. Sie gibt sich extrem bedeckt, sie lässt ganz wenig von sich blicken", sagt Walter. Man habe erst mal eine große Distanz zu dem Ort, an dem sie groß geworden ist und zu ihren Eltern.
Autobiografisch geprägte Geschichte
Er habe eine Familiengeschichte, wo es Leerstellen gibt, mit dem politischen Hintergrund kombiniert, sagt Regisseur Walter. Tamara sei zwar nach der Wende geboren und habe das Land, aus dem sie kommt, nicht mehr erlebt. „Sie ist aber davon absolut geprägt durch ihre Eltern, die gewisse Dinge erlebt haben, die sie gar nicht mehr einordnen kann.“
Es sei eine ziemlich autobiografische Geschichte, sagt der Regisseur. Die Tragödie in dem Film sei passiert, als er sich für die Filmhochschule bewarb. „Und sie war irgendwie dran, musste erzählt werden“, als er sich Gedanken um den bevorstehenden Abschlussfilm machte.
Dazu kamen das nicht mehr vorhandene Heimatland und die Leerstelle um diese DDR, „die mir immer ein Konglomerat aus sehr widersprüchlichen Erzählungen war“, so Walter.
Erzählen aus ostdeutscher Perspektive
Er habe immer Geschichten gemacht, bei der die DDR mitschwang, diesmal sei es ein bisschen expliziter, sagt der Regisseur. „Es ist einfach der Hintergrund dieser Geschichte.“
Oftmals würden Geschichten in Deutschland mit einem westdeutschen Narrativ erzählt. Das sei ein Gefühl, was er total kenne, sagt er. „Ich kenne diese Geschichte aus der Schule, aus Filmen und so weiter, aber sie hat mit meiner Familiengeschichte nichts zu tun.“
Insofern sei die Figur der Tamara als Letztes entstanden: „Erst gab es diesen Familienkonflikt, diese Tragödie. Dann die Kombination mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Und dann musste noch eine Figur her, die nicht ich ist.“
Zwei Generationen aus dem Osten
Je mehr Tamara ihre Mutter verstehen wolle, desto mehr verschanze diese sich, sagt Jonas Ludwig Walter. Sie habe im Laufe der Jahre gelernt, ihre Geschichte vor der Neudeutung zu schützen: „Das ist meine Geschichte, das geht Dich nichts an. Erzähl mir nicht, wie ich mein Leben gelebt habe.“
Das sei eine Folge des Ost-West-Konflikts: „Jetzt kommen Leute, die mir erzählen, wie mein Leben war.“ Aus dieser Attitüde komme auch die Ablehnung der Tochter gegenüber.
„Für mich heißt Ossi sein, aus der Bundesrepublik zu kommen“, sagt Regisseur Walter. Für seine Eltern heiße das eben diese DDR-Vergangenheit. Da genau verlaufe diese Grenze: Durch diese Generation würden wir merken, dass es die Grenze gar nicht mehr zwischen Ost und West gibt.
Diese Generation sei in einem Deutschland aufgewachsen, das schon ein Staat war. Ihm sei es ein Anliegen, neu auf die Geschichte zu gucken, sagt Walter. Zu sagen: Wir haben eine gemeinsame Geschichte.
„Und da ich diese DDR gar nicht mehr erlebt habe, habe ich mich für einen ganz persönlichen Ansatz entschieden.“
"Tamara" läuft derzeit im Spielfilm-Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Das Festival zeigt vom 23. bis 29. Januar 127 Filme.
(ros)